Absatz 2 JESUS IST AM KREUZ GESTORBEN I Der Prozeß Jesu
Die jüdischen Autoritäten waren
nicht einer Meinung über Jesus
595 Unter den
religiösen Autoritäten Jerusalems gab die Person Jesu immer wieder Anlaß zu
Meinungsverschiedenheiten; der Pharisäer Nikodemus [Vgl. Job 7,50.] und der
angesehene Josef von Arimathäa [Vgl. Job 19,38-39.] etwa waren heimliche
Anhänger Jesu [Vgl. Job 9,16-17;10,19-21.]. Johannes kann sogar sagen, daß -
selbst kurz vor der Passion - „von den führenden Männern viele zum
Glauben" (Joh 12,42), zu einem freilich noch sehr unvollkommenen Glauben
an ihn" kamen. Das überrascht nicht, wenn man bedenkt, daß am Tag nach
Pfingsten „eine große Anzahl von den Priestern ... gehorsam den Glauben"
annahm (Apg 6,7) und „einige aus dem Kreis der Pharisäer ... gläubig geworden
waren" (Apg 15,5). Der hl. Jakobus konnte dem hl. Paulus sagen, daß „viele
Tausende unter den Juden gläubig geworden sind, und sie alle sind Eiferer für
das Gesetz" (Apg 21,20).
596 Die
religiösen Autoritäten waren in bezug auf die Frage, wie man sich zu Jesus
einstellen solle, nicht einer Meinung [Vgl. Job 9,16; 10,19.]. Die Pharisäer
drohten solchen, die sich an Jesus halten würden, den Ausschluß an [Vgl. Job
9,22.]. Einige befürchteten: „Wenn wir ihn gewähren lassen, werden alle an ihn
glauben. Dann werden die Römer kommen und uns die heilige Stätte und das Volk
nehmen" (Joh 11,48). Ihnen machte der Hohepriester Kajaphas einen
Vorschlag, indem er weissagte: „Ihr bedenkt nicht, daß es besser für euch ist,
wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde
geht" (Joh 11,50). Der Hohe Rat, der Jesus als Gotteslästerer zum Tod
verurteilte [Vgl. Mt 26,66.], aber das Recht, jemanden hinzurichten, verloren
hatte [Vgl. Job 18,31.], lieferte Jesus den Römern aus und klagte ihn des
Aufstands an [Vgl. Lk 23,2.], was ihn an die Seite des Barabbas stellte, der
des „Aufruhrs" angeklagt war (Lk 23,19). Die Hohenpriester suchten Pilatus
auch durch politische Drohungen zu bewegen, Jesus zum Tod zu verurteilen [Vgl.
Job 19, 12. 15. 21.].
Die Juden sind für den Tod Jesu
nicht kollektiv verantwortlich
597
Berücksichtigt man, wie geschichtlich verwickelt der Prozeß Jesu nach den
Berichten der Evangelien ist und wie auch die persönliche Schuld der am Prozeß
Hauptbeteiligten (von Judas, dem Hohen Rat, von Pilatus) - die Gott allein
kennt - sein mag, so darf man nicht die Gesamtheit der Juden von Jerusalem
dafür verantwortlich machen - trotz des Schreiens einer manipulierten Menge
[Vgl. Mk 15,11.]und ungeachtet der allgemeinen Vorwürfe in den nach Pfingsten
erfolgenden Aufrufen zur Bekehrung [Vgl. Apg 2, 23. 36; 3,13-14; 4,10; 5,30;
7,52; 10,39; 13,27-28; 1 Thess 2,14-15.]. Als Jesus ihnen vom Kreuz herab
verzieh [Vgl. Lk 23,24.], entschuldigte er - wie später auch Petrus - die Juden
von Jerusalem und sogar ihre Führer mit ihrer „Unwissenheit" (Apg 3,17).
Noch weniger darf man den Schrei des Volkes: „Sein Blut komme über uns und
unsere Kinder!" (Mt 27,25), der eine Bestätigungsformel darstellt [Vgl.
Apg 5,28; 18,6.], zum Anlaß nehmen, die Schuld auf die Juden anderer Länder und
Zeiten auszudehnen:
Darum
hat die Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil erklärt: Was „bei seinem
Leiden vollzogen worden ist, [kann] weder allen damals lebenden Juden ohne
Unterschied noch den heutigen Juden zur Last gelegt werden. ... Die Juden
[sind] weder als von Gott verworfen noch als verflucht darzustellen, als ergäbe
sich dies aus der Heiligen Schrift" (NA 4).
Alle Sünder sind am Leiden
Christi schuld
598 In ihrem
Glaubenslehramt und im Zeugnis ihrer Heiligen hat die Kirche nie vergessen, daß
auch die Sünder „die Urheber und Vollstrecker aller Strafen waren, die
[Christus] erlitt" (Catech. R. 1,5,11) [Vgl. Hebr 12,3.]. Da sich die
Kirche bewußt ist, daß unsere Sünden Christus selbst treffen [Vgl. Mt 25,45;
Apg 9,4-5.], zögert sie nicht, den Christen die schwerste Verantwortung für die
Qualen Christi zuzuschreiben - während diese die Verantwortung allzu oft einzig
den Juden angelastet haben:
„Diese Schuld trifft vor allem
jene, die wiederholt in die Sünde zurückfallen.
Denn da unsere Sünden Christus
den Herrn in den Kreuzestod trieben, so ‚kreuzigen‘ tatsächlich jene, die sich
in Sünden und Lastern wälzen, ‚soweit es auf sie ankommt, den Sohn Gottes aufs
neue und treiben ihren Spott mit ihm‘ (Hebr 6,6) - ein Verbrechen, das bei uns
noch schwerer erscheinen mag, als es von seiten der Juden war. Denn diese
hätten, wie der Apostel sagt, ‚den Herrn der Herrlichkeit niemals gekreuzigt,
wenn sie ihn erkannt hätten‘ (1 Kor 2,8). Wir aber behaupten, ihn zu kennen,
und dennoch legen wir gleichsam Hand an ihn, indem wir ihn durch die Tat
verleugnen" (Catech. R. 1,5,11).
„Dämonen sind nicht die, die ihn
gekreuzigt haben, sondern du, der du ihn zusammen mit ihnen gekreuzigt hast und
immer noch kreuzigst, indem du dich in Lastern und Sünden vergnügst"
(Franz v. Assisi, admon. 5,3).
II Der Erlösungstod Christi im
göttlichen Heilsplan
Jesus wurde „nach Gottes
festgesetztem Ratschluß ausgeliefert"
599 Zum
gewaltsamen Tod Jesu kam es nicht zufällig durch ein bedauerliches
Zusammenspiel von Umständen. Er gehört zum Mysterium des Planes Gottes, wie der
hl. Petrus schon in seiner ersten Pfingstpredigt den Juden von Jerusalem
erklärt: Er wurde „nach Gottes beschlossenem Ratschluß und Vorauswissen
hingegeben" (Apg 2,23). Diese biblische Redeweise besagt nicht, daß die,
welche Jesus „verraten" haben (Apg 3,13), nur die willenlosen Ausführer
eines Szenarios waren, das Gott im voraus verfaßt hatte.
600 Für Gott
sind alle Zeitmomente unmittelbare Gegenwart. Wenn er in seinem ewigen Plan
etwas „vorherbestimmt", bezieht er die freie Antwort jedes Menschen auf
seine Gnade mit ein: „Wahrhaftig, verbündet haben sich in dieser Stadt gegen
deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, Herodes und Pontius Pilatus
mit den Heiden und den Stämmen Israels [Vgl. Ps 2,1-2..], um alles auszuführen,
was deine Hand und dein Ratschluß im voraus bestimmt haben" (Apg 4,27-28).
Gott ließ die aus ihrer Verblendung hervorgegangenen Taten [Vgl. Mt 26,54;Job
18,36;19,11.], um seinen Heilsplan zu verwirklichen [Vgl. Apg 3, 17-18.].
„Für unsere Sünden gestorben
gemäß der Schrift"
601 Dieser
göttliche Plan, durch den gewaltsamen Tod des „Knechtes, des Gerechten"
(Jes 53,11) [Vgl. Apg 3,14.] Heil zu schaffen, war in der Schrift im voraus
angekündigt worden als ein Mysterium allumfassender Erlösung, das heißt eines
Loskaufs, der die Menschen aus der Sklaverei der Sünde befreit [Vgl. Jes
53,11-12; Job 8,34-36.]. In einem Glaubensbekenntnis, von dem er sagt, er habe
es „empfangen" (1 Kor 15,3), bekennt der hl. Paulus: „Christus ist für
unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift" (ebd.) [Vgl. Jes 53,7-8 und
Apg 8,32-35.]in Erfüllung gehen. Jesus selbst hat den Sinn seines Lebens und
seines Todes im Licht dieser Worte vom Gottesknecht gedeutet [Vgl. Mt 20,28.].
Nach seiner Auferstehung gab er diese Schriftdeutung den Emmausjüngern [Vgl. Lk
24,25-27.] und sodann den Aposteln selbst [Vgl. Lk 24,44-45.].
Gott hat ihn „für uns zur Sünde
gemacht"
602 Darum kann
der hl. Petrus den apostolischen Glauben an den göttlichen Heilsplan so
formulieren: „Ihr wißt, daß ihr aus eurer sinnlosen, von den Vätern ererbten
Lebensweise ... losgekauft wurdet ... mit dem kostbaren Blut Christi, des
Lammes ohne Fehl und Makel. Er war schon vor der Erschaffung der Welt dazu
ausersehen, und euretwegen ist er am Ende der Zeiten erschienen" (1 Petr
1,18-20). Die auf die Ursünde folgenden Sünden der Menschen werden mit dem Tod
geahndet [Vgl. Röm 5,12; 1 Kor 15,56.]. Indem Gott seinen eigenen Sohn in der
Gestalt eines Sklaven [Vgl. Phil 2,7.], einer gefallenen und infolge der Sünde
dem Tod preisgegebenen Menschennatur [Vgl. Röm 8,3.] sandte, hat er „den, der
keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit
Gottes würden" (2 Kor 5,21).
603 Jesus ist
nicht [von Gott] verworfen worden, als hätte er selbst gesündigt [Vgl. Job
8,46.]. Vielmehr hat er uns in seiner Erlöserliebe, die ihn immer mit dem Vater
verband [Vgl. Job 8,29.], so sehr angenommen in der Gottferne unserer Sünde,
daß er am Kreuz in unserem Namen sagen konnte: „Mein Gott, mein Gott, warum
hast du mich verlassen?" (Mk 15,34; Ps 22,2). Da ihn Gott so solidarisch
mit uns Sündern gemacht hat, „hat er seinen eigenen Sohn nicht verschont,
sondern ihn für uns alle hingegeben" (Röm 8,32), damit wir „mit Gott
versöhnt [werden] durch den Tod seines Sohnes" (Röm 5,10).
Gottes allumfassende erlösende
Liebe
604 Indem er
seinen Sohn für unsere Sünden dahingab, zeigte Gott, daß, was er für uns plant,
ein Ratschluß wohlwollender Liebe ist, die jedem Verdienst von unserer Seite
vorausgeht: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern
daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt
hat" (1 Joh 4,10) [Vgl. 1 Job 4,19.]. „Gott aber hat seine Liebe zu uns
darin erwiesen, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren"
(Röm 5,8).
605 Diese Liebe
schließt niemanden aus. Jesus sagt das anhand des Gleichnisses vom verlorenen
Schaf: „So will auch euer himmlischer Vater nicht, daß einer von diesen Kleinen
verlorengeht" (Mt 18,14). Er erklärt, er gebe sein Leben hin „als Lösegeld
für viele" (Mt 20,28). Der Ausdruck „für viele" ist nicht einengend,
sondern stellt die ganze Menschheit der einzigen Person des Erlösers gegenüber,
der sich hingibt, um sie zu retten [Vgl. Röm 5, 18-19.]. Im Anschluß an die Apostel
[Vgl. 2 Kor 5,15; 1 Job 2,2.]lehrt die Kirche, daß Christus ausnahmslos für
alle Menschen gestorben ist: „Es gibt keinen Menschen, es hat keinen gegeben
und wird keinen geben, für den er nicht gelitten hat" (Syn. v. Quiercy
853: DS 624).
III Christus hat sich für unsere
Sünden seinem Vater dargebracht
Das ganze Leben Christi ist
Opfergabe an den Vater
606 Der Sohn
Gottes, der „nicht vom Himmel herabgekommen" ist, um seinen „Willen zu
tun, sondern den Willen" des Vaters, der ihn „gesandt hat" (Joh
6,38), „spricht ... bei seinem Eintritt in die Welt: ... ‚Ja, ich komme, um
deinen Willen, Gott, zu tun‘ ... Aufgrund dieses Willens sind wir durch die
Opfergabe des Leibes Jesu Christi ein für allemal geheiligt" (Hebr
10,5-10). Schon im ersten Augenblick seiner Menschwerdung macht sich der Sohn
den göttlichen Heilsplan seiner Sendung als Erlöser zu eigen: „Meine Speise ist
es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu
führen" (Joh 4,34). Die Selbstaufopferung Jesu „für die Sünden der ganzen
Welt" (1 Joh 2,2) ist Ausdruck seiner liebenden Gemeinschaft mit dem
Vater: „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe" (Joh
10,17). „Die Welt soll erkennen, daß ich den Vater liebe und so handle, wie es
mir der Vater aufgetragen hat" (Joh 14,31).
607 Dieses
Verlangen, sich den liebenden Erlösungsratschluß seines Vaters zu eigen zu
machen, beseelt das ganze Leben Jesu [Vgl. Lk 12,50; 22,15; Mt 16,21-23.], denn
seine erlösende Passion ist der Grund seiner Menschwerdung: „Soll ich sagen:
‚Vater, rette mich aus dieser Stunde?‘ Aber deshalb bin ich in diese Stunde
gekommen" (Joh 12,27). „Der Kelch, den mir der Vater gereicht hat - soll
ich ihn nicht trinken?" (Joh 18,11). Und noch am Kreuz sagt er: „Mich
dürstet" (Joh 19,28), und dann erst: „Es ist vollbracht!" (Joh
19,30).
„Das Lamm, das die Sünde der Welt
hinwegnimmt"
608 Johannes
der Täufer hat zugestimmt, Jesu wie die Sünder zu taufen [Vgl. Lk 3,21; Mt
3,14-15.]. „Am Tag darauf sah er Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das
Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt" (Joh 1, 29) [Vgl. Job
1,36.]. Er bezeugt so, daß Jesus der Gottesknecht ist, der sich schweigend zur
Schlachtbank führen läßt [Vgl. Jes 53,7; Jer 11,19.]und die Sünde der vielen
trägt [Vgl. Jes 53,12.], und zugleich das Osterlamm, das Sinnbild der Erlösung
Israels beim ersten Pascha [Vgl. Ex 12,3-11; Job 19,36; 1 Kor 5,7.]. Das ganze
Leben Christi ist Ausdruck seiner Sendung, „zu dienen und sein Leben hinzugeben
als Lösegeld für viele" (Mk 10,45).
Jesus machte sich die erlösende
Liebe des Vaters in Freiheit zu eigen
609 Da Jesus
die Liebe des Vaters zu den Menschen in sein menschliches Herz aufnahm, „erwies
er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung" (Job 13,1), denn „es gibt keine
größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt" (Joh
15,13). So wurde seine Menschennatur im Leiden und Sterben zum freien und
vollkommenen Werkzeug seiner göttlichen Liebe, die das Heil der Menschen will
[Vgl. Hebr 2,10.17-18; 4,15; 5,7-9.]. Aus Liebe zu seinem Vater und zu den
Menschen, die der Vater retten will, nahm er sein Leiden und seinen Tod
freiwillig auf sich: „Niemand entreißt [mir mein Leben], sondern ich gebe es
aus freiem Willen hin" (Job 10,18). Darum ging der Sohn Gottes in
souveräner Freiheit dem Tod entgegen [Vgl. Job 18,4-6; Mt 26,53.].
Beim Letzten Abendmahl nahm Jesus
die freie Hingabe seines Lebens vorweg
610 „In der
Nacht, in der er ausgeliefert wurde" (1 Kor 11,23), gab Jesus seiner
freien Hingabe feierlich Ausdruck im Mahl mit den zwölf Aposteln [Vgl. Mt
26,20.]. Am Abend vor seinem Leiden, als er noch in Freiheit war, machte Jesus
dieses letzte Mahl mit seinen Aposteln zur Gedenkfeier der freiwilligen Hingabe
seiner selbst an den Vater [Vgl. 1 Kor 5,7.]zum Heil der Menschen: „Das ist
mein Leib, der für euch hingegeben wird" (Lk 22,19); „das ist mein Blut,
das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der
Sünden" (Mt 26,28).
611 Die
Eucharistie, die Jesus in dieser Stunde einsetzt, wird zum „Gedächtnis" (1
Kor 11,25) seines Opfers. Er nimmt die Apostel in seine eigene Hingabe hinein
und fordert sie auf, diese weiterzuführen [Vgl. Lk 22,19.]. Damit setzt er
seine Apostel zu Priestern des Neuen Bundes ein: „Ich heilige mich für sie,
damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind" (Joh 17, 19) [Vgl. K. v.
Trient: DS 1752; 1764.].
Die Todesangst in Getsemani
612 Den Kelch
des Neuen Bundes, den Jesus in seiner Darbringung beim Abendmahl vorweggenommen
hatte [Vgl. Lk 22,20.], nahm er in seiner Todesangst in Getsemani aus den
Händen des Vaters entgegen [Vgl. Mt 26,42.], indem er „gehorsam war bis zum
Tod" (Phil 2,8) [Vgl. Hebr 5,7-8.]. Jesus betet: „Mein Vater, wenn es
möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber (Mt 26,39). Er äußert so den
Abscheu, den seine menschliche Natur vor dem Tod empfindet. Wie unsere Natur
ist die seine ja zum ewigen Leben bestimmt; aber im Unterschied zu der unseren
ist sie völlig frei von Sünde [Vgl. Hebr 4,15.], die den Tod nach sich zieht
[Vgl. Röm 5,12.]; vor allem aber ist sie in die göttliche Person des „Urhebers
des Lebens" (Apg 3,15), des „Lebendigen" (Offb 1, 18) [Vgl. Job 1,4;
5,26.] aufgenommen. Mit seinem menschlichen Willen stimmt er zu, daß der Wille
des Vaters geschieht [Vgl. Mt 26,42.], und nimmt so den Tod als Erlösungstod
an, um „unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz zu tragen" (1 Petr
2,24).
Der Tod Christi ist das einzige
und endgültige Opfer
613 Der Tod
Christi ist das österliche Opfer, worin „das Lamm Gottes, das die Sünde der
Welt hinwegnimmt" (Joh 1,29) [Vgl. 1 Petr 1,19.], die endgültige Erlösung
derMenschen vollzieht [Vgl. 1 Kor 5,7; Job 8,34-36.]. Zugleich ist er das Opfer
des Neuen Bundes [Vgl. 1 Kor 11,25.], das den Menschen wieder in die
Gemeinschaft mit Gott versetzt [Vgl. Ex 24,8.], indem er den Menschen mit Gott
versöhnt durch das „Blut, ... das für viele vergossen wird zur Vergebung der
Sünden" (Mt 26,28) [Vgl. Lev 16,15-16.].
614 Dieses
Opfer Christi ist einmalig; es vollendet und überholt alle Opfer [Vgl. Hebr
10,10.].Es ist zunächst eine Gabe Gottes des Vaters selbst: Der Vater gibt
seinen Sohn dahin, um uns mit sich zu versöhnen [Vgl. 1 Joh 4,10.].
Gleichzeitig ist es eine Opfergabe des menschgewordenen Gottessohnes, der aus
freiem Willen und aus Liebe [Vgl. Job 15,13.] im Heiligen Geist [Vgl. Hebr
9,14.] sein Leben [Vgl. Joh 10, 17-18.] seinem Vater darbringt, um unseren
Ungehorsam zu sühnen.
Jesus setzt seinen Gehorsam an
die Stelle unseres Ungehorsams
615 „Wie durch
den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch
durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden" (Röm
5,19). Durch seinen Gehorsam bis zum Tod wurde Jesus zum leidenden
Gottesknecht, der stellvertretend „sein Leben als Sühnopfer hingab", „die
Sünden von vielen trug" und so „die vielen gerecht macht", indem er
„ihre Schuld auf sich lädt" (Jes 53,10-12). Jesus hat unsere Sünden
wiedergutgemacht und Gott dem Vater für sie Genugtuung [Vgl. K. v. Trient: DS
1529.].
Jesus vollendet sein Opfer am
Kreuz
616 Die „Liebe
bis zur Vollendung" (Job 13,1) gibt dem Opfer Christi seinen Wert und
bewirkt, daß es erlöst und wiedergutmacht, sühnt und Genugtuung leistet. Jesus
hat bei der Hingabe seines Lebens um uns alle gewußt, uns alle geliebt [Vgl.
Gal 2,20; Eph 5,2.25.]. „Die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben:
Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben" (2 Kor 5,14). Kein
Mensch, selbst nicht der größte Heilige, wäre imstande, die Sünden aller
Menschen auf sich zu laden und sich als Opfer für alle darzubringen. Doch kraft
der göttlichen Person des Sohnes in Christus, die über alle menschlichen
Personen hinausgeht und sie zugleich umfängt, und Christus zum Haupt der ganzen
Menschheit macht, kann das Opfer Christi für alle erlösend sein.
617 „Durch sein
heiligstes Leiden am Holz des Kreuzes verdiente er uns Rechtfertigung",
lehrt das Konzil von Trient (DS 1529) und betont so den einzigartigen Charakter
des Opfers Christi als des „Urhebers des ewigen Heils" (Hebr 5,9). Und die
Kirche verehrt das Kreuz, indem sie singt: „O heiliges Kreuz, sei uns gegrüßt,
du einzige Hoffnung dieser Welt" (LH, Hymnus „Vexilla regis").
Unsere Teilnahme am Opfer Christi
618 Der
Kreuzestod ist das einmalige Opfer Christi, des „einzigen Mittlers zwischen
Gott und den Menschen" (1 Tim 2,5). Doch weil er sich in seiner
menschgewordenen göttlichen Person „gewissermaßen mit jedem Menschen
vereinigt" hat (GS 22,2), bietet sich allen „die Möglichkeit ...‚ sich mit
diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise zu verbinden"
(GS 22,5). Jesus fordert seine Jünger auf, ihr „Kreuz auf sich" zu nehmen
und ihm nachzufolgen (Mt 16,24), denn er „hat für [uns] gelitten und [uns] ein
Beispiel gegeben, damit [wir] seinen Spuren" folgen (1 Petr 2,21). Er will
diejenigen, denen sein Erlösungsopfer zuerst zugutekommt, an diesem Opfer
beteiligen [Vgl. Mk
10,39; Job 21,18-19; Kol 1,24.]. Das gilt vor allem für seine Mutter, die in das Mysterium seines erlösenden
Leidens tiefer hineingenommen wird als jeder andere Mensch [Vgl. Lk 2.35.].
„Es
gibt keine andere Leiter, um zum Himmel emporzusteigen, als das Kreuz"
(Rosa v. Lima, Vita).
KURZTEXTE
619 „Christus ist für unsere Sünden
gestorben. gemäß der Schrjft" (1 Kor 15,3).
620 Unser Heil entspringt der
Initiative der Liebe Gottes zu uns, denn er hat „uns geliebt und seinen Sohn
als Sühne für unsere Sünden gesandt" (1 Joh 4, 10). „Gott war es, der in
Christus die Welt mit sich versöhnt hat" (2 Kor 5. 19).
621 Jesus hat sich zu unserem
Heil freiwillig dargebracht. Beim Letzten Abendmahl bringt er diese
Seibsihingabe zeichenhaft zum Ausdruck und verwirklicht sie im voraus: „Das ist
mein Leib, der für euch hingegeben wird" (Lk 22,19).
622 Die Erlösung durch Christus
besteht darin, daß er „gekommen" ist, „um ... sein Leben hinzugeben als
Lösegeld für viele" (Mt 20,28), das heißt um den Seinen „seine Liebe bis
zur Vollendung" zu erweisen (Joh 13,1), damit sie aus der „sinnlosen, von
den Vätern ererbten Lebendsweise....losgekauft" werden (1 Petr 1,18).
623 Jesus war seinem Vater in
Liebe gehorsam „bis zum Tod am Kreuz" (Phil 2,8). Dadurch erfüllte Jesus
die Sendung, Sühne zu leisten [Vgl. Jes 53,10.] als leidender Gottesknecht, der
„die vielen gerecht" macht, indem er „ihre Schuld auf sich" lädt (Jes
53,11) [Vgl. Röm 5,19.].
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