Notifikation über die Schriften von P. Anthony de Mello SJ - Kongregation für die Glaubenslehre
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Die Schriften des indischen Jesuiten P. Anthony de Mello (1931-1987) haben in vielen Ländern und unter Menschen unterschiedlicher Herkunft eine beachtliche Verbreitung gefunden.1 De Mello hat in seinen, in unmittelbarem und leicht zu lesendem Stil, zumeist in Form von kurzen Erzählungen geschriebenen Werken einige wichtige Elemente der fernöstlichen Weisheit zusammengetragen, die dabei helfen können, Selbstbeherrschung zu erlangen, jene affektiven Bindungen zu lösen, die uns davon abhalten, wirklich frei zu sein, Egozentrik zu vermeiden, sich gelassen den Wechselfällen des Lebens zu stellen, ohne sich dabei von der Außenwelt beeinflussen zu lassen, und zugleich den Reichtum der Welt um uns herum wahrzunehmen. Diese positiven Werte, die man in vielen Schriften von Pater de Mello finden kann, sollen hier berechtigterweise angeführt werden. Vor allem in den Werken, die auf die ersten Jahre seines Wirkens als Leiter von geistlichen Übungen zurückgehen, bewegte er sich, obwohl er eine deutliche Beeinflussung durch spirituelle Strömungen des Buddhismus und Taoismus verrät, unter vielerlei Gesichtspunkten noch innerhalb der Grenzen der christlichen Spiritualität: er spricht von der Erwartung - im Schweigen und im Gebet - der Herabkunft des Heiligen Geistes, der reinen Gabe des Vaters (Incontro con Dio, 11-13). Er zeigt uns sehr gut das Gebet Jesu auf und jenes Gebet, das er selbst uns auf der Grundlage des Vaterunser lehrt (ebd., 40-43). Auch spricht er vom Glauben, von der Reue, von der Betrachtung der Geheimnisse des Lebens Christi gemäß der Methode des hl. Ignatius. In seinem ersten Werk Sädhana. Un cammino verso Dio, im Jahre 1978 zum ersten Mal veröffentlicht, nimmt Jesus - vor allem im Schlußteil (Die Frömmigkeit, S. 175-235) -eine zentrale Stellung ein: Es ist die Rede vom Bittgebet, vom Fürbittgebet, so wie es uns Jesus im Evangelium lehrt, vom Lobpreis und von der Anrufung des Namens Jesu. Das Buch ist der hl. Jungfrau, dem Vorbild der Kontemplation gewidmet (S. 11).

Aber bereits in diesem Band entwickelt er seine Theorie von der Meditation als Selbstbewußtsein (oder Bewußtsein), die nicht frei von Doppeldeutigkeiten zu sein scheint. Schon zu Anfang des Werkes wird der Begriff der christlichen Offenbarung mit jener des Laotse gleichgestellt, mit einer gewissen Vorliebe für die Definition des letzteren: »“Schweigen ist die große Offenbarung“, hat Laotse gesagt. Wir haben uns daran gewöhnt, die Heilige Schrift für die Offenbarung Gottes zu halten. Und das ist auch richtig. Nun aber sollst du die Offenbarung des Schweigens entdecken« (S. 15, vgl. S. 18).

Bei den Wahrnehmungen unserer Körperempfindungen treten wir bereits mit Gott in Kommunikation (S. 44). Eine Kommunikation, die folgendermaßen erklärt wird: »Viele Mystiker erklären, daß wir außer Verstand und Herz, mit denen wir gewöhnlich mit Gott in Kommunikation treten, auch einen mystischen Verstand und ein mystisches Herz besitzen, ein Vermögen, das uns unmittelbar mit Gott in Beziehung setzen kann, mit dem wir Gottes eigentliches Wesen fassen und intuitiv erkennen - wenn auch auf dunkle Weise« (ebd.). Aber diese intuitive Erkenntnis, ohne Bilder und Gestalt, ist das Erkennen einer Leere: »Doch wohin soll ich schauen, wenn ich auf Gott blicke? Auf eine bildlose, gestaltlose Wirklichkeit, in eine Leere« (S. 45). Um mit dem Unendlichen zu kommunizieren, muß man »in eine Leere blicken«.  So gelangt man zu der »scheinbar beunruhigenden Schlußfolgerung, dass Konzentration auf deinen Atem und auf deine Körperempfindungen gute und richtige Meditation im strengen Sinne des Wortes ist« (S. 51 ).2 In anderen, nachfolgenden Werken ist die Rede vom »wach werden«, von der inneren Erleuchtung und der Erkenntnis: »Wie sollen wir wach werden? Wie können wir wissen, ob wir schlafen? Die Mystiker empfinden, wenn sie all das sehen, was sie umgibt, eine große, aus dem Herzen der Dinge fließende Freude. Übereinstimmend sprechen sie über diese Freude und über die Liebe, die alles erfüllt ... Wie können wir dorthin gelangen? Durch Verständnis und indem wir uns von Illusionen und verzerrten Ideen befreien« (Istruzioni di volo per aquile e polli, 77; vgl. Chiamati all’amore, 178). Die innere Erleuchtung ist die wahre Offenbarung, weitaus wichtiger als jene, die uns in der Heiligen Schrift gegeben wird: »Ein Guru versprach einem Gelehrten eine Offenbarung, die weitaus wichtiger war, als alle anderen in den Schriften enthaltenen Offenbarungen ... Wenn du die Erkenntnis besitzt, benutzt du eine Fackel, um den Weg zu beleuchten. Wenn du die Erleuchtung besitzt, wirst du selber zur Fackel« (La preghiera della rana, I, 126-127). »Die Heiligkeit ist keine Errungenschaft, die Heiligkeit ist eine Gnade. Eine Gnade, die wir »Erkenntnis« nennen, eine Gnade, die »anschauen«, »beobachten«, »verstehen« bedeutet. Wenn du doch endlich das Licht der Erkenntnis entzünden würdest und dich selbst und alles, was sich im alltäglichen Leben um dich herum befindet, beobachten würdest. Sähest du dich selbst im Spiegel der Erkenntnis, so wie du dein Gesicht in einem Spiegel sehen kannst... ohne dabei ein Urteil oder eine Verurteilung auszusprechen, dann würdest du bemerken, welch wunderbare Veränderungen sich in dir vollziehen« (Chiamati all’amore, 176).

In diesen nachfolgenden Schriften gelangte P. de Mello zunehmend zu Auffassungen über Gott, die Offenbarung, Christus, die letzte Bestimmung des Menschen usw., die mit der Lehre der Kirche unvereinbar sind. Da viele seiner Bücher nicht in lehrhaftem Stil geschrieben sind, sondern in Form von Sammlungen kurzer, oft äußerst geistreicher Erzählungen, besteht allzu leicht die Gefahr, daß die ihnen zugrundeliegenden Ideen unbeachtet bleiben. Daher scheint es notwendig, die Aufmerksamkeit auf einige Aspekte seines Denkens zu lenken, die in unterschiedlichen Formen in seinem gesamten Werk auftauchen. Wir werden uns dabei jener Texte des Autors bedienen, die, trotz ihrer je eigentümlichen Charakteristika, in aller Klarheit dessen zugrundeliegendes Denken aufzeigen.

Bei verschiedenen Gelegenheiten trifft P. de Mello Aussagen über Gott, die dessen personalen Charakter nicht zur Kenntnis nehmen, ja sogar explizit leugnen, und die ihn auf eine vage, allgegenwärtige kosmische Realität verkürzen wollen. Niemand könne und dabei helfen, Gott zu finden, ebenso wie niemand dem Fisch helfen kann, den Ozean zu finden (vgl. Un minuto di saggezza, 77; Messaggio per un’aquila che si crede un pollo, 115). Dementsprechend sind Gott und wir nicht eine Sache, aber auch nicht zwei, wie die Sonne und ihr Schein, ebenso wie der Ozean und die Wellen weder eines noch zwei Dinge sind (Un minuto di saggezza, 44). Noch weitaus deutlicher zeigt sich das Problem der personalen Gottheit in folgender Aussage: »Dag Hammerskjöld, der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, hat einen sehr schönen Satz gesagt: „Gott wird nicht an dem Tag sterben, an dem wir aufhören, an eine personale Gottheit zu glauben“« (Messaggio per un’aquila che si crede un pollo, 140; ebenso in La iluminación es la espiritualidad, 60). »Wenn Gott die Liebe ist, dann ist der Abstand zwischen Gott und dir genau der Abstand zwischen dir und dem Bewußtsein deiner selbst« (Shock di un minuto, 287).

Oftmals wird insbesondere jeder Versuch, Gott in Worte zu fassen, mit Kritik und Ironie bedacht, wobei von einem einseitigen und überzogenen Apophatismus als logischer Konsequenz jenes oben erwähnten Gottesbildes ausgegangen wird. Die Beziehung zwischen Gott und seiner Schöpfung wird häufig durch das hinduistische Bild des Tänzers und des Tanzes ausgedrückt: »Ich sehe Jesus Christus und Judas, ich sehe die Opfer und die Verfolger, die Henker und die Gekreuzigten: eine einzige Melodie, zusammengesetzt aus entgegengesetzten Noten ... ein einziger Tanz aus unterschiedlichen Schritten... Endlich stelle ich mich vor Gott. Ich sehe ihn als Tänzer und diese ganze verrückte, unsinnige, erheitender, beängstigende, herrliche Sache, die wir Leben nennen, als einen Tanz...« (Alle sorgenti, 178-179; vgl. Il canto degli uccelli, 30). Was oder wer ist Gott und was sind die Menschen in diesem »Tanz«? Und weiter: »Wenn du Gott sehen willst, betrachte direkt die Schöpfung. Weise sie nicht zurück, denke nicht über sie nach. Beschränke dich darauf, zu betrachten« (S. 41). Schwer ersichtlich, wie hier die Vermittlung Christi bei der Erkenntnis des Vaters hereinpassen soll. »Gott hat mit der Vorstellung, die ihr von ihm habt, nichts zu tun ... Es gibt ein einziges Mittel, um ihn kennenzulernen: das Nicht-Erkennen« (Istruzioni di volo per aquile e polli, 11; 12-13; Messaggio per un’aquila che si crede un pollo, 136; Preghiera della rana, Bd. 1, 351). Deshalb könne über Gott nichts ausgesagt werden: »Der Atheist begeht den Irrtum, das zu leugnen, worüber man nichts aussagen kann. ..Und der Theist begehrt den Irrtum, es zu bejahen« (Shock di un minuto, 30; 360).

Nicht einmal die Schriften - auch nicht die Bibel - lassen uns Gott erkennen, sie sind wir Straßenschilder, die nichts über die Stadt selbst aussagen, auf die ich mich zubewege: »Ich komme an ein Schild, auf dem „Bombay“ steht. Dieses Schild ist nicht Bombay und es ähnelt ihm auch nicht, und noch weniger gibt es ein Bild von Bombay. Es ist ein Zeichen. Dies sind auch die Schriften, ein Zeichen« (Istruzioni di volo per aquile e polli, 12). Diesem Bild zufolge könnte man glauben, daß sich das Verkehrszeichen erübrigt, wenn man am Bestimmungsort angekommen ist. Und eben dies scheint P. Anthony de Mello zu behaupten: »Die Bibel spielt einen herausragenden Part, sie ist der Finger, der uns das Licht zeigt. Benutzen wir ihre Worte, um weiterzugehen und zum Schweigen zu gelangen« (ebd.). Die Offenbarung Gottes drückt sich paradoxerweise nicht in seinem Wort aus, sondern in seinem Schweigen (vgl. auch Un minuto di saggezza, 129; 167; 201; Messaggio per un’aquila che si crede un pollo, 112-113). »In der Bibel wird uns nur der Weg angezeigt, wie dies auch in den muslimischen und buddhistischen Schriften geschieht« (La iluminación es la espiritualidad, 64).

Deshalb wird uns ein unpersönlicher Gott verkündet, der über allen Religionen steht, während man Einwände gegen die christliche Verkündigung des Gottes der Liebe vorbringt, welcher mit der Heilsnotwendigkeit der Kirche unvereinbar sei: »Mein Freund und ich gingen zum Jahrmarkt. Zum internationalen Jahrmarkt der Religionen ... Am jüdischen Stand wurden Flugblätter verteilt, auf denen stand, daß Gott barmherzig sei und daß die Juden sein auserwähltes Volk seien. Die Juden. Kein anderes Volk sei so erwählt wie die Juden. Am muslimischen Stand erfuhren wir, daß Gott barmherzig und Mohammed sein einziger Prophet sei. Das Heil kommt durch unser Hören auf den einzigen Propheten Gottes. Am christlichen Stand entdeckten wir, daß Gott die Liebe ist und daß es außerhalb der Kirche kein Heil gibt. Trete in die Kirche ein oder du riskierst die ewige Verdammnis. Als wir fortgingen, fragte ich meinen Freund: „Wie denkst du über Gott?“ Er antwortete „Er ist scheinheilig, fanatisch und grausame“. Zu Hause angekommen sagte ich zu Gott: „Warum organisierst du solche Sachen, Herr? Siehst du denn nicht, daß sie dir seit Jahrhunderten einen schlechten Ruf einbringen?“. Gott antwortete: „Ich habe den Jahrmarkt nicht organisiert. Ich würde mich sogar schämen, dorthin zu gehen“« (Il canto degli uccelli, S. 186 f., die Erzählung La fiera internazionale delle religioni, vgl. auch S. 190-191, S. 194). Die Lehre der Kirche über den universalen Heilswillen Gottes sowie über das Heil der Christen wird hier nicht korrekt dargestellt. Ebensowenig wie die Lehre über die christliche Botschaft vom Gott der Liebe: „Gott ist die Liebe. Und er liebt und belohnt uns auf ewig, wenn wir seine Gebote halten“. „Wenn?“, sagte der Meister. „Dann ist die Botschaft doch nicht so gut, nicht wahr?“« (Shock di un minuto, 218; 227). Jede konkrete Religion hindert uns daran, zur Wahrheit zu gelangen. Über die Religion im allgemeinen wird dasselbe ausgesagt, was wir über die Schriften gehört haben: »Alle Fanatiker möchten sich an ihren Gott halten und ihn zum einzigen Gott machen« (La iluminación es la espiritualidad, 65; 28; 30). Das, worauf es ankomme, sei die Wahrheit, egal ob sie nun von Buddha oder Mohammed komme, da »es wichtig ist, die Wahrheit dort zu entdecken, wo alle Wahrheiten zusammenfließen, weil die Wahrheit eins ist« (ebd., 65). »Der Großteil der Menschen hat leider genug Religion, um zu hassen, aber nicht genügend, um zu lieben« (La preghiera della rana, Bd. 1, 146; 56-57; 133). Bei einer Aufzählung der Hindernisse, die uns davon abhalten, die Wirklichkeit zu sehen, nimmt die Religion den ersten Platz ein: »Erstens dein religiöser Glaube. Wenn du das Leben eines Kommunisten oder Kapitalisten, eines Moslems oder Juden betrachtest, lebst du ein vorgefaßtes und tendenziöses Leben: ein Hindernis, eine Fettschicht zwischen der Wirklichkeit und deinem Geist, dem es nicht mehr gelingt, sie direkt zu sehen und zu berühren« (Chiamati all’amore, 62). »Besäße jeder Mensch ein solches Herz, würde sich niemand mehr als „Kommunist“, „Kapitalist“, „Christ“, oder „Moslem“ oder „Buddhist“ bezeichnen. Die leuchtende Klarheit ihrer Auffassungen würde ihnen enthüllen, daß alle Gedanken, alle vorgefaßten Meinungen, jeder Glaube Lampen voller Finsternis sind, nichts anderes als Zeichen ihrer eigenen Unwissenheit« (ebd., 172; vgl. auch Un minuto di saggezza, 169; 227, über die Gefahren der Religion). Das, was hier über die Religion behauptet wird, wird auch konkret über die Schriften ausgesagt (vgl. Il canto degli uccelli, 186 f.; Shock di un minuto, 28).

Die göttliche Abstammung Jesu wird in der göttlichen Herkunft der Menschen verwässert: »Worauf Gott erwiderte: „Ein Feiertag ist heilig, weil er zeigt, daß alle Tage des Jahres heilig sind. Und ein Heiligtum ist heilig, weil es zeigt, daß alle Orte geheiligt sind. So wurde Christus geboren, um zu zeigen, daß alle Menschen Kinder Gottes sind“« (II canto degli uccelli, 186f.) Gewiß zeigt de Mello eine persönliche Zuneigung zu Christus, er erklärt sich zu dessen Jünger (Alle sorgenti, 13. 99), an den er glaubt (S. 108) und dem er persönlich begegnet (S. 109 ff., 117 ff.). Seine Gegenwart verwandelt (vgl. S. 90 f.). Andere Aussagen jedoch erweisen sich als bestürzend: Jesus wird als ein Lehrer unter vielen genannt: »Laotse und Sokrates, Buddha und Jesus, Zarathustra und Mohammed« (Un minuto di saggezza, 13). Jesus am Kreuz erscheint als jener, der sich von allem völlig freigemacht hat: »Ich sehe den aller Dinge beraubten Gekreuzigten: Seiner Würde beraubt... Seines guten Rufes beraubt... Jeglicher Unterstützung beraubt... Seines Gottes beraubt... Während ich jenen leblosen Körper betrachte, verstehe ich nach und nach, daß ich das Symbol der höchsten und totalen Befreiung anschaue. Gerade weil er ans Kreuz genagelt ist, wird Jesus lebendig und frei. So betrachte ich nun also die Erhabenheit jenes Menschen, der sich all dessen entledigt hat, was uns versklavt und unser Glück zerstört...« (Alle sorgenti, 92-93). Jesus am Kreuz ist der von allen Bindungen freie Mensch und wird so zum Symbol der inneren Befreiung von all unseren Anhänglichkeiten. Ist er aber nicht etwas mehr als der freie Mensch? Ist Jesus mein Retter, oder verweist er mich nur auf eine geheimnisvolle Wirklichkeit, die er errettet hat?: »Herr, werde ich nie mit der Quelle, aus der deine Worte und deine Weisheit hervorsprudeln, in Kontakt treten?... Werde ich nie die Quellen deines Mutes finden?« (ebd., 116). »Der schönste Aspekt an Jesus ist, daß er sich unter Sündern deshalb so wohl fühlt, weil er wußte, daß er in nichts besser war als sie ... Der einzige Unterschied zwischen Jesus und den Sündern war, daß er wach war und sie nicht« (Messaggio per un’aquila che si crede un pollo, 37; vgl. auch La iluminación es la espiritualidad, 30,62). Die Gegenwart Christi in der Eucharistie sei nichts anderes als ein Symbol, das uns auf eine tiefere Wirklichkeit verweist, nämlich auf die Gegenwart Christi in der Schöpfung: »Die ganze Schöpfung ist der Leib Christi, und du glaubst, er bestünde nur in der Eucharistie. Die Eucharistie weist auf diese Schöpfung hin. Der Leib Christi ist überall und du allein bemerkst, daß er ein Zeichen ist und doch auf das Wesentliche, nämlich das Leben hinweist« (La iluminación es la espiritualidad, 61).

Das Sein des Menschen scheint zur Auflösung bestimmt zu sein, so wie beim Salz, das sich im Wasser auflöst: »Bevor jenes letzte Stückchen sich auflöste, rief die (Salz)Puppe erstaunt aus: „Jetzt weiß ich, wer ich bin!“« (Il canto degli uccelli, 134). An anderer Stelle wird die Frage des Lebens nach dem Tod für unerheblich erklärt: »Gibt es ein Leben vor dem Tod ... das ist hier die Frage, antwortete der Meister geheimnisvoll« (Un minuto di saggezza, 93, 37). »Ein gutes Zeichen dafür, daß ihr wach seid, ist, daß ihr euch nicht im geringsten darum kümmert, was im künftigen Leben geschehen wird. Dieser Gedanke verwirre euch nicht, er hat für euch keinen Wert. Er interessiert euch nicht, Schluß, aus!« (Messaggio per un’aquila che si crede un pollo, 50-51; 166). Und vielleicht noch deutlicher: »Warum soll man sich ums Morgen kümmern? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Werde ich nach dem Tod noch leben? Warum soll man sich ums Morgen kümmern? Tretet in die Gegenwart ein« (ebd., 126). »Die Vorstellung, die sich die Menschen von der Ewigkeit machen, ist töricht. Sie glauben, daß sie ewig dauere und daher außerhalb der Zeit sei. Das ewige Leben ist jetzt und hier« (La iluminación es la espiritualidad, 42).

An verschiedenen Stellen seiner Bücher werden wahllos kirchliche Institutionen kritisiert: »Profis haben völlig die Kontrolle über mein religiöses Leben übernommen ...« (Il canto degli uccelli, 74 f.). Die Funktion des Credo oder Glaubensbekenntnisses wird negativ beurteilt, so als würde es den persönlichen Zugang zur Wahrheit und zur Erleuchtung versperren. Ebenso in unterschiedlichsten Varianten im selben Werk S. 50; 59; 62 f.; 212. »Wenn du es nicht mehr nötig hast, dich an die Worte der Bibel zu klammern, dann ist es soweit, daß diese sich für dich in etwas sehr schönes verwandeln wird, das dir das Leben und seine Botschaft offenbart. »Das Traurige ist, daß die offizielle Kirche sich damit befaßte, das Idol einzurahmen, es einzusperren, zu verteidigen und zu vergegenständlichen, ohne dabei zu erkennen, was es wirklich bedeutet« (La iluminación es la espiritualidad, 66). Ähnliche Ideen werden in La preghiera della rana, Bd. I, 21; 133; 135; 139 dargelegt: »Ein öffentlicher Sünder wurde exkommuniziert und man verbot ihm, die Kirche zu betreten. Er klagte Gott sein Leid. „Sie lassen mich nicht eintreten, weil ich ein Sünder bin“. „Warum beklagst du dich?“, sagte Gott. „Sie lassen nicht einmal mich herein!“« (ebd., 148).

Das Böse ist lediglich Unwissen und Mangel an Erleuchtung: »Wenn Jesus das Böse sieht, nennt er es beim Namen und verurteilt es ohne Umschweife. Nur mit dem Unterschied, daß dort, wo ich Bosheit sehe, er Unwissenheit sieht: „Vater, vergib ihnen.“ (Lk 23,34)« (Alle sorgenti, 191). Mit Sicherheit spiegelt dieser Text nicht die gesamte Lehre Jesu über das Böse in der Welt und über die Sünde wider; Jesus hat die Sünder voll tiefer Barmherzigkeit aufgenommen, er hat jedoch nicht ihre Sünde geleugnet, sondern sie vielmehr zur Umkehr eingeladen. An anderen Stellen finden wir noch radikalere Behauptungen: »Nichts ist „gut“ oder „schlecht“, der Gedanke macht es dazu« (Un minuto di saggezza, 115). »In Wirklichkeit gibt es nur eine mentale Bewertung, die wir dieser oder jener Realität auferlegen« (Istruzioni di volo per aquile e polli, 100; 104-105). Es gibt keinen Grund, seine Sünden zu bereuen, da das einzige, worauf es ankommt, darin bestehe, für die Erkenntnis der Realität wach zu werden: »Weint nicht über eure Sünden. Warum solltet ihr über Sünden weinen, die ihr im Schlag begangen habt« (Messaggio per un’aquila che si crede un pollo, 33, 51, 166). Die Ursache des Bösen ist die Unwissenheit (Shock di un minuto, 260). Die Sünde existiert, aber sie ist eine Wahnsinnstat (La iluminación es la espiritualidad, 63). Reue bedeutet somit, zur Realität zurückzukehren (vgl. ebd., 48). »Die Reue ist eine Gewissenswandlung: eine von der Realität radikal verschiedene Sichtweise« (Shock di un minuto, 262).

Zwischen diesen unterschiedlichen Behauptungen gibt es bestimmt einen inneren Zusammenhang: Wenn man die Existenz eines persönlichen Gottes zurückweist, wäre es sinnlos, daß er sich in seinem Wort an uns wendet. Daher hat die Heilige Schrift keinen endgültigen Wert. Jesus ist ein Lehrer neben anderen; nur in den ersten Werken des Autors erscheint er als Sohn Gottes. Diese Behauptung hätte wenig Sinn, ginge man von dem Gottesbild aus, auf das wir uns soeben bezogen haben. Folglich kann der Lehre der Kirche kein Wert zugesprochen werden. Unser persönliches Weiterleben nach dem Tod wird problematisch, wenn Gott keine Person ist. Es ist klar, daß eine solche Vorstellung von Gott, von Christus und vom Menschen nicht mit dem christlichen Glauben zu vereinbaren ist.

Daher durfte eine klärende Stellungnahme von Seiten derer, die die Verantwortung für die Wahrung der Glaubenslehre tragen, nicht ausbleiben, um die Gläubigen vor den Gefahren zu warnen, die in den Schriften von P. Anthony de Mello liegen oder ihnen zumindest zugeschrieben werden.


1 Diesbezüglich ist anzumerken, daß nicht alle Werke von Pater Anthony de Mello von ihm selbst veröffentlicht wurden. Einige Werke wurden nach seinem Tod auf Grundlage seiner Schriften und anhand von Mitschriften oder Aufzeichnungen seiner Vorträge veröffentlicht. In den vorliegenden »Anmerkungen« wird jeweils auf die italienische Ausgabe Bezug genommen, mit Ausnahme des Textes La iluminación es la espiritualidad. Curso completo de autoliberación interior (Vida nueva 1987, S. 27/1583;66/1622).

2 Auf diese Art von Vorschlägen scheint das Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre Orationis formas vom 15. Oktober 1989, Nr. 12 (vgl. AAS 82 [1990] 369) Bezug zu nehmen: »Alia demum temere audent aequare absolutum illud, sine imaginibus et conceptibus, quod est proprium theoriae Buddhisticae, Dei maiestati, in Christo revelatae, quae supra res finitas elevatur.« Diesbezüglich ist auch an die Lehre über die Inkulturation und den interreligiösen Dialog der Enzyklika Redemptoris missio, Nn. 52-57 (vgl. AAS 83 [1991] 299-305) von Papst Johannes Paul II. zu erinnern.

 

 

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