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EUCHARISTIEFEIER AM HOCHFEST DER HLL. APOSTEL PETRUS UND PAULUS

PREDIGT VON BENEDIKT XVI.

Petersdom
Freitag, 29. Juni 2007

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Gestern nachmittag habe ich mich in die Basilika Sankt Paul vor den Mauern begeben, wo ich die erste Vesper des heutigen Hochfestes der heiligen Apostel Petrus und Paulus gefeiert habe. Am Grab des Völkerapostels habe ich seiner gedacht und das »Paulus-Jahr« angekündigt, das aus Anlaß seiner Geburt vor 2000 Jahren vom 28. Juni 2008 bis 29. Juni 2009 stattfinden wird. Heute morgen hingegen sind wir traditionsgemäß am Grab des hl. Petrus versammelt. Zugegen sind die im vergangenen Jahr ernannten Metropolitan-Erzbischöfe, um das Pallium zu erhalten; ihnen gilt mein besonderer Gruß. Anwesend ist auch eine hohe Delegation, die vom Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., entsandt wurde. Ich heiße sie von Herzen willkommen in dankbarer Erinnerung an den 30. November vergangenen Jahres, als ich am Fest des hl. Andreas in Istanbul-Konstantinopel war. Ich grüße den griechisch-orthodoxen Metropoliten von Frankreich, Emmanuel, den Metropoliten von Sassima, Gennadios, und den Diakon Andreas. Seid willkommen, liebe Brüder! Der Besuch, den wir jedes Jahr einander abstatten, ist Zeichen für den Willen sowohl des Ökumenischen Patriarchen als auch für den Willen des Bischofs von Rom, die volle Gemeinschaft zu suchen.

Das heutige Fest gibt mir Gelegenheit, noch einmal über das Bekenntnis des Petrus, einen entscheidenden Augenblick des Weges der Jünger mit Jesus, nachzudenken. Die synoptischen Evangelien siedeln es in der Nähe von Cäsarea Philippi an (vgl. Mt 16,13–20; Mk 8,27–30; Lk 9,18–22). Johannes überliefert uns seinerseits ein anderes bedeutsames Bekenntnis des Petrus nach dem Wunder der Brotvermehrung und der Rede Jesu in der Synagoge von Kafarnaum (Joh 6,66–70). Matthäus erinnert in dem eben verlesenen Text daran, daß Simon von Jesus den Beinamen Kephas, »Fels«, erhalten hat. Jesus betont, daß er »auf diesen Felsen« seine Kirche bauen wolle, und im Blick darauf verleiht er Petrus die Schlüsselgewalt (vgl. Mt 16,17–19). Aus diesen Berichten geht klar hervor, daß das Bekenntnis des Petrus untrennbar mit dem ihm anvertrauten Hirtenauftrag gegenüber der Herde Christi verbunden ist.

Alle Evangelisten berichten, daß sich das Bekenntnis des Simon in einem entscheidenden Augenblick des Lebens Jesu ereignet – als er sich nach der Predigt in Galiläa entschlossen nach Jerusalem aufmacht, um mit dem Tod am Kreuz und der Auferstehung seine Heilssendung zu vollenden. Die Jünger sind in diese Entscheidung miteinbezogen. Jesus fordert sie auf, eine Wahl zu treffen, durch die sie sich von der Menge unterscheiden werden, um die Gemeinschaft derer zu bilden, die an ihn glauben, seine »Familie«, der Beginn der Kirche. In der Tat gibt es zwei Weisen, Jesus »zu sehen« und zu »kennen«. Die eine Weise – die der Menge – ist oberflächlicher, die andere – die der Jünger – geht tiefer und ist echter. Mit den beiden Fragen: »Für wen halten mich die Leute? – Für wen haltet ihr mich?« lädt Jesus die Jünger ein, sich dieser unterschiedlichen Sichtweise bewußt zu werden. Die Leute meinen, Jesus sei ein Prophet. Das ist nicht falsch, aber es genügt nicht; es ist nicht angemessen. Denn es geht darum, in die Tiefe zu gehen und die Einzigartigkeit der Person des Jesus von Nazaret, seine Neuheit, zu erkennen. Auch heute ist es so. Viele nähern sich Jesus sozusagen von außen. Bedeutende Gelehrte anerkennen seine geistliche und moralische Größe und seinen Einfluß auf die Geschichte der Menschheit, indem sie ihn mit Buddha, Konfuzius, Sokrates und anderen großen und weisen Persönlichkeiten der Geschichte vergleichen. Aber es gelingt ihnen nicht, ihn in seiner Einzigkeit zu erkennen. Es kommt einem in den Sinn, was Jesus während des Letzten Abendmahls zu Philippus gesagt hat: »Schon so lange bin ich bei euch und du hast mich noch nicht erkannt, Philippus?« (Joh 14,9). Jesus wird oft auch als ein großer Religionsstifter betrachtet, von dem jeder etwas nehmen kann, um sich eine eigene Überzeugung zu bilden. Wie damals, so haben also auch heute die »Leute« unterschiedliche Meinungen über Jesus. Und wie damals richtet Jesus auch an uns, die Jünger von heute, die Frage: »Ihr aber, für wen haltet ihr mich?« Wir wollen uns die Antwort des Petrus zu eigen machen. Im Markusevangelium antwortet er: »Du bist der Messias!« (8,29); bei Lukas heißt es: »… der Messias Gottes« (Lk 9,20); bei Matthäus heißt es: »Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!« (Mt 16.16); und bei Johannes: »Du bist der Heilige Gottes« (Joh 6,69). Die Antworten sind alle richtig und gelten auch für uns.

Verweilen wir bei dem Text des Matthäus, den uns die heutige Liturgie vorstellt. Nach Meinung einiger Forscher setzt die Formel, die hier auftaucht, den nachösterlichen Kontext voraus. Ja, sie sei sogar mit einer persönlichen Erscheinung des auferstandenen Jesus vor Petrus verbunden; einer ähnlichen Erscheinung, wie sie Paulus auf dem Weg nach Damaskus hatte. In Wirklichkeit ist der Auftrag, den der Herr dem Petrus gibt, in der persönlichen Beziehung verwurzelt, die der historische Jesus zu dem Fischer Simon von der ersten Begegnung an hatte, als er zu ihm sagte: »Du bist Simon, … du sollst Kephas heißen. Kephas bedeutet Fels (Petrus)« (Joh 1,42). Das unterstreicht der Evangelist Johannes, der auch Fischer ist und so wie sein Bruder Jakobus mit den beiden Brüdern Simon und Andreas zusammenarbeitete. Der Jesus, der nach der Auferstehung Saulus berief, ist derselbe, der – noch in die Geschichte eingetaucht – sich nach seiner Taufe im Jordan an die vier Brüder, allesamt Fischer, wandte, als sie noch Jünger des Täufers waren (vgl. Joh 1,35–42). Er suchte sie am Ufer des Sees von Galiläa auf und rief sie, ihm zu folgen, um »Menschenfischer« zu werden (Mk 1,16–20). Dem Petrus gab er dann einen besonderen Auftrag, weil er in ihm ein besonderes Geschenk des Glaubens seitens des himmlischen Vaters erkannt hatte. Das alles wurde natürlich erst später durch die österliche Erfahrung erhellt, aber es blieb doch in den vorösterlichen geschichtlichen Ereignissen fest verankert. Der Parallelismus zwischen Petrus und Paulus kann die Tragweite des geschichtlichen Weges des Simon mit seinem Herrn und Meister nicht schmälern, der ihm von Anfang an die Eigenschaft zuerkannte, »Fels« zu sein, auf dem er seine neue Gemeinschaft errichten würde: die Kirche.

In den synoptischen Evangelien folgt auf das Bekenntnis des Petrus immer die Ankündigung Jesu von seinem bevorstehenden Leiden. Auf diese Ankündigung reagiert Petrus heftig, weil er noch nicht verstehen kann. Und doch handelt es sich um ein grundlegendes Element, auf dem Jesus mit Nachdruck besteht. Denn die Bezeichnungen, die Petrus ihm zuerkennt: Du bist »der Messias«, »der Messias Gottes«, »der Sohn des lebendigen Gottes«, kann man nur im Licht des Geheimnisses seines Todes und seiner Auferstehung wirklich verstehen. Und das Umgekehrte ist auch wahr: Das Ereignis des Kreuzes offenbart seinen vollen Sinn nur, wenn »dieser Mann«, der am Kreuz gelitten hat und gestorben ist, »wahrhaftig Gottes Sohn« war, um mit den Worten des Hauptmanns vor dem Gekreuzigten zu sprechen (Mk 15,39). Diese Texte drücken klar aus, daß die Ganzheit des christlichen Glaubens durch das Bekenntnis des Petrus gegeben ist, das durch die Lehre Jesu über den »Weg« hin zur Herrlichkeit erleuchtet ist, das heißt über seine absolut einzigartige Weise, Messias und Sohn Gottes zu sein. Ein enger »Weg«, eine skandalöse »Weise« für die Jünger aller Zeiten, die unvermeidlich dazu neigen, wie Menschen und nicht wie Gott zu denken (vgl. Mt 16,23). Wie schon zur Zeit Jesu genügt es auch heute nicht, das rechte Glaubensbekenntnis zu besitzen: Es ist notwendig, immer wieder neu vom Herrn die besondere Weise zu erlernen, in der er Heiland und Weg ist, auf dem wir ihm folgen sollen. Wir müssen in der Tat anerkennen, daß es auch für den Gläubigen immer schwer ist, das Kreuz anzunehmen. Der Instinkt drängt uns, ihm auszuweichen, und der Versucher führt uns zu der Meinung, es sei klüger, sich selbst zu retten, als das eigene Leben zu verlieren aus Treue zur Liebe, aus Treue zum menschgewordenen Sohn Gottes.

Was war für die Leute, zu denen Jesus damals sprach, so schwer zu akzeptieren? Was ist auch heute für so viele Menschen noch so schwierig? Schwer zu akzeptieren ist die Tatsache, daß Er beansprucht, nicht nur einer der Propheten, sondern der Sohn Gottes zu sein und daß er für sich dieselbe Autorität von Gott einfordert. Als sie ihn predigen hörten, als sie sahen, wie er Kranke heilte, den Armen und Schwachen das Evangelium verkündete und die Sünder versöhnte, gelangten die Jünger nach und nach zu der Erkenntnis, daß er der Messias ist im höchsten Sinn des Wortes, das heißt, nicht ein von Gott gesandter Mensch, sondern Gott selbst, der Mensch geworden ist. Natürlich war das zu groß für sie und überstieg ihr Fassungsvermögen. Sie konnten ihren Glauben mit den Titeln der jüdischen Tradition ausdrücken: »Messias«, »Sohn Gottes«, »Herr«. Aber um der Wirklichkeit tatsächlich zuzustimmen, mußten jene Titel in gewisser Weise in ihrer tiefsten Wahrheit wiederentdeckt werden: Jesus selbst hat mit seinem Leben ihren vollen Sinn offenbart, einen immer überraschenden, ja paradoxen Sinn im Hinblick auf die gewohnten Vorstellungen. Und der Glaube der Jünger mußte sich nach und nach angleichen. Dieser Glaube ist gleichsam ein Pilgerweg, der seinen Ursprung in der Erfahrung des geschichtlichen Jesus hat, sein Fundament im österlichen Geheimnis findet, aber dann dank des Wirkens des Heiligen Geistes weiter fortschreiten muß. Dies war auch der Glaube der Kirche im Laufe der Geschichte, dies ist ebenso unser Glaube als Christen von heute. Fest gegründet auf den »Felsen« Petri ist es ein Pilgerweg zur Fülle jener Wahrheit, die der Fischer von Galiläa mit leidenschaftlicher Überzeugung bekannt hat: »Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!« (Mt 16,16).

Im Glaubensbekenntnis des Petrus, liebe Brüder und Schwestern, können wir uns eins fühlen und eins sein, trotz der Spaltungen, die im Laufe der Jahrhunderte die Einheit der Kirche zerrissen haben mit Folgen, die bis heute andauern. Im Namen der heiligen Apostel Petrus und Paulus erneuern wir heute gemeinsam mit unseren Brüdern aus Konstantinopel, denen ich noch einmal für die Anwesenheit bei unserer Feier danke, die Verpflichtung, dem Wunsch Christi, der zwischen uns die volle Einheit will, bis auf den Grund zu entsprechen. Mit den konzelebrierenden Erzbischöfen nehmen wir das Geschenk an und die Verantwortung für die Gemeinschaft zwischen dem Stuhl Petri und den Metropolitankirchen, die ihrer Hirtensorge anvertraut sind. Die heilige Mutter Gottes möge uns mit ihrer Fürsprache führen und begleiten; ihr unerschütterlicher Glaube, der den Glauben des Petrus und der anderen Apostel stärkte, möge den Glauben der christlichen Generationen, unseren Glauben, weiterhin stärken: Maria, Königin der Apostel, bitte für uns!

 

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