Index   Back Top Print

[ DE  - EN  - ES  - FR  - HR  - IT  - PT ]

BENEDIKT XVI.

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 31. August 2005

 

Lesung: Psalm 127

1 Die Mühe des Menschen und der Segen Gottes [Ein Wallfahrtslied Salomos.] Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut. Wenn nicht der Herr die Stadt bewacht, wacht der Wächter umsonst.
2 Es ist umsonst, daß ihr früh aufsteht und euch spät erst niedersetzt, um das Brot der Mühsal zu essen; denn der Herr gibt es den Seinen im Schlaf.
3 Kinder sind eine Gabe des Herrn, die Frucht des Leibes ist sein Geschenk.
4 Wie Pfeile in der Hand des Kriegers, so sind Söhne aus den Jahren der Jugend.
5 Wohl dem Mann, der mit ihnen den Köcher gefüllt hat! Beim Rechtsstreit mit ihren Feinden scheitern sie nicht.

 

Psalm 127
Alle Mühen sind umsonst ohne den Herrn

Liebe Brüder und Schwestern!

1. Der soeben verkündete Psalm 127 stellt uns ein abwechslungsreiches Schauspiel vor: ein Haus im Aufbau, die Stadt mit ihren Wächtern, das Leben der Familien, die Nachtwachen, die tägliche Arbeit, die kleinen und großen Geheimnisse des Daseins. Über allem aber erhebt sich eine entscheidende Gegenwart, die des Herrn, von der die Werke des Menschen durchdrungen sind, wie die einprägsame Einleitung des Psalms sagt: »Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut« (V. 1).

Sicherlich, eine gefestigte Gesellschaft erwächst aus dem Einsatz aller ihrer Mitglieder, aber sie bedarf des Segens und der Hilfe jenes Gottes, der leider oft ausgeschlossen oder nicht wahrgenommen wird. Das Buch der Sprichwörter betont ganz entschieden den Vorrang des göttlichen Handelns zum Wohl einer Gemeinschaft, indem es bekräftigt: »Der Segen des Herrn macht reich, eigene Mühe tut nichts hinzu« (Spr 10,22).

2. Diesem Weisheitspsalm, Frucht des Nachdenkens über die alltägliche Lebenswirklichkeit, liegt ein wesentlicher Gegensatz zugrunde: Ohne den Herrn müht man sich vergeblich, ein festgefügtes Haus zu bauen, eine sichere Stadt zu errichten und die eigene Mühe Frucht bringen zu lassen (vgl. Ps 127,1–2). Mit dem Herrn hingegen erlangt man Wohlstand und Fruchtbarkeit, eine kinderreiche glückliche Familie, eine gut bewaffnete und geschützte Stadt ohne Bedrohungen und Unsicherheiten (vgl. V. 3–5).

Der Text beginnt mit dem Hinweis auf den Herrn, der als Baumeister des Hauses und Wächter, der die Stadt behütet, dargestellt wird (vgl. Ps 121,1–8). Der Mann geht morgens aus dem Haus, um für den Familienunterhalt und im Dienste der gesellschaftlichen Entwicklung zu arbeiten. Diese Arbeit erfordert alle seine Kräfte, von früh bis spät (vgl. Ps 127,2), bis ihm der Schweiß auf der Stirn steht (vgl. Gen 3,19).

3. Und doch, obwohl der Psalmist die Bedeutung der Arbeit anerkennt, zögert er nicht zu bekräftigen, daß die ganze Arbeit nutzlos ist, wenn Gott nicht dem, der sich müht, zur Seite steht. Und er sagt, daß Gott seine Freunde sogar im Schlaf belohnt. Dadurch will der Psalmist den Primat der göttlichen Gnade betonen, die dem immer von Grenzen und Hinfälligkeit gezeichneten menschlichen Tun Wert und Bestand verleiht. Wenn wir unsere Freiheit gelassen und treu dem Herrn überantworten, werden auch unsere Werke beständig und können auf Dauer Frucht bringen. Unser »Schlaf« wird so zu einer von Gott gesegneten Ruhepause und besiegelt eine Tätigkeit, die Sinn und Bestand hat.

4. An dieser Stelle gehen wir zum nächsten Bild über, das von unserem Psalm gezeigt wird. Der Herr schenkt als Gabe die Kinder, die als ein Segen und eine Gnade, als Zeichen des Lebens, das sich fortsetzt, und als Zeichen der Heilsgeschichte angesehen werden, die auf neue Epochen ausgerichtet ist (vgl. V. 3). Der Psalmist erwähnt lobend die »Söhne aus den Jahren der Jugend«: Der Vater hat in seiner Jugend Söhne gezeugt, die er nicht nur in ihrer vollen Kraft sehen wird, sondern sie werden seine Stütze im Alter sein. So kann er zuversichtlich in die Zukunft blicken, weil er einem Krieger ähnelt, der mit spitzen und siegreichen »Pfeilen«, das heißt mit Söhnen, ausgestattet ist (vgl. V. 4–5).

Das Bild, das sich an die Kultur jener Zeit anlehnt, will die Sicherheit, die Festigkeit, die Kraft einer kinderreichen Familie hervorheben, wie es im nachfolgenden Psalm 128 wiederholt wird, in dem das Bild einer glücklichen Familie gezeichnet wird.

Das Schlußbild zeigt einen Vater inmitten seiner Kinder, der am Stadttor, dem Zentrum des öffentlichen Lebens, respektvoll behandelt wird. Kinder sind also eine Gabe, die der Gesellschaft Leben und Wohlstand bringt. Das wissen wir in unseren Tagen angesichts der Völker, denen es auf Grund der Bevölkerungsabnahme an Frische, Energie und Zukunft mangelt, die von den Kindern verkörpert werden. Über allem erhebt sich aber die segnende Gegenwart Gottes, der Quelle des Lebens und der Hoffnung. 

5. Psalm 127 wurde oft von geistlichen Schriftstellern verwendet, um diese göttliche Gegenwart herauszustellen, die für das Fortschreiten auf dem Weg des Guten und des Reiches Gottes entscheidend ist. So lehrt der Mönch Jesaja (491 in Gaza gestorben) in seinem Asceticon (Logos 4,118), wenn er das Vorbild der frühen Patriarchen und Propheten in Erinnerung ruft: »Sie stellten sich unter Gottes Schutz und erbaten seinen Beistand, ohne daß sie auf die Mühe vertrauten, die sie sich gegeben hatten. Und Gottes Schutz war für sie eine befestigte Stadt, denn sie wußten, daß sie ohne Gottes Hilfe ohnmächtig waren und sprachen deshalb voll Demut mit dem Psalmisten: ›Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut. Wenn nicht der Herr die Stadt bewacht, wacht der Wächter umsonst‹« (Recueil ascétique, Abbaye de Bellefontaine 1976, SS. 74–75). Das gilt auch heute: Nur die Gemeinschaft mit dem Herrn kann unsere Häuser und Städte sichern.


Die Katechese der heutigen Audienz befaßt sich mit Psalm 127. Dieser Psalm ruft uns in Erinnerung, daß alles Mühen des Menschen nur durch den Segen Gottes dauernden Bestand erlangt. Unser Schaffen unterliegt den beschränkten menschlichen Kräften und der Dauer unseres Lebens, die wir nicht selbst bestimmen können. Dennoch empfindet der Mensch zu Recht eine tiefe Sehnsucht, diese Grenzen zu überschreiten.

Der Psalmist verweist uns auch auf das große Geschenk der Kinder. Kinder sind keine „Belästigung“ und kein „Produkt“, das persönliche Wünsche befriedigt; sie sind „eine Gabe des Herrn“ (Ps 127, 3). Gottes Segen ruht auf jenen, die dieses große Geschenk mit offenem Herzen empfangen. Ebenso wissen wir aus dem Glauben: Unsere Werke können bleibende, ja sogar ewige Frucht bringen, wenn die Gnade Gottes in uns wirkt und wir mit ihr zusammenarbeiten. Denn mit den guten Taten, die wir im Stand der Gnade vollbringen, sammeln wir unvergängliche Schätze im Himmel.

*****

Einen glaubensfrohen Gruß richte ich an die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern. Gott wacht über unser Tun und begleitet es mit seinem Segen. Vertrauen wir auf seine Gnade und danken wir ihm für das Geschenk der Kinder und für die Gabe des ewigen Lebens. Euch allen wünsche ich einen gesegneten Aufenthalt in Rom und einen guten Beginn des neuen Schuljahres sowie der Arbeit nach den Ferien!

 

 

 



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana