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HL. KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE

PERSONA HUMANA

ERKLÄRUNG ZU EINIGEN FRAGEN DER SEXUALETHIK

29. Dezember 1975 (1)

 

1.

Die menschliche Person wird nach Ansicht der heutigen Wissenschaft so tief durch die Sexualität beeinflußt, daß diese zu den Faktoren gezählt werden muß, die das Leben eines jeden Menschen maßgeblich prägen. Aus dem Geschlecht nämlich ergeben sich die besonderen Merkmale, die die menschliche Person im biologischen, psychologischen und geistigen Bereich als Mann und Frau bestimmen. Diese haben somit einen sehr großen Einfluß auf ihren Reifungsprozeß und ihre Einordnung in die Gesellschaft. Deshalb sind auch, wie für jeden leicht festzustellen ist, die Fragen, die das Geschlecht betreffen, heute ein Thema, das häufig und offen in den Büchern, Zeitschriften, Zeitungen und anderen sozialen Kommunikationsmitteln behandelt wird.

Indessen greift zunehmend ein Sittenverfall um sich, bei dem die maßlose Verherrlichung des Geschlechtlichen zu den ernstesten Anzeichen zu rechnen ist. Dieser ist mit Hilfe der sozialen Kommunikationsmittel und der Schauspiele bereits so weit fortgeschritten, daß er in den Bereich der Erziehung eingedrungen ist und die allgemeine Mentalität vergiftet hat.

Wenn unter diesen Umständen Erzieher, Pädagogen oder Moralisten dazu beitragen konnten, daß die Werte, die jedem der beiden Geschlechter eigen sind, besser verstanden und in das Leben integriert wurden, haben andere hingegen Meinungen und Verhaltensweisen vorgetragen, die zu den wahren sittlichen Forderungen des Menschen in Widerspruch stehen, und sind sogar so weit gegangen, daß sie einen freizügigen Hedonismus begünstigen.

Die Folge davon ist, daß auch unter Christen Lehren, sittliche Normen und Lebensweisen, die bisher treu beobachtet wurden, innerhalb einiger Jahre stark erschüttert worden sind. Viele fragen sich heute angesichts so vieler weitverbreiteter Meinungen, die der von der Kirche empfangenen Lehre entgegengesetzt sind, was sie noch für wahr halten müssen.

2.

Die Kirche kann sich einer solchen geistigen Verwirrung und einem solchen Sittenverfall gegenüber nicht gleichgültig verhalten. Es handelt sich hierbei nämlich um eine für das persönliche Leben der Christen und das gesellschaftliche Leben unserer Zeit sehr bedeutsame Frage.1

Täglich müssen die Bischöfe die wachsenden Schwierigkeiten feststellen, mit denen sowohl die Gläubigen zu ringen haben, um die gesunde Sittenlehre, besonders im sexuellen Bereich, zur Kenntnis zu nehmen, wie auch die Seelsorger, um diese Lehre wirksam vorzutragen. Sie sind sich dessen bewußt, daß ihr Hirtenamt sie dazu verpflichtet, sich in diesem schwerwiegenden Punkt der Nöte der ihnen anvertrauten Gläubigen anzunehmen; auch sind über diesen Fragenkreis von einigen Oberhirten und Bischofskonferenzen schon bedeutende Dokumente veröffentlicht worden. Da aber die irrigen Meinungen und die sich daraus ergebenden falschen Verhaltensweisen sich überall noch weiter verbreiten, hat es die Kongregation für die Glaubenslehre auf Grund ihrer Aufgabe für die Gesamtkirche2 und im Auftrag des Papstes für notwendig erachtet, die vorliegende Erklärung zu veröffentlichen.

3.

Die Menschen unserer Zeit sind immer mehr davon überzeugt, daß die Würde und die Berufung der menschlichen Person es erfordern, daß sie im Licht der Vernunft die Werte entdecken, die in ihre Natur gelegt sind, sie unablässig weiterentfalten und im Hinblick auf einen immer größeren Fortschritt in ihrem Leben verwirklichen.

Der Mensch aber kann in den Fragen der Moral bei der Beurteilung der Werte nicht einfach nach seinem persönlichen Belieben verfahren: »Im Innern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß... Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden wird«.3

Ferner hat Gott uns Christen durch seine Offenbarung seinen Heilsplan zu erkennen gegeben und uns Christus, den Erlöser und Heiland, in seiner Lehre und seinem Beispiel als die höchste und unveränderliche Lebensnorm hingestellt: »Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis gehen, sondern wird das Licht des Lebens haben«.4

Es kann deshalb keine wahre Förderung der Würde des Menschen geben, wenn nicht die wesentliche Ordnung seiner Natur gewahrt wird. Gewiß haben sich in der Geschichte der Zivilization viele konkrete Umstände und Bedürfnisse des menschlichen Lebens geändert und werden sich noch weiter ändern; doch muß sich jeder Wandel in den Sitten und jede Lebensweise innerhalb der Grenzen halten, die durch die unveränderlichen Prinzipien gesetzt sind, welche in den konstitutiven Elementen und den wesentlichen Beziehungen der menschlichen Person gründen; diese Elemente und Beziehungen übersteigen die veränderlichen geschichtlichen Umstände.

Diese Grundprinzipien, die die Vernunft erkennen kann, sind enthalten im »ewigen, objektiven und universalen göttlichen Gesetz, durch das Gott nach dem Ratschluß seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert. Gott macht den Menschen seines Gesetzes teilhaftig, so daß der Mensch unter der sanften Führung der göttlichen Vorsehung die unveränderliche Wahrheit mehr und mehr zu erkennen vermag«.5 Dieses göttliche Gesetz ist für unsere Erkenntnis zugänglich.

4.

Zu Unrecht behaupten daher heute viele, daß man weder in der menschlichen Natur noch im geoffenbarten Gesetz eine andere absolute und unveränderliche Norm als Regel für unsere einzelnen Handlungen finden könne als jene, die im allgemeinen Gebot der Liebe und der Achtung vor der menschlichen Würde zum Ausdruck kommt. Als Beweis für diese Behauptung führen sie an, daß die sogenannten Normen des Naturgesetzes oder die Vorschriften der Heiligen Schrift nur als Ausdruck einer besonderen Kulturform in einem bestimmten geschichtlichen Augenblick angesehen werden können.

In Wirklichkeit jedoch weisen die göttliche Offenbarung und, in dem ihr eigenen Bereich, auch die philosophische Erkenntnis dadurch, daß sie echte Erfordernisse der Menschheit aufzeigen, notwendig auf die Existenz unveränderlicher Gesetze hin, die in die konstitutiven Elemente der menschlichen Natur eingeschrieben sind und die in allen vernunftbegabten Wesen als identisch erscheinen.

Ferner hat Christus seine Kirche als »die Säule und das Fundament der Wahrheit« gegründet.6 Unter dem Beistand des Heiligen Geistes bewahrt sie ununterbrochen und übermittelt sie ohne Irrtum die Wahrheiten der sittlichen Ordnung und interpretiert authentisch nicht nur das geoffenbarte positive Gesetz, sondern »auch die Prinzipien der sittlichen Ordnung, die aus dem Wesen des Menschen selbst hervorgehen«7 und die volle Entfaltung und die Heiligung des Menschen betreffen. Die Kirche aber hat im ganzen Verlauf ihrer Geschichte bestimmten Vorschriften des Naturgesetzes immer eine absolute und unveränderliche Geltung zuerkannt und in deren Übertretung einen Widerspruch zur Lehre und zum Geist des Evangeliums gesehen.

5.

Da die Sexualethik bestimmte Grundwerte des menschlichen und christlichen Lebens betrifft, wird diese allgemeine Lehre in gleicher Weise auch auf sie angewandt. Es gibt in diesem Bereich Prinzipien und Normen, die die Kirche ohne Zögern stets als einen Bestandteil ihrer Lehre überliefert hat, wie sehr auch die Meinungen und Sitten in der Welt zu ihnen im Gegensatz gestanden haben mögen. Diese Prinzipien und Normen haben ihren Ursprung keineswegs in einer bestimmten Kulturform, sondern in der Erkenntnis des Gesetzes Gottes und der menschlichen Natur. Deshalb können sie auch nicht unter dem Vorwand einer neuen kulturellen Situation als überholt angesehen oder in Zweifel gezogen werden.

Es sind jene Prinzipien, die auch die Anregungen und Richtlinien des II. Vatikanischen Konzils für eine Bildung und Ordnung des gesellschaftlichen Lebens inspiriert haben, in welcher der gleichen Würde von Mann und Frau bei gleichzeitiger Achtung ihrer Unterschiede in gebührender Weise Rechnung getragen wird.8

Als das Konzil von der »geschlechtlichen Anlage des Menschen und seiner menschlichen Zeugungsfähigkeit« gesprochen hat, hat es betont, daß diese »in wunderbarer Weise all das überragen, was es Entsprechendes auf niedrigeren Stufen des Lebens gibt«.9 Darauf hat es in besonderer Weise die Prinzipien und Regeln dargelegt, die die menschliche Geschlechtlichkeit in der Ehe betreffen und ihre Grundlage in der Finalität ihrer spezifischen Funktion haben.

Diesbezüglich erklärt das Konzil, daß die sittliche Qualität der dem ehelichen Leben eigenen Akte, die entsprechend der wahren menschlichen Würde gestaltet sind, »nicht allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive abhängt, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren«.10

Diese letzten Worte fassen kurz die Lehre des Konzils zusammen – die im voraufgehenden in derselben Konstitution ausführlicher dargelegt ist11 – über die Finalität des Geschlechtsaktes und über das wichtigste Kriterium für seine sittliche Bewertung: es ist die Beachtung seiner Finalität, die diesem Akt seine Ehrbarkeit gewährleistet.

Dasselbe Prinzip, das die Kirche aus der göttlichen Offenbarung und der eigenen authentischen Interpretation des Naturgesetzes schöpft, begründet auch ihre traditionelle Lehre, nach der der Gebrauch der Geschlechtskraft nur in der rechtsgültigen Ehe seinen wahren Sinn und seine sittliche Rechtmäßigkeit erhält.12

6.

Die vorliegende Erklärung beabsichtigt nicht, alle Mißbräuche der Geschlechtskraft zu behandeln noch all das, was die Beobachtung der Keuschheit mit sich bringt, sondern vielmehr die Lehre der Kirche bezüglich einiger besonderer Punkte wieder in Erinnerung zu bringen, da es sehr dringend erscheint, sich den schwerwiegenden Irrtümern und den falschen Verhaltensweisen, die von vielen weit verbreitet werden, entschlossen entgegenzustellen.

7.

Manche fordern heute das Recht zum vorehelichen Verkehr, wenigstens in den Fällen, wo eine ernste Heiratsabsicht und eine in gewisser Weise schon eheliche Zuneigung in den Herzen der beiden Partner diese Erfüllung fordern, die sie als naturgemäß erachten. Dies vor allem dann, wenn die Feier der Hochzeit durch äußere Umstände verhindert wird oder wenn diese intime Beziehung als notwendig erscheint, um die Liebe zu erhalten.

Diese Auffassung widerspricht der christlichen Lehre, nach der jeder Geschlechtsakt des Menschen nur innerhalb der Ehe erfolgen darf. Denn wie fest auch immer der Entschluß jener ist, die sich auf diese verfrühten Beziehungen einlassen, so bleibt doch die Tatsache, daß diese keineswegs die Aufrichtigkeit und die Treue der zwischenmenschlichen Beziehungen von Mann und Frau zu gewährleisten noch diese vor allem gegen Laune und Begierlichkeit zu schützen vermögen. Christus aber hat gewollt, daß diese Verbindung beständig sei, und hat sie in ihrem ursprünglichen Zustand, der auf der Verschiedenheit der Geschlechter gründet, wiederhergestellt. »Habt ihr nicht gelesen, daß der Schöpfer die Menschen am Anfang als Mann und Frau geschaffen hat und daß er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen«.13 Der hl. Paulus ist noch deutlicher, wenn er sagt, daß, falls die Unverheirateten und Witwen nicht enthaltsam leben können, sie keine andere Wahl haben als die beständige eheliche Verbindung: »Es ist besser zu heiraten, als sich in Begierde zu verzehren«.14 Durch die Ehe nämlich wird die Liebe der Eheleute zutiefst in jene Liebe hineingenommen, mit der Christus auf unwiderrufliche Weise die Kirche liebt;15 die körperliche Vereinigung in Unzucht16 hingegen entehrt den Tempel des Heiligen Geistes, zu dem der Christ geworden ist. Die körperliche Vereinigung ist also nur dann rechtmäßig, wenn zwischen dem Mann und der Frau eine endgültige Lebensgemeinschaft geschlossen worden ist.

So hat es die Kirche immer verstanden und gelehrt,17 die übrigens auch im Denken der Menschen und in den Zeugnissen der Geschichte eine tiefe Übereinstimmung mit ihrer Lehre gefunden hat.

Die Erfahrung lehrt, daß die Liebe durch die Festigkeit der Ehe geschützt werden muß, damit die geschlechtliche Vereinigung in Wahrheit den Forderungen ihrer eigenen Finalität und der menschlichen Würde wirklich entsprechen kann. Diese Forderungen verlangen einen Ehevertrag, der durch die Gesellschaft bestätigt und garantiert wird und der einen Lebensstand begründet, der für die ausschließliche Verbindung des Mannes und der Frau wie auch für das Wohl ihrer Familie und der ganzen menschlichen Gemeinschaft von größter Bedeutung ist. Sehr häufig schließen nämlich die vorehelichen Beziehungen die Erwartung von Nachkommenschaft aus. Diese Liebe, die man für eine eheliche Liebe hält, kann sich also nicht, wie es absolut notwendig wäre, zur Vater- und Mutterliebe entfalten. Oder, wenn es doch geschehen sollte, wird es sich zum Nachteil der Kinder auswirken, die dann eines beständigen Zusammenlebens entbehren, wo sie heranwachsen sollten, um den Weg und die Mittel für ihre Eingliederung in das Gesamtgefüge der Gesellschaft finden zu können.

Das gemeinsame Einvernehmen derer, die eine Ehe eingehen wollen, muß also nach außen hin zum Ausdruck gebracht werden, und zwar in einer Weise, daß dieses auch vor der Gesellschaft Gültigkeit erhält. Was die Gläubigen betrifft, so müssen sie ihre Zustimmung zur Gründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft entsprechend den Gesetzen der Kirche ausdrücken, jenen Konsens, der ihre Ehe zu einem Sakrament Christi macht.

8.

Im Gegensatz zur beständigen Lehre des kirchlichen Lehramtes und des sittlichen Empfindens des christlichen Volkes haben heute einige unter Berufung auf Beobachtungen psychologischer Natur damit begonnen, die homosexuellen Beziehungen gewisser Leute mit Nachsicht zu beurteilen, ja sie sogar völlig zu entschuldigen.

Sie unterscheiden – was begründetermaßen zu geschehen scheint – zwischen Homosexuellen, deren Neigung sich von einer falschen Erziehung, von mangelnder sexueller Reife, von angenommener Gewohnheit, von schlechten Beispielen oder anderen ähnlichen Ursachen herleitet und eine Übergangserscheinung darstellt oder wenigstens nicht unheilbar ist, und Homosexuellen, die durch eine Art angeborenen Trieb oder durch eine pathologische Veranlagung, die als unheilbar betrachtet wird, für immer solche sind.

Was nun die Personen dieser zweiten Kategorie betrifft, kommen einige zu dem Schluß, daß ihre Neigung derart natürlich ist, daß sie für sie als Rechtfertigungsgrund für ihre homosexuellen Beziehungen in einer eheähnlichen aufrichtigen Lebens- und Liebesgemeinschaft angesehen werden muß, sofern sie sich nicht imstande fühlen, ein Leben in Einsamkeit zu ertragen.

Sicher muß man sich bei der seelsorglichen Betreuung dieser homosexuellen Menschen mit Verständnis annehmen und sie in der Hoffnung bestärken, ihre persönlichen Schwierigkeiten und ihre soziale Absonderung zu überwinden. Ihre Schuldhaftigkeit wird mit Klugheit beurteilt werden. Es kann aber keine pastorale Methode angewandt werden, die diese Personen moralisch rechtfertigen würde, weil ihre Handlungen als mit ihrer persönlichen Verfassung übereinstimmend erachtet würden. Nach der objektiven sittlichen Ordnung sind die homosexuellen Beziehungen Handlungen, die ihrer wesentlichen und unerläßlichen Regelung beraubt sind. Sie werden in der Heiligen Schrift als schwere Verirrungen verurteilt und als die traurige Folge einer Zurückweisung Gottes dargestellt.18 Dieses Urteil der Heiligen Schrift erlaubt zwar nicht den Schluß, daß alle jene, die an dieser Anomalie leiden, persönlich dafür verantwortlich sind, bezeugt aber, daß die homosexuellen Handlungen in sich nicht in Ordnung sind und keinesfalls in irgendeiner Weise gutgeheißen werden können.

9.

Sehr oft wird heute auch die überlieferte katholische Lehre, wonach die Masturbation einen schweren Verstoß gegen die sittliche Ordnung darstellt, in Zweifel gezogen oder ausdrücklich geleugnet. Man behauptet, daß Psychologie und Soziologie den Beweis dafür erbringen, daß es sich dabei, vor allem bei den heranwachsenden Jugendlichen, um eine normale Erscheinungsform geschlechtlicher Entwicklung handelt. Eine tatsächliche und schwere Schuld würde nur insoweit vorliegen, als der Handelnde mit freiem Willen einer in sich abgekapselten Selbstbefriedigung (»Ipsation«) nachgeben würde, da in diesem Fall die Handlung von ihrem Wesen her der liebenden Vereinigung zweier Personen verschiedenen Geschlechtes entgegengesetzt wäre, die nach manchen Autoren das Hauptziel beim Gebrauch der Geschlechtskraft ist,

Diese Auffassung widerspricht der Lehre und pastoralen Praxis der katholischen Kirche. Was auch immer der Wert gewisser Argumente biologischer oder philosophischer Natur sein mag, deren sich die Theologen mitunter bedient haben, Tatsache ist, daß sowohl das kirchliche Lehramt in seiner langen und stets gleichbleibenden Überlieferung als auch das sittliche Empfinden der Gläubigen niemals gezögert haben, die Masturbation als eine zuinnerst schwer ordnungswidrige Handlung zu brandmarken.19 Der Hauptgrund für diese Beurteilung ist, daß der freigewollte Gebrauch der Geschlechtskraft, aus welchem Motiv er auch immer geschieht, außerhalb der normalen ehelichen Beziehungen seiner Zielsetzung wesentlich widerspricht; denn es fehlt ihm die von der sittlichen Ordnung geforderte geschlechtliche Beziehung, jene nämlich, die »den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe«20 realisiert. Nur für diese reguläre geschlechtliche Beziehung ist jede freigewollte Ausübung der Geschlechtlichkeit vorbehalten. Auch wenn es nicht möglich ist, eindeutig zu belegen, daß die Heilige Schrift diese Sünde als solche ausdrücklich verwirft, hat es doch die kirchliche Überlieferung richtig verstanden, daß diese immer dann im Neuen Testament verurteilt wird, wenn von der »Unreinheit«, von der »Schamlosigkeit« und von anderen Lastern gegen die Keuschheit und Enthaltsamkeit die Rede ist.

Die soziologischen Erhebungen können die Häufigkeit dieses ordnungswidrigen Verhaltens nach den Orten, der Bevölkerung und den Umständen anzeigen. Auf diese Weise können Daten gewonnen werden, aber diese Daten stellen kein Kriterium für die Beurteilung des sittlichen Wertes der menschlichen Handlungen dar.21 Die Häufigkeit des Auftretens der betreffenden Handlungen muß sicherlich im Zusammenhang mit der dem Menschen als Folge der Erbsünde innewohnenden Schwäche gesehen werden, aber auch im Zusammenhang mit dem Verlust der Gottbezogenheit und mit der Verwilderung der Sitten, die sowohl durch eine Kommerzialisierung des Lasters, einer schrankenlosen Freizügigkeit im Schaugeschäft und auf dem Bücher- und Zeitschriftenmarkt, als auch durch den Verlust des Schamgefühls, dem eine Wächterrolle für die Keuschheit obliegt, verursacht wird.

Die moderne Psychologie bietet hinsichtlich der Masturbation eine Reihe von gültigen und nützlichen Daten zur Formulierung eines ausgewogenen Urteils über die sittliche Verantwortlichkeit und zur Orientierung einer speziellen Seelsorge. Sie kann die Augen dafür öffnen, wie die mangelnde Reife in der Adoleszens, die zuweilen auch nach dem Pubertätsalter anhalten kann, oder der Mangel an seelischem Gleichgewicht oder auch eine angenommene Gewohnheit auf das Verhalten Einfluß nehmen können, indem sie die Freiwilligkeit der Handlungen herabmindern und dadurch bewirken, daß subjektiv gesehen nicht immer eine schwere Schuld vorliegt. Im allgemeinen darf jedoch nicht von vornherein das Fehlen einer schweren Verantwortung angenommen werden. Dies hieße nämlich, die sittliche Entscheidungsfähigkeit der Menschen zu verkennen.

Um sich in der praktischen Seelsorge ein angemessenes Urteil in den einzelnen konkreten Fällen zu bilden, wird das gewohnheitsmäßige Verhalten der Menschen in seiner Gesamtheit in Betracht gezogen werden müssen; und zwar nicht allein was die Übung von Liebe und Gerechtigkeit angeht, sondern auch was die Sorge um die Beobachtung des besonderen Gebotes der Keuschheit betrifft. Man wird besonders darauf achten, ob man sich der notwendigen natürlichen und übernatürlichen Mittel bedient, die die christliche Askese auf Grund ihrer langen Erfahrung empfiehlt, um die Leidenschaften zu beherrschen und der Tugend zum Fortschritt zu verhelfen.

10.

Die Beobachtung des Sittengesetzes im Bereich der Sexualität und die Übung der Keuschheit werden vor allem durch die lauen Christen und durch die heutige Tendenz, die Wirklichkeit der schweren Sünde möglichst einzuschränken, wenn nicht gar, zumindest in dem konkreten menschlichen Leben, vollkommen zu leugnen, nicht wenig in Frage gestellt.

Manche behaupten sogar, daß die schwere Sünde, die den Menschen von Gott trennt, nur in der unmittelbaren und formellen Ablehnung bestehen würde, wodurch sich der Mensch dem Ruf Gottes widersetzt, oder auch in einer Egozentrik, die bewußt und vollständig die Liebe zum Nächsten ausschließt. Nur dann, so sagt man, setze die »Grundentscheidung« ein, d.h. jene Entscheidung, die die menschliche Person vollkommen beansprucht und die für das Zustandekommen einer Todsünde erforderlich ist. Durch diese Entscheidung nähme der Mensch aus der Mitte seiner Persönlichkeit heraus eine Grundhaltung gegenüber Gott und den Mitmenschen ein oder bestätige sie. Andererseits würden die als peripher bezeichneten Handlungen (die, wie man behauptet, im allgemeinen keine entscheidende Wahl beinhalten) gar nicht bis zu einer Änderung der Grundentscheidung führen, umso weniger als sie häufig, wie man beobachtet, aus einer Gewohnheitshaltung hervorgehen. Sie können daher zwar die Grundentscheidung schwächen, aber nicht gänzlich ändern. Nach diesen Autoren ereignet sich deshalb eine Änderung in der Grundentscheidung gegenüber Gott im Bereich des Geschlechtlichen viel schwerer, da dort der Mensch im allgemeinen die sittliche Ordnung nicht überlegt und freiwillig überschreitet, sondern mehr unter dem Einfluß seiner Leidenschaft, aus Schwäche und mangelnder Reife oder manchmal auch aus der Einbildung heraus, gerade auf diese Weise seine Liebe zum Nächsten unter Beweis zu stellen. Dazu kommt oft noch der Druck, der vom gesellschaftlichen Milieu ausgeübt wird.

In der Tat, es ist die Grundentscheidung, die letztlich die sittliche Verfassung des Menschen bestimmt. Sie kann jedoch auch durch Einzelhandlungen grundlegend geändert werden, vor allem dann, wenn diese – wie es häufig der Fall ist – bereits durch voraufgehende, weniger entschiedene Handlungen vorbereitet werden. Auf jeden Fall ist es nicht wahr, daß nicht eine einzige dieser Handlungen ausreichen könnte, um eine schwere Sünde zu begehen.

Nach der Lehre der Kirche besteht die schwere Sünde als Auflehnung gegen Gott nicht nur in der formalen und direkten Ablehnung des Gebotes der Liebe. Sie besteht gleichermaßen auch in jenem Widerspruch zur echten Liebe, der in jeder freigewollten Überschreitung eines jeden sittlichen Gesetzes in einer wichtigen Sache miteingeschlossen ist.

Christus selbst hat das zweifache Gebot der Liebe als die Grundlage des sittlichen Lebens bezeichnet. Von diesem Gebot aber »hängen das ganze Gesetz und die Propheten ab«.22 Es umfaßt also alle übrigen Einzelgebote. Dem jungen Mann, der ihn fragt: »Was muß ich tun, um das ewige Leben zu erlangen?« antwortet Jesus: »Wenn du in das Leben eingehen willst, halte die Gebote: ... Du sollst nicht töten, nicht ehebrechen, nicht stehlen, kein falsches Zeugnis geben; ehre Vater und Mutter und liebe deinen Nächsten wie dich selbst«.23

Der Mensch sündigt also nicht nur dann schwer, wenn seine Handlung aus der direkten Verachtung der Liebe Gottes und des Nächsten hervorgeht, sondern auch, wenn er bewußt und frei aus irgendeinem Grund sich für etwas entscheidet, was einen schweren Verstoß gegen die sittliche Ordnung darstellt. Wie schon oben erwähnt, ist in diese Entscheidung bereits die Verachtung des göttlichen Gebotes miteingeschlossen: Der Mensch wendet sich von Gott ab und geht seiner Liebe verlustig. Nach der christlichen Überlieferung und der Lehre der Kirche wie auch nach dem Zeugnis der gesunden Vernunft beinhaltet die sittliche Ordnung der Sexualität Werte von so großer Bedeutung für das menschliche Leben, daß jede direkte Verletzung dieser Ordnung objektiv schwerwiegend ist.24

Es ist wahr, daß es bei den geschlechtlichen Verfehlungen in Anbetracht ihrer Natur und ihrer Ursachen viel leichter eine Beeinträchtigung der völlig freien Zustimmung geben kann. Dies fordert dazu auf, mit Klugheit und Umsicht bei der Beurteilung der Verantwortlichkeit der jeweiligen Personen vorzugehen. Hier gilt es vor allem, sich das Schriftwort in Erinnerung zu bringen: »Der Mensch sieht das Äußere, Gott aber schaut in das Herz«.25 Wenn diese Klugheit in der Beurteilung der subjektiven Schwere einer sündhaften Handlung empfohlen wird, heißt das jedoch keineswags, daß man der Auffassung sein dürfe, im Bereich des Geschlechtlichen könnten keine schweren Sünden begangen werden.

Die Seelsorger müssen deshalb mit Geduld und Güte vorgehen. Doch ist es ihnen nicht gestattet, die Gebote Gottes auszuhöhlen noch die Verantwortlichkeit der Menschen über die Maßen einzuschränken: »Es ist eine hervorragende Form der Liebe zu den unsterblichen Seelen, wenn man in keiner Weise Abstriche an der heilsamen Lehre Christi macht. Dies jedoch muß immer von Geduld und Liebe begleitet sein, für die der Herr selbst in seinem Umgang mit den Menschen ein Beispiel gegeben hat. Er ist gekommen, nicht um zu richten, sondern um die Welt zu retten; er war unversöhnlich mit der Sünde, aber er war barmherzig mit dem Sünder«.26

11.

Wie bereits oben gesagt worden ist, will die vorliegende Erklärung die Aufmerksamkeit der Gläubigen in der heutigen Situation auf gewisse Irrtümer und Verhaltensweisen hinlenken, vor denen sie sich in acht nehmen müssen. Die Tugend der Keuschheit beschränkt sich aber nicht nur auf die Vermeidung der erwähnten Verfehlungen. Sie verlangt vielmehr auch, daß gewisse positive und höhere Güter, die es zu erlangen gilt, vor Augen gestellt werden. Sie ist eine Tugend, die die ganze Persönlichkeit in ihrem inneren und äußeren Verhalten prägt.

Diese Tugend soll die Menschen in den verschiedenen Lebensständen auszeichnen: die einen im Stand der Jungfräulichkeit oder in der gottgeweihten Ehelosigkeit, einer hervorragenden Weise, sich leichter mit ungeteiltem Herzen allein Gott hinzugeben;27 die anderen, in der für alle vom Sittengesetz bestimmten Weise, je nachdem ob sie verheiratet oder unverheiratet sind. Jedenfalls bleibt die Keuschheit in keinem Lebensstand auf eine rein äußere Verhaltensweise beschränkt, sondern muß das Herz des Menschen reinhalten nach dem Worte Christi: »Ihr habt gehört, daß gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in Gedanken schon Ehebruch mit ihr begangen«.28

Die Keuschheit ist in jener Enthaltsamkeit miteinbegriffen, die der hl. Paulus zu den Gaben des Heiligen Geistes rechnet, während er die Ausschweifung als ein für den Christen besonders unwürdiges Laster verurteilt, das ihn vom Himmelreich ausschließt.29 »Es ist der Wille Gottes, daß ihr heilig lebt. Meidet also die Unzucht; jeder von euch soll mit seiner Frau in heiliger und ehrfürchtiger Weise verkehren, nicht in leidenschaftlicher Begierde wie die Heiden, die Gott nicht kennen. Keiner überschreite seine Rechte und betrüge seinen Bruder im Handel... Denn Gott hat uns nicht dazu berufen, unrein zu leben, sondern heilig zu sein. Wer das verwirft, der verwirft also nicht Menschen, sondern Gott, der euch seinen Heiligen Geist schenkt«.30 »Von Unzucht aber und Schamlosigkeit jeder Art oder von Habsucht soll bei euch, wie es sich für Heilige gehört, nicht einmal die Rede sein. Auch Sittenlosigkeit, albernes und zweideutiges Geschwätz schickt sich nicht für euch, sondern Dankbarkeit. Denn das sollt ihr wissen: kein unzüchtiger, schamloser oder habsüchtiger Mensch – d.h. kein Götzendiener – erhält ein Erbteil im Reiche Christi und Gottes. Niemand täusche euch mit leeren Worten; dadurch kommt der Zorn Gottes über die Ungehorsamen. Habt darum nichts mit ihnen gemein! Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden. Lebt als Kinder des Lichtes!«.31

Der Apostel nennt zudem ganz klar das eigentlich christliche Motiv für die Übung der Keuschheit, wenn er die Sünde der Unkeuschheit verurteilt nicht nur insofern diese Handlung dem Nächsten oder der sozialen Ordnung ein Unrecht zufügt, sondern weil der Unkeusche Christus beleidigt, der ihn mit seinem Blut erlöst hat, und ferner weil er Glied des Leibes Christi und Tempel des Heiligen Geistes ist: »Wißt ihr nicht, daß eure Leiber Glieder Christi sind? Darf ich nun die Glieder Christi nehmen und zu Gliedern einer Dirne machen? Auf keinen Fall! Hütet euch vor Unzucht! Jede andere Sünde, die der Mensch tut, bleibt außerhalb des Leibes; wer aber Unzucht treibt, sündigt gegen den eigenen Leib. Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr seid nicht euer Eigentum; denn für Lösegeld seid ihr freigekauft worden. Verherrlicht Gott in eurem Leib!«.32

Je mehr die Gläubigen den Wert der Keuschheit und ihrer notwendigen Funktion in ihrem Leben als Männer und Frauen erfassen, um so mehr werden sie sich durch eine Art geistiges Gespür dessen bewußt werden, was diese Tugend fordert und empfiehlt; auch werden sie es besser verstehen, anzunehmen und fügsam gegenüber der Lehre der Kirche auszuführen, was das rechte Gewissen ihnen in den konkreten Fällen befiehlt.

12.

Mit bewegenden Worten beschreibt der Apostel Paulus den schmerzlichen Widerstreit, den der Mensch, Sklave der Sünde, in seinem Innern erfährt: zwischen dem »Gesetz seiner Vernunft« und einem anderen »Gesetz in seinen Gliedern«, das ihn gefangen hält.33 Doch kann der Mensch durch die Gnade Jesu Christi aus diesem »Todesleib« errettet werden.34 Diese Gnade wird jenen Menschen zuteil, die durch sie gerechtfertigt wurden und die das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus vom Gesetz der Sünde frei gemacht hat.35 So beschwört der Apostel diese Menschen: »Daher soll die Sünde euren sterblichen Leib nicht mehr beherrschen, und seinen Begierden sollt ihr nicht gehorchen«.36

Diese Befreiung, die uns befähigt, Gott in einem neuen Leben zu dienen, beseitigt weder die Begierde, die in der Erbsünde gründet, noch den Anreiz zum Bösen von einer Welt her, die »ganz vom Bösen beherrscht wird«.37 Deshalb ermahnt der Apostel die Gläubigen, die Versuchungen in der Kraft Gottes zu überwinden38 und »den Schlichen des Teufels zu widerstehen«39 durch den Glauben, durch unaufhörliches Gebet40 und durch Strenge gegenüber sich selbst im Leben, um den Leib dem Geist dienstbar zu machen.41

Das christliche Leben, das den Spuren Christi folgt, fordert, daß ein jeder »sich selbst verleugne und täglich sein Kreuz auf sich nehme«,42 getragen von der Hoffnung, daß es vergolten wird: »Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben; wenn wir standhaft bleiben, werden wir auch mit ihm herrschen«.43

Entsprechend diesen dringenden Ermahnungen müssen die Gläubigen auch in unserer Zeit, ja heute noch mehr als früher, zu jenen Mitteln greifen, welche die Kirche schon immer empfohlen hat, um ein keusches Leben zu führen: Zucht der Sinne und des Geistes, Wachsamkeit und Klugheit, um die Gelegenheiten zur Sünde zu vermeiden, Wahrung des Schamgefühls, Maß im Genuß, gesunde Beschäftigungen, eifriges Gebet und häufiger Empfang der Sakramente der Buße und der Eucharistie. Vor allem die Jugend soll die Verehrung der unbefleckt empfangenen Gottesmutter eifrig pflegen und sich ein Beispiel nehmen am Leben der Heiligen und der anderen Gläubigen, insbesondere jener Jugendlichen, die sich durch keusche Reinheit ausgezeichnet haben. Vor allem sollen alle die Tugend der Keuschheit und ihren strahlenden Glanz hochschätzen. Sie erhöht die Würde des Menschen und macht ihn fähig zu wahrer, hochherziger, selbstloser Liebe, die den anderen achtet.

13.

Der Auftrag der Bischöfe ist es, den Gläubigen die sittliche Lehre über die Sexualität darzulegen, wie groß auch die Schwierigkeiten sein mögen, die sich aus den heute gängigen Denk- und Lebensgewohnheiten der Erfüllung dieser Aufgabe entgegenstellen. Die überlieferte Lehre muß vertieft und so dargelegt werden, daß die Gläubigen auf Grund einer entsprechenden Gewissensbildung mit den neu entstandenen Situationen fertig zu werden verstehen. Ferner soll sie behutsam auch das mitbeachten, was an Wahrem und Nützlichem über Sinn, Bedeutung und Macht der menschlichen Sexualität gesagt werden kann. Indes müssen die Prinzipien und Normen des sittlichen Lebens, die durch diese Erklärung neu bekräftigt wurden, treu beachtet und auch dargelegt werden. Vor allem wird man die Gläubigen davon überzeugen, daß die Kirche bei der Wahrung dieser Grundsätze nicht veralteten »Tabus« nachhängt oder, wie oft behauptet wird, dem Vorurteil des Manichäismus erliegt; sie weiß vielmehr mit Sicherheit, daß diese Grundsätze der göttlichen Schöpfungsordnung und dem Geist Christi und darum auch der Würde des Menschen entsprechen.

Aufgabe der Bischöfe ist es auch, darüber zu wachen, daß an den Theologischen Fakultäten und in den Seminaren im Licht des Glaubens und unter Führung des kirchlichen Lehramtes eine gesunde Lehre vorgetragen wird. Ebenso werden sie darum bemüht sein, daß das Gewissen der Beichtväter richtig gebildet ist und die katechetische Unterweisung so erfolgt, daß die katholische Lehre treu und unverkürzt weitergegeben wird.

Den Bischöfen, Priestern und ihren Mitarbeitern kommt es zu, die Gläubigen dazu anzuhalten, wachsam zu sein gegen irrige Ansichten, die oft in Büchern, Zeitschriften oder öffentlichen Vorträgen geäußert werden.

Vor allem die Eltern und Jugenderzieher werden sich bemühen, ihre Kinder und Schüler durch eine ganzheitliche Erziehung zu einer entsprechenden seelischen, affektiven und sittlichen Reife zu führen. Sie werden sie deshalb auch auf diesem Gebiet mit Klugheit und in einer dem Alter angemessenen Art unterweisen sowie beharrlich ihren Willen zu christlicher Lebensgestaltung heranbilden, nicht nur durch Ratschläge, sondern vor allem durch das Beispiel ihres eigenen Lebens, gestützt durch die Hilfe Gottes, die er ihnen auf ihr Gebet hin gewähren wird. Auch sollen sie die Jugend vor den vielen Gefahren schützen, von denen sie noch nicht die geringste Ahnung hat.

Die Künstler, Schriftsteller und jene, die im Bereich der sozialen Kommunikation tätig sind, müssen ihren Beruf in Übereinstimmung mit ihrem christlichen Glauben ausüben und sich des großen Einflusses bewußt sein, den sie auszuüben vermögen. Sie sollen bedenken, »daß der Vorrang der objektiven sittlichen Ordnung in allem und für alle gilt«44 und daß es ihnen nicht erlaubt ist, diese aus angeblichen ästhetischen oder aus wirtschaftlichen Gründen oder um des Erfolges willen hintanzusetzen. Mag es um Werke der Kunst oder Literatur, um Schauspiele oder um die Verbreitung von Nachrichten gehen: jeder muß auf seinem Gebiet Taktgefühl, Diskretion, Augenmaß und einen Sinn für die rechte Ordnung der Werte beweisen. Statt zur wachsenden Aufweichung der Sitten beizutragen, werden sie auf diese Weise helfen, dem Verfall Einhalt zu gebieten oder sogar das sittliche Klima in der menschlichen Gesellschaft zu verbessern.

Alle gläubigen Laien werden entsprechend ihren Rechten und Pflichten im Apostolat im gleichen Sinne ihren Beitrag leisten.

Schließlich seien alle an die Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils erinnert: »Die Heilige Synode erklärt: Die Kinder und Heranwachsenden haben ein Recht darauf, angeleitet zu werden, die sittlichen Werte mit richtigem Gewissen zu schätzen und sie in personaler Bindung zu erfassen und Gott immer vollkommener zu erkennen und zu lieben. Daher richtet sie an alle Staatenlenker und Erzieher die dringende Bitte, dafür zu sorgen, daß die Jugend niemals dieses heiligen Rechtes beraubt werde«.45

Diese Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik hat Papst Paul VI. in der dem unterzeichnenden Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre am 7. November 1975 gewährten Audienz gebilligt und bekräftigt sowie deren Veröffentlichung angeordnet.

Gegeben zu Rom, bei der Kongregation für die Glaubenslehre, am 29. Dezember 1975.

Franjo Kard. Seper
Präfekt

P. Jérôme Hamer, O. P.
Titularerzbischof von Lorium
Sekretär


 

1 Vgl. II. Vat. Konzil, Konst. Gaudium et Spes, Nr. 47: AAS 58 (1966), S. 1067.

2 Vgl. Apost. Konst. Regimini Ecclesiae Universae, 15. August 1967, Nr. 29: AAS 59 (1967), S. 897.

3 Gaudium et Spes, Nr. 16: AAS 58 (1966), S. 1037.

4 Joh 8, 12.

5 II. Vat. Konzil, Erklärung Dignitatis Humanae, Nr. 3: AAS 58 (1966), S. 931.

6 1 Tim 3, 15.

7 Dignitatis Humanae, Nr. 14: AAS 58 (1966), S. 940; vgl. Pius XI., Enz. Casti Connubii, 31. Dez. 1930: AAS 22 (1930), S. 579-580; Pius XII., Ansprache vom 2. Nov. 1954: AAS 46 (1954), S. 671-672; Johannes XXIII., Enz. Mater et Magistra, 15. Mai 1961: AAS 53 (1961), S. 457; Paul VI., Enz. Humanae Vitae, 25. Juli 1968, Nr. 4: AAS 60 (1968), S. 483.

8 Vgl. II. Vat. Konzil, Erkl. Gravissimum Educationis, Nr. 1, 8: AAS 58 (1966), S. 729-730; 734-736; Gaudium et Spes, Nr. 29, 60, 67: AAS 58 (1966), S. 1048-1049; 1080-1081; 1088-1089.

9 Gaudium et Spes, Nr. 51: AAS 58 (1966), S. 1072.

10 Ebd., vgl. auch Nr. 49: a.a.O., S. 1069-1070.

11 Ebd., Nr. 49, 50: a.a.O., S. 1069-1072.

12 Die vorliegende Erklärung erörtert nicht weiter die sittlichen Normen des geschlechtlichen Lebens in der Ehe, da diese in den Enzykliken Casti Connubii und Humanae Vitae klar dargelegt worden sind.

13 Vgl. Mt 19, 4-6.

14 1 Kor 7, 9.

15 Vgl. Eph 5, 25-32.

16 Die geschlechtliche Vereinigung außerhalb der Ehe ist ausdrücklich verurteilt: 1 Kor 5, 1; 6, 9; 7, 2; 10, 8; Eph 5, 5; 1 Tim 1, 10; Hebr 13, 4; und mit ausdrücklicher Begründung: 1 Kor 6, 12-20.

17 Vgl. Innozenz IV., Brief Sub catholicae professione, 6. März 1254: DS 835; Pius II., verurteilte Thesen in dem Brief Cum sicut accepimus, 14. November 1459: DS 1367; Dekrete des Hl. Offiziums, 24. September 1665: DS 2045; 2 März 1679: DS 2148; Pius XI., Enz. Casti Connubii, 31. Dez. 1930: AAS 22 (1930), S. 558-559.

18 Röm 1, 24-27: »Darum lieferte Gott sie durch die Begierden ihres Herzens der Unreinheit aus, so daß sie ihren Leib durch ihr eigenes Tun entehrten: sie vertauschten die Wahrheit Gottes mit der Lüge, sie beteten das Geschöpf an und verehrten es anstelle des Schöpfers – gepriesen ist er in Ewigkeit. Amen. Darum lieferte Gott sie entehrenden Leidenschaften aus: ihre Frauen vertauschten den natürlichen Verkehr mit dem widernatürlichen; ebenso gaben die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau auf und entbrannten in Begierde zueinander; Männer trieben mit Männern Unzucht und erhielten den gebührenden Lohn für ihre Verirrung«. Vgl. auch, was der hl. Paulus über die Knabenschänder in 1 Kor 6, 10 und 1 Tim 1, 10 sagt.

19 Vgl. Leo IX., Brief Ad splendidum nitentis, 1054; DS 687-688; Dekret des Hl. Offiziums, 2. März 1679; DS 2149; Pius XII., Ansprache vom 8. Okt. 1953: AAS 45 (1953), S. 677-678; vom 19. Mai 1956: AAS 48 (1956), S. 472-473.

20 Gaudium et Spes, Nr. 51: AAS 58 (1966), S. 1072.

21 »Wenn die soziologischen Untersuchungen für uns von Nutzen sind, um die Mentalität unserer Umgebung besser kennenzulernen, die Sorgen und Nöte jener, an die wir das Wort Gottes richten, wie auch die Widerstände, die die menschliche Vernunft unserer modernen Zeit ihm entgegenhält durch die weitverbreitete Auffassung, daß es außerhalb der Wissenschaft keine berechtigte Form des Wissens gebe, so dürften die Schlußfolgerungen solcher Untersuchungen in sich selbst kein entscheidendes Wahrheitskriterium darstellen«: Paul VI., Apost. Schreiben Quinque iam anni, 8. Dez. 1970: AAS 63 (1971), S. 102.

22 Mt 22, 40.

23 Mt 19, 16-19.

24 Vgl. oben Anmerkungen 17 und 19; Dekret des Hl. Offiziums vom 18. März 1666: DS 2060; Paul VI., Enz. Humanae Vitae, Nr. 13, 14: AAS 60 (1968), S. 489-496.

25 1 Sam 16, 7.

26 Paul VI., Enz. Humanae Vitae, Nr. 29: AAS 60 (1968), S. 501.

27 Vgl. 1 Kor 7, 7. 34; Konz. von Trient, Sess. XXIV., can. 10: DS 1810; II. Vat. Konz., Konst. Lumen Gentium, Nr. 42, 43, 44: AAS 51 (1965), S. 47-51; Bischofssynode, De sacerdotio ministeriali, 2. Teil, 4 b: AAS 63 (1971), S. 915-916.

28 Mt 5, 28.

29 Vgl. Gal 5, 19-23; 1 Kor 6, 9-11.

30 1 Thess 4, 3-8; vgl. Kol 3, 5-7; 1 Tim 1, 10.

31 Eph 5, 3-8; vgl. 4, 18-19.

32 1 Kor 6, 15. 18-20.

33 Vgl. Röm 7, 23.

34 Vgl. Röm 7, 24-25.

35 Vgl. Röm 8, 2.

36 Röm 6, 12.

37 1 Joh 5, 19.

38 Vgl. 1 Kor 10, 13.

39 Eph 6, 11.

40 Vgl. Eph 6, 16, 18.

41 Vgl. 1 Kor 9, 27.

42 Lk 9, 23.

43 2 Tim 2, 11-12.

44 II. Vat. Konzil, Dekr. Inter Mirifica, Nr. 6: AAS 56 (1964), S. 147.

45 Gravissimum Educationis, Nr. 1: AAS 58 (1966), S. 730.