KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE
NOTIFIKATION
Einleitung
Im Anschluss an das Studium des Buches von P. Jacques Dupuis SJ ,,Verso una teologia cristiana del pluralismo" (Brescia 1997) hat sich die Kongregation für die Glaubenslehre entschlossen, das genannte Werk einer vertieften Untersuchung gemäß dem Ordentlichen Lehrprüfungsverfahren zu unterziehen, wie es im III. Kapitel der Ordnung für die Lehrüberprüfung festgelegt ist.
Zunächst ist hervorzuheben, dass der Autor in diesem Buch Überlegungen zur Einführung in eine christliche Theologie des religiösen Pluralismus vorlegt. Es handelt sich nicht einfach um eine Theologie der Religionen, sondern um eine Theologie des religiösen Pluralismus,die im Licht des christlichen Glaubens erforschen will, welche Bedeutung die Pluralität der religiösen Traditionen im Plan Gottes für die Menschheit hat. Der Autor ist sich der Problematik seiner Darstellung bewusst und verhehlt nicht, dass seine Hypothese möglicherweise ebenso viele Fragen aufwerfen könnte, wie er Lösungen bereit hält.
Nach erfolgter Prüfung und Auswertung der Ergebnisse des Dialogs mit dem Autor habendie Kardinäle in der Ordentlichen Versammlung vom 30. Juni 1999 unter Würdigung der Gutachten und Stellungnahmen der Konsultoren im Hinblick auf die Antworten des Autors dessen Bemühen anerkannt, bei der Behandlung von bisher unerforschten Problemkreisen innerhalb der Grenzen der Rechtgläubigkeit bleiben zu wollen. Obwohl der Autor sich in seinen Antworten bereit erklärt hat, die für notwendig erachteten Klarstellungen vorzunehmen und seinen festen Willen zum Ausdruck brachte, der kirchlichen Lehre und dem Lehramt treu zu bleiben, haben die Kardinäle festgestellt, dass das Buch in wichtigen lehrmäßigen Fragen schwerwiegende Zweideutigkeiten und Schwierigkeiten aufweist, die den Leser zu irrigen und gefährlichen Meinungen verleiten können. Diese Fragen betreffen die Auslegung der einzigen und universalen Heilsmittlerschaft Christi, die Einzigkeit und Fülle der Offenbarung Christi, das universale Heilswirken des Heiligen Geistes, die Hinordnung aller Menschen auf die Kirche sowie den Wert und die Bedeutung der Heilsfunktion der Religionen. Nach Abschluss aller vom Ordentlichen Lehrprüfungsverfahren vorgesehenen Schritte hat die Kongregation für die Glaubenslehre entschieden, eine Notifikation[1] zu verfassen, um die katholische Glaubenslehre vor Irrtümern, Zweideutigkeiten oder gefährlichen Interpretationen zu schützen. Diese vom Heiligen Vater in der Audienz vom 24. November 2000 approbierte Notifikation wurde P. Jacques Dupuis vorgelegt und von ihm angenommen. Mit seiner Unterschrift hat er sich verpflichtet, den genannten Ausführungen zuzustimmen und sich in seinem künftigen theologischen Wirken und in seinen Veröffentlichungen an die in der Notifikation enthaltenen lehrmäßigen Punkte zu halten. Der Text der Notifikation muss auch in möglichen Nachdrucken oder Neuauflagen des Buches sowie in den jeweiligen Übersetzungen erscheinen.
Die Notifikation beabsichtigt nicht, ein Urteil über das subjektive Denken des Autors zu fällen, vielmehr will sie die Lehre der Kirche in Bezug auf einige Aspekte der genannten lehrmäßigen Wahrheiten darlegen und gleichzeitig irrige oder gefährliche Meinungen zurückweisen, zu denen der Leser, unabhängig von den Absichten des Autors, auf Grund zweideutiger Formulierungen oder unzureichender Erklärungen an verschiedenen Stellen des Buches gelangen kann. Auf diese Weise erhält der katholische Leser ein sicheres, mit der Lehre der Kirche übereinstimmendes Beurteilungskriterium, um zu vermeiden, dass die Lektüre des Buches zu schwerwiegenden Missverständnissen und Zweideutigkeiten führt.
I. Einzige und universale Heilsmittlerschaft Jesu Christi
1. Es ist fest zu glauben, dass Jesus Christus, der menschgewordene, gekreuzigte und auferstandene Sohn Gottes, der einzige und universale Heilsmittler der ganzen Menschheit ist.[2]
2. Es ist fest zu glauben, dass Jesus von Nazaret, der Sohn Marias und der einzige Erlöser der Welt, der Sohn und das Wort des Vaters ist.[3] Aufgrund der Einheit des göttlichen Heilsplanes, der in Jesus Christus seine Mitte findet, ist außerdem festzuhalten, dass das Heilswirken des Wortes in und durch Jesus Christus, den fleischgewordenen Sohn des Vaters, als den Heilsmittler der ganzen Menschheit verwirklicht ist.[4] Im Gegensatz zum katholischen Glauben steht deshalb die Behauptung, man könnte das Wort und Jesus oder das Heilswirken des Wortes und das Heilswirken Jesu trennen, oder die Theorie eines Heilswirkens des Wortes als solchen in seiner Gottheit, unabhängig von der Menschheit des fleischgewordenen Wortes vertreten.[5]
II. Einzigkeit und Fülle der Offenbarung in Jesus Christus
3. Es ist fest zu glauben, dass Jesus Christus der Mittler, die Vollendung und die Fülle der Offenbarung ist.[6] Im Gegensatz zum Glauben der Kirche steht deshalb die Meinung, die Offenbarung Jesu Christi sei begrenzt, unvollständig und unvollkommen. Obwohl die volle Erkenntnis der göttlichen Offenbarung erst am Tag der Wiederkunft des Herrn in Herrlichkeit erlangt wird, bietet die geschichtliche Offenbarung Jesu Christi alles, was für das Heil des Menschen notwendig ist, und bedarf keiner Vervollständigung durch andere Religionen.[7]
4. Es steht im Einklang mit der katholischen Lehre, dass die Samenkörner der Wahrheit und des Guten, die sich in den anderen Religionen finden, eine gewisse Teilhabe an den Wahrheiten sind, welche die Offenbarung Jesu Christi enthält.[8] Hingegen ist es ein Irrtum anzunehmen, dass diese Elemente des Wahren und des Guten oder einige von ihnen sich nicht letztlich vom Quellgrund der Mittlerschaft Jesu Christi herleiten.[9]
III. Universales Heilswirken des Heiligen Geistes
5. Der Glaube der Kirche lehrt, dass der Heilige Geist, der nach der Auferstehung Jesu Christi wirkt, der vom Vater gesandte Geist Christi ist, der das Heil der Christen wie der Nichtchristen wirkt.[10] Im Widerspruch zum katholischen Glauben steht deshalb die Auffassung, das Heilswirken des Heiligen Geistes könne sich über die universale Heilsordnung des fleischgewordenen Wortes hinaus erstrecken.[11]
IV. Hinordnung aller Menschen auf die Kirche
6. Es ist fest zu glauben, dass die Kirche Zeichen und Werkzeug des Heils für alle Menschen ist.[12] Es widerspricht dem katholischen Glauben, die verschiedenen Weltreligionen in Bezug auf das Heil als zur Kirche komplementäre Wege zu betrachten.[13]
7. Nach katholischer Lehre sind auch die Anhänger der anderen Religionen auf die Kirche hingeordnet und alle zur Teilhabe an ihr berufen.[14]
V. Bedeutung und Heilsfunktion der religiösen Traditionen
8. Nach katholischer Lehre ist festzuhalten, dass ,,was immer der Geist im Herzen der Menschen und in der Geschichte der Völker, in den Kulturen und Religionen bewirkt, die Vorbereitung der Verkündigung zum Ziel hat" (vgl. Lumen gentium, 16).[15] Es ist deshalb legitim, die Auffassung zu vertreten, dass der Heilige Geist das Heil in den Nichtchristen auch durch jene Elemente des Wahren und Guten bewirkt, die in den verschiedenen Religionen vorhanden sind. Die katholische Theologie bietet hingegen keinerlei Anhaltspunkt dafür, diese Religionen als solche als Heilswege zu betrachten, auch weil Lücken, Unzulänglichkeiten und Irrtümer [16] vorhanden sind, welche die Grundwahrheiten über Gott, den Menschen und die Welt betreffen.
Die Tatsache, dass die in den verschiedenen Religionen enthaltenen Elemente des Wahren und Guten die Völker und Kulturen auf die Aufnahme des Heilsereignisses Jesu Christi vorbereiten können, bedeutet nicht, dass die heiligen Schriften der anderen Religionen als komplementär zum Alten Testament betrachtet werden können, das die unmittelbare Vorbereitung auf das Christusereignis selbst ist.[17] Papst Johannes Paul II. hat in der Audienz vom 19. Januar 2001 im Licht der letzten Entwicklungen die Approbation dieser Notifikation bekräftigt, die in der Ordentlichen Versammlung dieser Kongregation beschlossen worden war, und ihre Veröffentlichung angeordnet.
Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, am 24. Januar 2001, dem Fest des Heiligen Franz von Sales.
+ JOSEPH Card. RATZINGER
+ TARCISIO BERTONE, S.D.B. [1]Die Kongregation für die Glaubenslehre hat aufgrund von Tendenzen, die sich in verschiedenen Bereichen zeigten und auch im Denken der Gläubigen immer mehr Widerhall fanden, die Erklärung Dominus Iesus. Über die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche (AAS 92 [2000] 742-765) veröffentlicht, um die wesentlichen Elemente des katholischen Glaubens zu schützen. Die Notifikation hält sich in der Beurteilung des Werkes von J. Dupuis an die in der genannten Erklärung angeführten Prinzipien.
[2]Vgl. KONZIL VON TRIENT, Dekret De peccato originale: DH 1513; Dekret De iustificatione: DH 1522, 1523, 1529, 1530; II. VAT. KONZIL, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 22; Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 8, 14, 28, 60; JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 5: AAS 83 (1991) 253-254; Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in Asia, 14: AAS 92 (2000) 470-471; KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Erklärung Dominus Iesus, 13-15.
[3]Vgl. I. KONZIL VON NIZÄA, Nizänisches Glaubensbekenntnis: DH 125; KONZIL VON CHALKEDON, Glaubensbekenntnis von Chalkedon: DH 301.
[4]Vgl. KONZIL VON TRIENT, Dekret De iustificatione: DH 1529, 1530; II. VAT. KONZIL, Konstitution Sacrosanctum Concilium, 5; Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 22.
[5]Vgl. JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 6: AAS 83 (1991) 254-255; KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Erklärung Dominus Iesus, 10.
[6]Vgl. II. VAT. KONZIL, Dogmatische Konstitution Dei verbum, 2-4; JOHANNES PAUL II., Enzyklika Fides et ratio, 14-15, 92: AAS 91 (1999) 16-18, 77-78; KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Erklärung Dominus Iesus, 5.
[7]Vgl. KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Erklärung Dominus Iesus, 6; Katechismus der Katholischen Kirche, 65-66.
[8]Vgl. II. VAT. KONZIL, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 17; Dekret Ad gentes, 11; Erklärung Nostra aetate, 2.
[9]Vgl. II. VAT. KONZIL, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 16; JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 10: AAS 83 (1991) 258-259.
[10]Vgl. II. VAT. KONZIL, Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 22; JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 28-29: AAS 83 (1991) 273-275.
[11]Vgl. JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 5: AAS 83 (1991) 253-254; Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in Asia, 15-16: AAS 92 (2000) 471-475; KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Erklärung Dominus Iesus, 12.
[12]Vgl. II. VAT. KONZIL, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 9, 14, 17, 48; JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 11: AAS 83 (1991) 259-260; KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Erklärung Dominus Iesus, 21-22.
[13]Vgl. JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 36: AAS 83 (1991) 281; KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Erklärung Dominus Iesus, 21-22.
[14]Vgl. II. VAT. KONZIL, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 13, 16; Dekret Ad gentes, 7; Erklärung Dignitatis humanae, 1; JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 10: AAS 83 (1991) 258-259; KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Erklärung Dominus Iesus, 20-22; Katechismus der Katholischen Kirche, 845.
[15]JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 29: AAS 83 (1991) 274-275.
[16]Vgl. II. VAT. KONZIL, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 16; Erklärung Nostra aetate, 2; Dekret Ad gentes, 9; PAUL VI., Apostolisches Mahnschreiben Evangelii nuntiandi, 53: AAS 68 (1976) 41-42; JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris missio, 55: AAS 83 (1991) 302-304; KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Erklärung Dominus Iesus, 8.
[17]Vgl. KONZIL VON TRIENT, Dekret De libris et de traditionibus recipiendis: DH 1501; I. VAT. KONZIL, Dogmatische Konstitution Dei Filius, cap. 2: DH 3006; KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Erklärung Dominus Iesus, 8.
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