I Freiheit und Verantwortung
1731 Die
Freiheit ist die in Verstand und Willen verwurzelte Fähigkeit, zu handeln oder
nicht zu handeln, dieses oder jenes zu tun und so von sich aus bewußte
Handlungen zu setzen. Durch den freien Willen kann jeder über sich selbst
bestimmen. Durch seine Freiheit soll der Mensch in Wahrheit und Güte wachsen
und reifen. Die Freiheit erreicht dann ihre Vollendung, wenn sie auf Gott,
unsere Seligkeit, ausgerichtet ist.
1732 Solange
sich die Freiheit nicht endgültig an Gott, ihr höchstes Gut, gebunden hat,
liegt in ihr die Möglichkeit, zwischen Gut und Böse zu wählen, also entweder an
Vollkommenheit zu wachsen oder zu versagen und zu sündigen. Die Freiheit
kennzeichnet die im eigentlichen Sinn menschlichen Handlungen. Sie zieht Lob
oder Tadel, Verdienst oder Schuld nach sich.
1733 Je mehr
man das Gute tut, desto freier wird man. Wahre Freiheit gibt es nur im Dienst
des Guten und der Gerechtigkeit. Die Entscheidung zum Ungehorsam und zum Bösen ist
ein Mißbrauch der Freiheit und macht zum Sklaven der Sünde [Vgl. Röm 6,17].
1734 Aufgrund
seiner Freiheit ist der Mensch für seine Taten soweit verantwortlich, als sie
willentlich sind. Fortschritt in der Tugend, Erkenntnis des Guten und Askese
stärken die Herrschaft des Willens über das Tun.
1735 Die
Anrechenbarkeit einer Tat und die Verantwortung für sie können durch
Unkenntnis, Unachtsamkeit, Gewalt, Furcht, Gewohnheiten, übermäßige Affekte
sowie weitere psychische oder gesellschaftliche Faktoren vermindert, ja sogar
aufgehoben sein.
1736 Jede
direkt gewollte Tat ist dem Handelnden anzurechnen.
So richtet der Herr an Eva nach
dem Sündenfall im Garten die Frage: „Was hast du da getan?" (Gen 3,13).
Die gleiche Frage stellt er Kain [Vgl. Gen 4,10]. Der Prophet Natan stellt sie
dem König David nach dem Ehebruch mit der Frau des Urija und dessen Ermordung
[Vgl Sam 12,7-15].
Eine Handlung kann indirekt
willentlich sein, und zwar dann, wenn sie infolge einer Fahrlässigkeit in bezug
auf etwas geschieht, das man hätte wissen oder tun müssen. Ein Beispiel dafür
ist ein Unfall aus Unkenntnis der Verkehrsregeln.
1737 Eine
Wirkung, die vom Handelnden nicht gewollt ist, kann in Kauf genommen werden,
wie etwa eine Mutter übermäßige Erschöpfung in Kauf nimmt, um ihr krankes Kind
zu pflegen. Die schlechte Wirkung ist nicht anrechenbar, wenn sie weder als
Zweck noch als Mittel gewollt war, so z. B. der eigene Tod, den jemand
erleidet, weil er einem Menschen, der in Gefahr ist, zuhilfe kommt. Anrechenbar
ist aber die schlechte Wirkung dann, wenn sie vorauszusehen war und der
Handelnde sie hätte vermeiden können, wie etwa die Tötung eines Menschen durch
einen betrunkenen Fahrzeuglenker.
1738 Freiheit
wird in zwischenmenschlichen Beziehungen ausgeübt. Jeder Mensch hat das
natürliche Recht, als ein freies, verantwortliches Wesen anerkannt zu werden,
weil er nach dem Bilde Gottes geschaffen ist. Alle Menschen sind einander diese
Achtung schuldig. Das Recht, die Freiheit auszuüben, ist untrennbar mit der
Würde des Menschen verbunden, besonders in sittlichen und religiösen Belangen
[Vgl. DH 2]. Dieses Recht muß durch die staatliche Gesetzgebung anerkannt und
innerhalb der Grenzen des Gemeinwohls und der öffentlichen Ordnung geschützt
werden [Vgl. DH 7].
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