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BENEDIKT XVI.

GENERALAUDIENZ

Audienzhalle
Mittwoch, 26. Oktober 2011

[Video]

 

Gebet zur Vorbereitung auf die Begegnung in Assisi
Pilger der Wahrheit, Pilger des Friedens

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich freue mich, euch in der Basilika Sankt Peter zu begrüßen, und heiße euch alle herzlich willkommen. Ich hoffe, daß ihr trotz des Regens einen schönen Tag verbringen könnt. Und wenn auch leider die große Audienz geteilt werden mußte, sollen doch der Segen und die Freude Gottes mit euch gehen. Bezeugt dem Herrn eure Dankbarkeit, euren Glauben. Tragt den Glauben und die Freude des Glaubens in die Welt hinaus und in den Alltag hinein. In diesem Sinne erteile ich am Schluß allen von Herzen meinen Apostolischen Segen.

* * *

Liebe Brüder und Schwestern!

Heute nimmt die gewohnte Begegnung der Generalaudienz eine besondere Form an, denn wir stehen am Vortag des »Tages der Reflexion, des Dialogs und des Gebets für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt«, der morgen in Assisi stattfinden wird, 25 Jahre nach der historischen Begegnung, die vom sel. Johannes Paul II. einberufen wurde. Ich habe diesen Tag unter das Motto »Pilger der Wahrheit, Pilger des Friedens« gestellt, um die Verpflichtung zur Förderung des wahren Wohls der Menschheit und zur Errichtung des Friedens zum Ausdruck zu bringen, die wir feierlich erneuern wollen, zusammen mit den Anhängern verschiedener Religionen sowie mit Menschen, die nicht gläubig, aber aufrichtig auf der Suche nach der Wahrheit sind. Ich hatte bereits einmal Gelegenheit zu sagen: »Wer unterwegs zu Gott ist, kann nicht umhin, den Frieden zu vermitteln, wer den Frieden aufbaut, kann nicht umhin, sich Gott zu nähern.«

Als Christen sind wir überzeugt, daß der wertvollste Beitrag, den wir für die Sache des Friedens leisten können, das Gebet ist. Aus diesem Grund versammeln wir uns heute, als Kirche von Rom, zusammen mit den in der Stadt anwesenden Pilgern, um das Wort Gottes zu hören und in gläubiger Gesinnung um das Geschenk des Friedens zu bitten. Der Herr kann unseren Verstand und unsere Herzen erleuchten und uns dahin führen, Baumeister der Gerechtigkeit und der Versöhnung in unserem Alltag und in der Welt zu sein. Im Abschnitt aus dem Buch des Propheten Sacharja haben wir gerade eine Verkündigung voll Hoffnung und Licht vernommen (vgl. Sach 9,10). Gott verheißt das Heil, er lädt ein, »laut zu jubeln«, denn dieses Heil wird nun verwirklicht. Es ist von einem König die Rede: »Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft« (V. 9).

Der Verkündigte ist jedoch kein König, der mit menschlicher Macht, mit Waffengewalt auftritt; er ist kein König, der mit politischer und militärischer Macht herrscht; er ist ein friedfertiger König, der mit Demut und Güte vor Gott und den Menschen regiert, ein König, der anders ist als die großen Herrscher der Welt: Er »reitet auf einem Esel, auf einem Fohlen, dem Jungen einer Eselin«, sagt der Prophet (ebd.). Er offenbart sich, indem er auf dem Tier der einfachen Menschen, der Armen, reitet, im Gegensatz zu den Streitwagen der Heere der Mächtigen der Erde. Ja, er ist sogar ein König, der diese Wagen vernichten, die Kriegsbogen zerbrechen, für die Völker den Frieden verkünden wird (vgl. V. 10).

Wer aber ist dieser König, von dem der Prophet Sacharja spricht? Gehen wir für einen Augenblick nach Betlehem und hören wir noch einmal, was der Engel zu den Hirten sagt, die Nachtwache hielten bei ihrer Herde. Der Engel verkündet eine Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll und die an ein armseliges Zeichen gebunden ist: ein Kind, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt (vgl. Lk 2,8–12). Und das himmlische Heer singt: »Verherrlicht ist Gott in der Höhe, / und auf Erden ist Friede / bei den Menschen seiner Gnade« (V. 14), bei den Menschen guten Willens. Die Geburt jenes Kindes, das Jesus ist, verkündet der ganzen Welt Frieden.

Aber betrachten wir nun auch die Augenblicke gegen Ende des Lebens Christi, als er in Jerusalem einzieht und von einer jubelnden Menge empfangen wird. Die Verkündigung der Ankunft eines demütigen und friedfertigen Königs durch den Propheten Sacharja kehrte den Jüngern Jesu besonders nach den Ereignissen des Leidens, des Todes und der Auferstehung, des Ostergeheimnisses, ins Gedächtnis zurück, als sie mit den Augen des Glaubens zu jenem freudigen Einzug des Meisters in die Heilige Stadt zurückkehrten. Er reitet auf einer geborgten Eselin (vgl. Mt 21,2–7): Er ist nicht auf einem prunkvollen Wagen, nicht zu Pferd wie die Großen. Er zieht nicht von einem mächtigen Heer aus Wagen und Reitern begleitet in Jerusalem ein. Er ist ein armer König, der König der Armen Gottes. Im griechischen Text steht der Begriff »praeîs«, was »die Friedfertigen, die Gütigen« bedeutet. Jesus ist der König der »anawim«, jener, deren Herz frei ist vom Verlangen nach Macht und materiellem Reichtum, vom Willen und Streben nach Herrschaft über den anderen. Jesus ist der König derer, die die innere Freiheit besitzen, die fähig macht, die Habgier, den Egoismus, der in der Welt ist, zu überwinden, und die wissen, daß Gott allein ihr Reichtum ist. Jesus ist ein armer König unter den Armen, gütig unter jenen, die gütig sein wollen. Auf diese Weise ist er der König des Friedens, durch die Macht Gottes, die Macht des Guten, die Macht der Liebe. Er ist ein König, der die Streitwagen und Schlachtpferde vernichten, die Kriegsbogen zerbrechen wird; ein König, der den Frieden am Kreuz verwirklicht, wo er Himmel und Erde miteinander verbindet und eine brüderliche Brücke zwischen allen Menschen schlägt. Das Kreuz ist der neue »Bogen des Friedens«, Zeichen und Werkzeug der Versöhnung, der Vergebung, des Verständnisses, Zeichen, daß die Liebe stärker ist als alle Gewalt und jede Unterdrückung, stärker als der Tod: Das Böse wird durch das Gute, durch die Liebe überwunden.

Dies ist das neue Reich des Friedens, in dem Christus der König ist; und es ist ein Reich, das sich über die ganze Erde ausbreitet. Der Prophet Sacharja verkündigt, daß die Herrschaft dieses friedfertigen, gütigen Königs »von Meer zu Meer und vom Euphrat bis an die Enden der Erde« reichen wird (Sach 9,10). Das Reich, das mit Christus beginnt, hat universale Dimensionen. Der Horizont dieses armen, friedfertigen Königs ist nicht ein Gebiet, ein Staat, sondern die Enden der Erde; über alle ethnischen, sprachlichen, kulturellen Grenzen hinweg schafft er Gemeinschaft, schafft er Einheit. Und wo sehen wir diese Verkündigung sich heute verwirklichen? Im großen Netz der eucharistischen Gemeinschaften, das sich über die ganze Erde ausbreitet, tritt die Prophezeiung Sacharjas wieder leuchtend zutage. Es ist ein großes Mosaik von Gemeinschaften, in denen das Liebesopfer dieses friedfertigen und gütigen Königs gegenwärtig wird; es ist das große Mosaik des »Friedensreiches« Jesu, von Meer zu Meer bis an die Enden der Erde, eine Vielzahl von »Inseln des Friedens«, die Frieden ausstrahlen. Überall hin, in jede Wirklichkeit, in jede Kultur, von den großen Städten mit ihren Mietshäusern bis in die kleinen Dörfer mit den bescheidenen Hütten, von den mächtigen Kathedralen bis hin zu den kleinen Kapellen kommt er, wird er gegenwärtig; und wenn sie mit ihm in Gemeinschaft treten, sind auch die Menschen untereinander in einem einzigen Leib vereint und überwinden Spaltung, Feindschaft, Groll. Der Herr kommt in der Eucharistie, um uns unserem Individualismus zu entreißen, unseren Parteilichkeiten, die die anderen ausschließen, um uns zu einem einzigen Leib zu machen, zu einem einzigen Reich des Friedens in einer gespaltenen Welt.

Wie aber können wir dieses Reich des Friedens aufbauen, dessen König Christus ist? Das ist das Gebot, das er seinen Aposteln und durch sie uns allen hinterläßt: »Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern… Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,19). Wie Jesus, so müssen die Friedensboten seines Reiches sich auf den Weg machen, müssen seiner Aufforderung nachkommen. Sie müssen gehen, aber nicht mit der Macht des Krieges oder mit Herrschergewalt. Im Evangeliumsabschnitt, den wir gehört haben, sendet Jesus 72 Jünger aus in die große Ernte, die Welt, und fordert sie auf, den Herrn der Ernte zu bitten, es nie an Arbeitern in seiner Ernte fehlen zu lassen (vgl. Lk 10,1–3).

Er sendet sie jedoch nicht mit Machtmitteln aus, sondern »wie Schafe mitten unter die Wölfe« (V. 3), ohne Geldbeutel, Vorratstasche und Schuhe (vgl. V. 4). Der hl. Johannes Chrysostomus kommentiert in einer seiner Predigten: »Solange wir Lämmer sind, siegen wir. Mögen auch unzählige Wölfe uns umgeben, wir siegen doch und gewinnen die Oberhand. Wenn wir dagegen selbst zu Wölfen werden, unterliegen wir; es fehlt uns dann eben die Hilfe des Hirten« (In Matthaeum homiliae 33,1: PG 57,389). Die Christen dürfen nie der Versuchung nachgeben, Wölfe unter Wölfen zu werden; Christi Reich des Friedens breitet sich nicht durch Macht, durch Kraft, durch Gewalt aus, sondern durch die Selbsthingabe, durch die Liebe, die bis zum Äußersten geht, auch gegenüber den Feinden. Jesus überwindet die Welt nicht mit Waffengewalt, sondern durch die Kraft des Kreuzes, die wahrhaft den Sieg gewährt. Und für den, der Jünger des Herrn, sein Gesandter, sein will, hat dies zur Folge, daß er auch zum Leiden und zum Martyrium, zur Hingabe des Lebens für ihn bereit sein muß, damit das Gute, die Liebe, der Frieden in der Welt triumphieren können. Das ist die Voraussetzung, um beim Eintritt in jede Wirklichkeit sagen zu können: »Friede diesem Haus!« (Lk 10,5).

Vor dem Petersdom befinden sich zwei große Statuen der hll. Petrus und Paulus, die leicht zu erkennen sind: Der hl. Petrus hält die Schlüssel in der Hand, der hl. Paulus dagegen hält ein Schwert in Händen. Wer seine Geschichte nicht kennt, könnte meinen, es handle sich um einen großen Feldherrn, der mächtige Heere geführt, mit dem Schwert Völker und Nationen unterworfen und sich mit dem Blut anderer Menschen Ruhm und Reichtum verschafft hat. Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall: Das Schwert, das er in Händen hält, ist das Werkzeug, mit dem Paulus hingerichtet wurde, durch das er das Martyrium erlitt und sein eigenes Blut vergoß. Seine Schlacht war nicht die der Gewalt, des Krieges, sondern die des Martyriums für Christus. Seine einzige Waffe war es, »Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten« zu verkünden (1 Kor 2,2). Seine Verkündigung gründete nicht auf »Überredung durch gewandte und kluge Worte, sondern war mit dem Erweis von Geist und Kraft verbunden« (V. 4). Er widmete sein Leben dem Überbringen der Botschaft des Evangeliums von Versöhnung und Frieden und wandte all seine Kräfte auf, damit sie bis an die Enden der Erde vernommen würde. Und das war seine Kraft: Er hat kein ruhiges, bequemes Leben gesucht, fernab von Schwierigkeiten und Widrigkeiten, sondern hat sich für das Evangelium verausgabt, hat sich selbst ganz und ohne jeden Vorbehalt hingegeben und ist so zum großen Boten des Friedens und der Versöhnung Christi geworden. Das Schwert, das der hl. Paulus in Händen hält, spielt auch auf die Macht der Wahrheit an, die oft verletzen, wehtun kann: Der Apostel ist dieser Wahrheit bis ins Letzte treu geblieben, er hat ihr gedient, hat für sie gelitten, hat sein Leben für sie hingegeben. Dieselbe Logik gilt auch für uns, wenn wir Boten des Friedensreiches sein wollen, das der Prophet Sacharja verkündigt hat und das von Christus verwirklicht wurde: Wir müssen bereit sein, persönlich dafür einzustehen und Unverständnis, Zurückweisung, Verfolgung am eigenen Leib zu erleiden. Nicht das Schwert des Eroberers errichtet den Frieden, sondern das Schwert des Leidenden, der sein Leben hinzugeben weiß.

Liebe Brüder und Schwestern, als Christen wollen wir Gott um das Geschenk des Friedens bitten. Wir wollen ihn bitten, uns zu Werkzeugen seines Friedens zu machen in einer Welt, die noch immer von Haß, von Spaltungen, von Egoismen, von Kriegen zerrissen ist. Wir wollen ihn bitten, daß die morgige Begegnung in Assisi den Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit fördern und einen Lichtstrahl bringen möge, der in der Lage ist, den Verstand und das Herz aller Menschen zu erleuchten, damit der Groll der Vergebung weiche, die Spaltung der Versöhnung, der Haß der Liebe, die Gewalt der Güte, und in der Welt Frieden herrsche. Amen.

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Liebe Brüder und Schwestern aus den Ländern deutscher Sprache! Danke! Einen herzlichen Gruß richte ich zunächst an die Teilnehmer der Romwallfahrt des Internationalen Kolpingwerks. Seit der Seligsprechung von Adolph Kolping sind zwanzig Jahre vergangen. Wir hoffen alle, daß die Heiligsprechung nahe ist, aber wir brauchen noch Gebet dazu, damit wir das Wunder erhalten, das nötig ist. Aber ich freue mich, daß so viele gekommen sind, und ich sehe darin doch die Kraft des Kolpingwerks, welche eine Kraft des Glaubens in unserem Land ist. Wie ihr wißt und soeben gehört habt, werde ich morgen in Assisi zusammen mit Vertretern verschiedener Religionen einen Tag der Reflexion, des Gesprächs und des Gebets für den Frieden und die Gerechtigkeit in der Welt halten. Ich möchte euch einladen, euch im Gebet mit mir zu verbinden und den Herrn um seinen Segen für ein friedliches Miteinander aller Menschen und Völker zu bitten. Der dreifaltige Gott begleite uns bei unserem Reden und Tun und lasse uns stets seiner Nähe gewiß sein. Euch allen wünsche ich einen frohen Aufenthalt in Rom.

  

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