III Eheliche Liebe
2360 Die
Geschlechtlichkeit ist auf die eheliche Liebe von Mann und Frau hingeordnet. In
der Ehe wird die leibliche Intimität der Gatten zum Zeichen und Unterpfand der geistigen
Gemeinschaft. Das Eheband zwischen Getauften wird durch das Sakrament
geheiligt.
2361
„Infolgedessen ist die Sexualität, in welcher sich Mann und Frau durch die den
Eheleuten eigenen und vorbehaltenen Akte einander schenken, keineswegs etwas
rein Biologisches, sondern betrifft den innersten Kern der menschlichen Person
als solcher. Auf wahrhaft menschliche Weise wird sie nur vollzogen, wenn sie in
jene Liebe integriert ist, mit der Mann und Frau sich bis zum Tod vorbehaltlos einander
verpflichten" (FC 11).
„Als
Tobias und Sara in der Kammer allein waren, erhob sich Tobias vom Lager und
sagte: Steh auf, Schwester, wir wollen beten, damit der Herr Erbarmen mit uns hat.
Und er begann zu beten: Sei gepriesen, Gott unserer Väter ... Du hast Adam
erschaffen und hast ihm Eva zur Frau gegeben, damit sie ihm hilft und ihn
ergänzt. Von ihnen stammen alle Menschen ab. Du sagtest: Es ist nicht gut, daß
der Mensch allein ist; wir wollen für ihn einen Menschen machen, der ihm hilft
und zu ihm paßt. Darum, Herr, nehme ich diese meine Schwester nicht aus reiner
Lust zur Frau, sondern aus wahrer Liebe. Hab Erbarmen mit mir, und laß mich
gemeinsam mit ihr ein hohes Alter erreichen! Und Sara sagte zusammen mit ihm:
Amen. Und beide schliefen die Nacht über miteinander" (Tob 8,4-9).
2362 „Jene Akte
also, durch die Eheleute innigst und lauter eins werden, sind von sittlicher
Würde; sie bringen, wenn sie human vollzogen werden, jenes gegenseitige
Übereignetsein zum Ausdruck und vertiefen es, durch das sich die Gatten
gegenseitig in Freude und Dankbarkeit reich machen" (GS 49,2). Die
Geschlechtlichkeit ist eine Quelle der Freude und Lust:
„Der
Schöpfer selbst ... hat es so eingerichtet, daß die Gatten bei dieser
[Zeugungs]funktion Lust und Befriedigung des Leibes und des Geistes erleben.
Somit begehen die Gatten nichts Böses, wenn sie diese Lust anstreben und sie
genießen. Sie nehmen das an, was der Schöpfer ihnen zugedacht hat. Doch sollen
die Gatten sich innerhalb der Grenzen einer angebrachten Mäßigung zu halten
wissen" (Pius XII., Ansprache vom 29. Oktober 1951).
2363 Durch die
Vereinigung der Gatten verwirklicht sich der doppelte Zweck der Ehe: das Wohl
der Gatten selbst und die Weitergabe des Lebens. Man kann diese beiden
Bedeutungen oder Werte der Ehe nicht voneinander trennen, ohne das geistliche
Leben des Ehepaares zu beeinträchtigen und die Güter der Ehe und die Zukunft
der Familie aufs Spiel zu setzen
Die eheliche Liebe zwischen Mann
und Frau steht somit unter der doppelten Forderung der Treue und der
Fruchtbarkeit.
Eheliche Treue
2364 „Die
innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe, vom Schöpfer begründet
und mit eigenen Gesetzen geschützt, wird durch den Ehebund, das heißt durch ein
unwiderrufliches personales Einverständnis, gestiftet" (GS 48,1). Die
Ehegatten schenken sich einander endgültig und ganz. Sie sind nicht mehr zwei,
sondern bilden fortan ein einziges Fleisch. Der von den Ehegatten in Freiheit
geschlossene Bund verpflichtet sie, an seiner Einheit und Unauflöslichkeit fest
zu halte &. „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht
trennen" (Mk 10,9) [Vgl. Mt 19, 1-12; 1 Kor 7. 10-11].
2365 Die Treue
kommt darin zum Ausdruck, daß das gegebene Wort stets gehalten wird. Gott ist
treu. Das Sakrament der Ehe nimmt den Mann und die Frau in die Treue Christi zu
seiner Kirche hinein. Durch die eheliche Keuschheit bezeugen sie vor der Welt
dieses Mysterium.
Der
hl. Johannes Chrysostomus empfiehlt den jungen Ehemännern, zu ihrer Gattin zu
sagen: „ [Ich habe dich in meine Arme genommen] und liebe dich sogar mehr als
mein Leben. Das gegenwärtige Leben bedeutet ja nichts, und mein glühendster
Traum ist der, es zusammen mit dir so zu durchschreiten, daß wir sicher sind,
in dem Leben, das unser harrt, nicht voneinander getrennt zu werden ... Deine
Liebe geht mir über alles, und nichts wäre für mich schmerzlicher, als nicht so
gesinnt zu sein wie du" (hom. in Eph. 20,8).
Eheliche Fruchtbarkeit
2366 Die
Fruchtbarkeit ist eine Gabe, ein Zweck der Ehe, denn die eheliche Liebe neigt
von Natur aus dazu, fruchtbar zu sein. Das Kind kommt nicht von außen zu der
gegenseitigen Liebe der Gatten hinzu; es entspringt im Herzen dieser
gegenseitigen Hingabe, deren Frucht und Erfüllung es ist. Darum lehrt die
Kirche, die „auf der Seite des Lebens" steht (FC 30), „daß jeder eheliche
Akt von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens ausgerichtet bleiben
muß" (HV 11). „Diese vom kirchlichen Lehramt oft dargelegte Lehre gründet
in einer von Gott bestimmten unlösbaren Verknüpfung der beiden Bedeutungen -
liebende Vereinigung und Fortpflanzung -‚ die beide dem ehelichen Akt innewohnen"
(HV 12) [Vgl. Pius Xl., Enz. „Casti connubii"].
2367 Dazu
berufen, Leben zu schenken, haben die Gatten an der Schöpfer- kraft und
Vaterschaft Gottes teil [Vgl. Eph 3,14; Mt 23,9.]. „In ihrer Aufgabe,
menschliches Leben weiterzugeben und zu erziehen, die als die nur ihnen
zukommende Sendung zu betrachten ist, wissen sich die Eheleute als mitwirkend
mit der Liebe Gottes des Schöpfers und gleichsam als Interpreten dieser Liebe.
Daher müssen sie in menschlicher und christlicher Verantwortlichkeit ihre
Aufgabe erfüllen" (GS 50,2).
2368 Ein
besonderer Aspekt dieser Verantwortung betrifft die Empfängnisregelung. Aus
berechtigten Gründen dürfen die Eheleute für Abstände zwischen den Geburten
ihrer Kinder sorgen wollen. Es ist an ihnen, zu prüfen, ob ihr Wunsch nicht auf
Egoismus beruht, sondern der angebrachten Großmut einer verantwortlichen
Elternschaft entspricht. Außerdem werden sie ihr Verhalten nach den objektiven
Maßstäben der Sittlichkeit regeln:
„Wo es
sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe
des Lebens handelt, hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht
allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive ab, sondern auch von
objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer
Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den
einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren. Das ist nicht
möglich ohne aufrichtigen Willen zur Übung der Tugend ehelicher
Keuschheit" (GS 51,3).
2369 „Wenn die
beiden wesentlichen Gesichtspunkte der liebenden Vereinigung und der
Fortpflanzung beachtet werden, behält der Verkehr in der Ehe voll und ganz die Bedeutung
gegenseitiger und wahrer Liebe und seine Hinordnung auf die erhabene Aufgabe
der Elternschaft, zu der der Mensch berufen ist" (HV 12).
2370 Die
zeitweilige Enthaltsamkeit sowie die auf Selbstbeobachtung und der Wahl von
unfruchtbaren Perioden der Frau beruhenden Methoden der Empfängnisregelung
[Vgl. HV 16] entsprechen den objektiven Kriterien der Moral. Diese Methoden
achten den Leib der Eheleute, ermutigen diese zur Zärtlichkeit und begünstigen
die Erziehung zu echter Freiheit. Hingegen „ist jede Handlung verwerflich, die
entweder in Voraussicht oder während des Vollzuges des ehelichen Aktes oder im
Anschluß an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt,
die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum
Ziel" (HV 14).
„Während
die geschlechtliche Vereinigung ihrer ganzen Natur nach ein vorbehaltloses
gegenseitiges Sich-Schenken der Gatten zum Ausdruck bringt, wird sie durch die
Empfängnisverhütung zu einer objektiv widersprüchlichen Gebärde, zu einem
Sich-nicht-ganz-Schenken. So kommt zur aktiven Zurückweisung der Offenheit für
das Leben auch eine Verfälschung der inneren Wahrheit ehelicher Liebe, die ja
zur Hingabe in personaler Ganzheit berufen ist." Dieser anthropologische
und moralische Unterschied zwischen der Empfängnisverhütung und der Zuflucht zu
den natürlichen Fruchtbarkeitszyklen ist „mit zwei sich ausschließenden
Vorstellungen von Person und menschlicher Sexualität verknüpft"(FC 32).
2371 „Mögen
alle daran denken: Das menschliche Leben und die Aufgabe, es
weiterzuvermitteln, haben nicht nur eine Bedeutung für diese Zeit und können
deshalb auch nicht von daher allein bemessen und verstanden werden, sondern
haben immer eine Beziehung zu der ewigen Bestimmung des Menschen" (GS
51,4).
2372 Der Staat
ist für das Wohl der Bürger verantwortlich. Aus diesem Grund ist er berechtigt,
auf das Bevölkerungswachstum einzuwirken. Er darf das mittels einer taktvollen
objektiven Information tun, nicht aber auf autoritäre Weise und durch Ausübung
von Zwang. Er darf sich nicht über den freien Entschluß der Gatten
hinwegsetzen, welche die erste Verantwortung für die Zeugung und Erziehung
ihrer Kinder tragen [Vgl. HV 23; PP 37]. Er ist nicht berechtigt, der Moral
widersprechende Mittel zur Regelung des Bevölkerungswachstums zu begünstigen.
Kinder sind ein Geschenk
2373 Die
Heilige Schrift und die kirchliche Überlieferung sehen in kinderreichen
Familien ein Zeichen des göttlichen Segens und der Großzügigkeit der Eltern
[Vgl. GS 50,2].
2374 Keine
Kinder bekommen zu können, ist für Eheleute ein schweres Leid. „Herr, mein
Herr, was willst du mir schon geben? Ich gehe doch kinderlos dahin . . .„ (Gen
15,2). „Verschaff mir Söhne! Wenn nicht, sterbe ich" schreit Rahel ihrem
Gatten Jakob zu (Gen 30,1).
2375
Forschungsarbeiten zur Behebung der Unfruchtbarkeit sind zu ermutigen,
vorausgesetzt, daß sie „im Dienst der menschlichen Person stehen, ihrer
unveräußerlichen Rechte sowie ihres wahren und ganzheitlichen Wohls gemäß dem
Plan und dem Willen Gottes" (DnV intr. 2).
2376 Techniken,
die durch das Einschalten einer dritten Person (Ei- oder Samenspende,
Leihmutterschaft) die Gemeinsamkeit der Elternschaft auflösen, sind äußerst
verwerflich. Diese Techniken (heterologe künstliche Insemination und
Befruchtung) verletzen das Recht des Kindes, von einem Vater und einer Mutter
abzustammen, die es kennt und die miteinander ehelich verbunden sind. Sie
verletzen ebenso das Recht beider Eheleute, „daß der eine nur durch den anderen
Vater oder Mutter wird" (DnV 2,1).
2377 Werden
diese Techniken innerhalb des Ehepaares angewendet (homologe künstliche
Insemination und Befruchtung), sind sie vielleicht weniger verwerflich, bleiben
aber dennoch moralisch unannehmbar. Sie trennen den Geschlechtsakt vom
Zeugungsakt. Der Akt, der die Existenz des Kindes begründet, ist dann kein Akt
mehr, bei dem sich zwei Personen einander hingeben. Somit vertraut man „das
Leben und die Identität des Embryos der Macht der Mediziner und Biologen an und
errichtet eine Herrschaft der Technik über Ursprung und Bestimmung der
menschlichen Person. Eine derartige Beziehung von Beherrschung widerspricht in
sich selbst der Würde und der Gleichheit, die Eltern und Kindern gemeinsam sein
muß" (DnV 2,5). „Die Fortpflanzung ist aus moralischer Sicht ihrer eigenen
Vollkommenheit beraubt, wenn sie nicht als Frucht des ehelichen Aktes, also des
spezifischen Geschehens der Vereinigung der Eheleute, angestrebt wird ... Nur
die Achtung vor dem Band, das zwischen den Sinngehalten des ehelichen Aktes
besteht, und die Achtung vor der Einheit des menschlichen Wesens gestatten eine
der Würde der Person entsprechende Fortpflanzung" (DnV 2,4).
2378 Das Kind
ist nicht etwas Geschuldetes, sondern ein Geschenk. Das „vorzüglichste Geschenk
der Ehe" ist also eine menschliche Person. Das Kind darf nicht als
Eigentum angesehen werden, so als könnte man ein „Recht auf das Kind"
beanspruchen. In diesem Bereich besitzt einzig das Kind eigentliche Rechte:
„das Recht, die Frucht des spezifischen Aktes der ehelichen Hingabe seiner
Eltern zu sein" und das Recht, „vom ersten Augenblick seiner Empfängnis an
als Person geachtet zu werden" (DnV 2,8).
2379 Wie das
Evangelium zeigt, ist körperliche Unfruchtbarkeit kein absolutes Übel.
Eheleute, die, nachdem sie alle berechtigten medizinischen Hilfsmittel
ausgeschöpft haben, weiterhin an Unfruchtbarkeit leiden, werden sich dem Kreuz
des Herrn anschließen, dem Quell aller geistlichen Fruchtbarkeit. Sie können
ihre Großmut zeigen, indem sie verlassene Kinder adoptieren oder anspruchsvolle
Dienste an anderen erfüllen.
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