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KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE

 

Brief an
Pater Edward Schillebeeckx OP
*

(13. Juni 1984)

 

Hochwürdiger Pater Schillebeeckx!

Die Kongregation für die Glaubenslehre hat mit großer Aufmerksamkeit von den beiden Schreiben Kenntnis genommen, die Sie ihr mit Datum vom 26. November 1982, bzw. 30. Juli 1983 übersandt haben (im folgenden zitiert als RP oder „Réponse provisoire“, „provisorische Antwort“, und R II oder zweite Antwort), um auf die Vorbehalte zu antworten, die sie bezüglich Ihres Buches Kerkelijk Ambt (1980, 1. und 2. Auflage) abgek.: KA) — in französischer Übersetzung erschienen unter dem Titel: Le Ministere dans l’Eglise (1981) (ME) – geäußert hatte.

Sie dankt Ihnen für die Präzisierungen, die Sie ihr mitgeteilt haben; sie ist der Meinung, daß Ihre Gedanken nunmehr klargestellt scheinen und somit die Phase des Dialogs mit dem Verfasser als abgeschlossen betrachtet werden kann. Sie teilt Ihnen daher die Schlußfolgerungen mit, zu denen sie gelangt ist.

1. Die Kongregation nimmt zunächst die von Ihnen ausgesprochenen Beteuerungen hinsichtlich Ihrer Absichten zur Kenntnis. Sie vermerkt insbesondere, welche Sorgfalt Sie darauf verwendet haben, allgemein daran zu erinnern, daß der Zugang zum Priesteramt und die Befugnis zur Leitung der Eucharistiefeier zumindest unter normalen Gegebenheiten durch die Weihe mit Handauflegung im Rahmen der apostolischen Sukzession erfolgen.

2. Ziel Ihres Besuches war es jedoch offensichtlich nicht, an diesen Punkt der allgemeinen Lehre zu erinnern oder ihn abzustützen, sondern festzulegen, was die Ausnahmesituationen erfordern, und in diesem Zusammenhang eine im Vergleich zur Lehre der Kirche über das Priesteramt, einschließlich der Feier der Eucharistie, völlig neue These zu vertreten.

Denn Sie wollten teils durch die Geschichte des ersten Jahrtausends des Lebens der Kirche, teils durch ekklesiologische Überlegungen beweisen, daß „Ausnahmen von dem möglich sind“, was Sie den „normalen“ Weg nennen, und zwar so verstanden, daß es unter bestimmten Umständen (in Ausnahmesituationen) nicht dogmatisch unmöglich wäre, den Zugang zum priesterlichen Amt und die Befugnis zur Feier der Eucharistie anders als durch die Weihe in Form der Handauflegung in der apostolischen Sukzession zu erlangen (RP 15, 1. 8-10; 16, 1. 13-17; 18, letzte Zeile; 19, 1. 4-5 u. 15-17).

Sie behaupten, daß die einzelne Ortsgemeinde in sich selbst über die notwendigen Reserven verfüge, um dem Mangel an ordentlichen Priestern zu begegnen, und daß sie dazu „von den Diensten derer unter ihren Mitgliedern Gebrauch machen kann, die für diese Diakonie am besten geeignet sind“, wobei letztere nach Ihnen alles in allem lediglich eine „Akzentuierung und Spezifizierung“ der Taufe darstelle (R II 5, 1. 29-34; vgl. ebd. 3, 1. 18-21; 7, 1. 32-33).

Diese „außerordentlichen Amtsträger“ empfangen, so sagen Sie, einfach aufgrund der Tatsache ihrer Berufung durch die Gemeinde und ihrer „Einsetzung in der und für die Gemeinde“ (KA 2, 85; ME, 112m) eine wirkliche „Befugnis“, die ihnen gestattet, „den Umständen entsprechend alles zu tun, was für das Gemeindeleben einer Kirche Gottes notwendig ist“; diese Befugnis ist nicht nur „Erlaubnis“ (im kanonischen Sinn), sondern „sakramentale Gewalt“ (RP 8, 1. 12-17; R II 6, 1. 30-31). Sie empfangen „das ,sacramentum ordinis“ (das Sakrament der Priesterweihe)“, das ihnen „auf außergewöhnliche Weise“ (R II, 8, 1. 19-20; 6, 1. 30-32), ohne Einreihung in die Nachfolge der Apostel, im technischen Verständnis dieses Ausdrucks, übertragen wird (R II 6, 1. 6-8). Kraft dessen „geschieht in einer ,außergewöhnlichen sakramentalen Feier nichts, was von dem verschieden wäre, das in einer Feier durch einen ordentlichen Amtsträger erfolgt; in beiden Fällen ist es die Kirche selbst, die im Glauben durch die Feier ihr Heil verwirklicht“ (R II 3, 1. 26-29).

3. Als Sie das schrieben, meinten Sie, daß die früheren Erklärungen des Lehramtes in keiner Weise Ausnahmesituationen berücksichtigten und das Problem infolgedessen offenstünde (vgl. R II 2, 1. 12-20). Was nun die Auslegung der lehramtlichen Dokumente betrifft, so hat sich die Glaubenskongregation in ihrem Schreiben Sacerdotium ministeriale (6. August 1983) in autorisierter Weise dazu geäußert; sie hat das kraft ihres Sendungsauftrages getan, die Lehre der Kirche zu schützen (vgl. Regimini Ecclesiae Universae, Nr. 29), und hat erklärt, daß die innere Logik dieser Dokumente den außergewöhnlichen Weg, von dem Sie meinen, ihn vorschlagen zu können, ausschließe. Daraus ergibt sich, daß wir uns hier nicht vor einer „offenen Frage“ befinden und daß „das letzte Wort“ gesprochen worden ist (vgl. R II 8, 1. 21-29). Denn dieses Schreiben ruft in Erinnerung, daß die Apostolizität der Kirche nicht nur in der „Übereinstimmung ihres Lehramtes mit der Glaubenslehre der Apostel“, sondern durch „die Fortführung des Auftrags der Apostel durch die Struktur der Nachfolge“ zur Geltung kommt, „kraft derer die den Aposteln übertragene Sendung bis ans Ende der Zeiten fortdauern soll“ (III. 2-3).

Ebenso unterstreicht es, daß es „in der christlichen Gemeinde – deren hierarchische Gliederung ihr göttlicher Stifter so gewollt hat, unbeschadet der gleichen Würde aller vor Gott – seit den Anfängen besondere apostolische Ämter (peculiaria apostolica munera) gibt, die aus dem Weihesakrament hervorgehen“ (III, 3, 2). Daraus ergibt sich, daß „keine Gemeinde die Vollmacht besitzt, das apostolische Dienstamt, das grundsätzlich vom Herrn gewährt wird, zu übertragen“ (III, 2, 3).

„Unter den Aufgaben, die Christus ausschließlich den Aposteln und deren Nachfolgern übertragen hat, ragt in besonderer Weise die Vollmacht heraus, die Eucharistie zu feiern. Allein den Bischöfen, ebenso den Priestern, denen die Bischöfe selbst Anteil an ihrem Amt gegeben haben, ist daher die Vollmacht vorbehalten, im eucharistischen Geheimnis neu zu vollziehen, was Christus beim Letzten Abendmahl getan hat“ (III, 4, 1). Infolgedessen „bekennt die Kirche, daß das eucharistische Geheimnis in keiner Gemeinde gefeiert werden kann, es sei denn durch die Hände eines geweihten Priesters, wie es das Vierte Laterankonzil ausdrücklich gelehrt hat“ (III, 4, 3).

Schon allein die Tatsache, Ausnahmen von diesen kirchlichen Lehren ins Auge zu fassen, „verletzt (daher) die gesamte apostolische Struktur der Kirche und zerstört die Heilsökonomie der Sakramente“ (III, 1).

4. Für die Glaubenskongregation hat es nicht den Anschein, daß Sie Ihre Einstellung seit damals geändert haben. So hält sie denn den Augenblick für gekommen, Ihnen offiziell mitzuteilen, daß in der Frage bezüglich des außerordentlichen Dieners der Eucharistie „das letzte Wort“ gesprochen wurde und „das pastorale Lehramt der Kirche“ (vgl. R II 8, 1.25) sich geäußert hat. Anderseits hat es sich wegen des Ansehens, das Sie sich auf theologischem Gebiet erwerben konnten, und aufgrund der Tatsache, daß Ihr Werk in verschiedene Sprachen übersetzt worden ist, als unerläßlich erwiesen, daß Sie selbst öffentlich die Lehre der Kirche und die Notwendigkeit anerkennen, andere als die von Ihnen empfohlenen Wege zu beschreiten, um die Probleme zu lösen, die Sie in diese Richtung gelenkt hatten. Die Gläubigen und alle anderen eventuellen Leser haben ein Recht auf diese Richtigstellung.

Die Kongregation muß Sie folglich bitten, ihr innerhalb der ordnungsgemäßen Frist (das sind 30 Tage nach Erhalt dieses Briefes) mitzuteilen, daß Sie der Lehre des Schreibens Sacerdotium ministeriale zustimmen sowie anerkennen, daß in Sachen des Glaubens und der sakramentalen Praxis die letzte Verantwortung dem Lehramt zukommt. Schließlich sieht sie vor, daß die Veröffentlichung dieses Briefes – so Gott will – von Ihrer Zustimmungserklärung begleitet wird.

Nehmen Sie, hochwürdiger Pater, den Ausdruck respektvoller Hochachtung im Herrn entgegen.

 

JOSEPH Kardinal RATZINGER
Präfekt

 

Erzbischof Alberto BOVONE
Sekretär

 

 

* L’Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 5, 16. Januar 1985, Seite 5 (AAS 77 [1985], 994-997).

 

 

 

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