ARTIKEL 6
FÜHRER ZUM GEBET
„Eine Wolke von Zeugen"
2683 Die
Zeugen, die uns in das Reich Gottes vorausgegangen sind [Vgl. Hebr 12,2],
besonders die von der Kirche anerkannten „Heiligen", wirken an der
lebendigen Überlieferung des Gebetes durch das Vorbild ihres Lebens, die
Weitergabe ihrer Schriften und durch ihr gegenwärtiges Beten mit. Sie
betrachten Gott, loben ihn und sorgen unablässig für jene, die sie auf Erden
zurückließen. Beim Eintritt in „die Freude ihres Herrn" wurden sie „über
vieles gesetzt" [Vgl. Mt 25,21]. Ihre Fürbitte ist ihr höchster Dienst an
Gottes Ratschluß. Wir können und sollen sie bitten, für uns und für die ganze
Welt einzutreten.
2684 In der
Gemeinschaft der Heiligen haben sich im Lauf der Geschichte der Kirchen
verschiedene Spiritualitäten [geistliche Lebenshaltungen] entwikkelt. Das
persönliche Charisma eines Zeugen der Liebe Gottes zu den Menschen konnte
weitergegeben werden, wie der „Geist" des Elija an Elischa [Vgl. 2 Kön
2,9] und an Johannes den Täufer [Vgl. Lk 1,17], damit die Jünger an diesem
Geist Anteil hätten [Vgl. PC 2.]. Eine Spiritualität erwächst aus verschiedenen
liturgischen und theologischen Richtungen. Sie zeugt von der Einwurzelung des
Glaubens in ein bestimmtes menschliches Umfeld und dessen Geschichte. Die
verschiedenen christlichen Spiritualitäten nehmen an der lebendigen
Überlieferung des Betens teil. Sie sind unerläßliche Führer für die Gläubigen.
Die reiche Vielfalt geistlicher Lebenshaltungen widerspiegelt das reine und
einzige Licht des Heiligen Geistes.
„Der
Geist ist wahrhaft der Ort der Heiligen, und der Heilige ist für den Geist ein
geeigneter Ort, denn er läßt Gott bei sich wohnen und wird Tempel des Geistes
genannt" (Basilius, Spir. 26,62).
Diener des Gebetes
2685 Die
christliche Familie ist der erste Ort der Erziehung zum Gebet. Auf der
Grundlage des Sakramentes der Ehe ist die Familie „Hauskirche", in der die
Kinder Gottes „als Kirche" beten und im Gebet verharren lernen. Besonders
für die kleinen Kinder ist das tägliche Gebet der Familie das erste Zeugnis für
das lebendige Gedächtnis der Kirche, das durch den Heiligen Geist geduldig
geweckt wird.
2686 Auch die
geweihten Amtsträger sind für die Ausbildung ihrer Brüder und Schwestern in
Christus im Beten verantwortlich. Als Diener des guten Hirten sind sie geweiht,
um das Volk Gottes zu den lebendigen Quellen des Gebetes zu führen: zum Wort
Gottes, zur Liturgie, zum göttlichen Leben und zur Erkenntnis der Gegenwart
Gottes in den Gegebenheiten des Lebens [Vgl. P0 4-6].
2687 Zahreiche Ordensleute
haben ihr ganzes Leben dem Gebet geweiht. Seit der Zeit der Mönchsväter in der
Wüste Ägyptens widmen Einsiedler, Mönche und Nonnen ihr Leben dem Lobpreis
Gottes und der Fürbitte für sein Volk. Ohne das Gebet kann das gottgeweihte
Leben weder bestehen noch sich ausbreiten; es ist eine der lebendigen Quellen
der Betrachtung und des geistlichen Lebens in der Kirche.
2688 Die
Katechese der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen zielt darauf ab, daß das
Wort Gottes im persönlichen Gebet betrachtet, im liturgischen Gebet
vergegenwärtigt und innerlich aufgenommen wird, damit es in einem neuen Leben
Frucht bringe. Die Katechese kann auch dazu dienen, die Volksfrömmigkeit zu
beurteilen und zu fördern [Vgl. CT 54]. Das Auswendiglernen der Grundgebete
bietet dem Gebetsleben eine unerläßliche Stütze; es ist jedoch wichtig, den
Sinn dieser Gebete erfahren zu lernen [Vgl. CT 55.].
2689
Gebetsgruppen, ja „Schulen des Gebetes" sind heute ein Zeichen und eine
der treibenden Kräfte der Erneuerung des Gebetes in der Kirche, sofern sie aus
den wahren Quellen christlichen Betens schöpfen. Das Bemühen um die
Gemeinschaft ist ein Zeichen für ein wahrhaft kirchliches Beten.
2690 Der
Heilige Geist gibt einzelnen Gläubigen die Gaben der Weisheit, des Glaubens und
der Unterscheidung der Geister zum Zweck der geistlichen Leitung, das heißt
eines Wirkens in Hinblick auf dieses gemeinsame Gut des Gebetes. Die Männer und
Frauen, denen solche Gaben zuteil werden, leisten der lebendigen Überlieferung
des Gebetes einen wertvollen Dienst.
Deshalb
muß eine Seele, die nach Vollkommenheit strebt, nach dem Rat des hl. Johannes
vom Kreuz „gar wohl beachten, wessen Händen sie sich anvertraut; denn wie der
Lehrmeister, so der Schüler, und wie der Vater, so das Kind". Der
Seelenführer „muß weise und klug sein, aber auch Erfahrung besitzen ... Wenn
dem Seelenführer die Erfahrung in rein geistigen Dingen fehlt, wird er in der
Leitung einer Seele, die von Gott besondere Gnaden empfängt, nicht
zurechtkommen und auch kein Verständnis dafür haben" (llama, Strophe 3).
Geeignete Orte des Gebetes
2691 Die
Kirche, das Haus Gottes, ist für die Pfarrgemeinde der eigentliche Ort des
liturgischen Gebetes. Sie ist auch der bevorzugte Ort, Christus in seiner
Realpräsenz im heiligsten Sakrament anzubeten. Die Wahl eines geeigneten Ortes
kann die Wahrhaftigkeit des Gebetes beeinflussen.
- Für das persönliche Gebet kann
dieser Ort eine „Gebetsecke" mit der Heiligen Schrift und Ikonen sein, um
dort, „im Verborgenen" [Vgl. PC 7], vor unserem Vater zu verweilen. In
einer christlichen Familie begünstigt eine solche Gebetsstätte das gemeinsame
Beten.
- Klösterliche Gemeinschaften
sind dazu berufen, die Teilnahme der Gläubigen am Stundengebet zu fördern und
die für ein tieferes persönliches Beten notwendige Einsamkeit zu bieten [Vgl.
Mt 6,6].
Wallfahrten erinnern daran, daß
wir auf Erden auf dem Weg zum Himmel sind. Sie sind von alters her zur
Erneuerung des Gebetes besonders geeignet. Heiligtümer sind für Pilger auf der
Suche nach ihren lebendigen Quellen besonders geeignete Orte, um die Formen
christlichen Betens „als Kirche" zu leben.
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