PASTORALBESUCH VON PAPST BENEDIKT XVI.
IM RÖMISCHEN KRANKENHAUS "SAN GIOVANNI BATTISTA"
DES SOUVERÄNEN MALTESERORDENS
PREDIGT VON BENEDIKT XVI.
I. Adventssonntag, 2. Dezember 2007
Liebe Brüder und Schwestern!
»Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern«. Diese Worte, die wir im Kehrvers des Antwortpsalms wiederholt haben, bringen sehr gut die Empfindungen zum Ausdruck, die unser Herz heute, am 1. Adventssonntag, erfüllen. Der Grund, warum wir voll Freude vorangehen können, wie uns der Apostel Paulus aufgefordert hat, liegt in der Tatsache, daß das Heil uns bereits nahe ist. Der Herr kommt! In diesem Bewußtsein beginnen wir den Weg des Advents und machen uns bereit, gläubig das außerordentliche Ereignis der Geburt des Herrn zu feiern. In den nächsten Wochen wird die Liturgie uns Tag für Tag Texte des Alten Testaments zur Betrachtung anbieten, die jene tiefe und beständige Sehnsucht in Erinnerung rufen, die im jüdischen Volk die Erwartung der Ankunft des Messias wachhielt. Wachsam im Gebet wollen auch wir unser Herz bereit machen, den Heiland aufzunehmen, der kommen wird, um uns seine Barmherzigkeit zu erweisen und sein Heil zu schenken.
Gerade weil der Advent eine Zeit der Erwartung ist, ist er eine Zeit der Hoffnung, und der christlichen Hoffnung habe ich meine zweite Enzyklika gewidmet, die vorgestern offiziell vorgestellt wurde. Sie beginnt mit den Worten, die der hl. Paulus an die Christen von Rom richtete: »Spe salvi facti sumus – auf Hoffnung hin sind wir gerettet« (8,24). In der Enzyklika schreibe ich unter anderem: »Wir brauchen die kleineren oder größeren Hoffnungen, die uns Tag um Tag auf dem Weg halten. Aber sie reichen nicht aus ohne die große Hoffnung, die alles andere überschreiten muß. Diese große Hoffnung kann nur Gott sein, der das Ganze umfaßt und der uns geben und schenken kann, was wir allein nicht vermögen« (Nr. 31). Die Gewißheit, daß nur Gott unsere feste Hoffnung sein kann, möge uns alle beseelen, die wir heute morgen in diesem Haus versammelt sind, in dem man gegen die Krankheit kämpft, unterstützt von der Solidarität. Und ich möchte meinen Besuch in eurem Krankenhaus, das von der Vereinigung der italienischen Ritter des Souveränen Malteserordens geleitet wird, zum Anlaß nehmen, um die Enzyklika im Geiste der christlichen Gemeinschaft von Rom und insbesondere denjenigen zu übergeben, die wie ihr mit dem Leiden und der Krankheit in direkter Berührung stehen, denn gerade als Leidende, als Kranke, bedürfen wir der Hoffnung, der Gewißheit, daß es einen Gott gibt, der uns nicht verläßt, der uns an der Hand hält und uns mit Liebe begleitet. Ich lade euch ein, diesen Text zu vertiefen, um darin die Gründe zu finden für jene »verläßliche Hoffnung, von der her wir unsere Gegenwart bewältigen können: Gegenwart, auch mühsame Gegenwart« (Nr. 1).
Liebe Brüder und Schwestern, »der Gott der Hoffnung, der uns erfüllt mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben in der Kraft des Heiligen Geistes, sei mit euch allen!«. Mit diesem Wunsch, den der Priester zu Beginn der heiligen Messe an die Gemeinde richtet, grüße ich euch herzlich. Ich grüße zunächst Kardinalvikar Camillo Ruini sowie Kardinal Pio Laghi, den Patron des Souveränen Malteserordens, die anwesenden Bischöfe und Priester, die Seelsorger und die Schwestern, die hier ihren Dienst tun. Ehrerbietig grüße ich Seine Hoheit und Eminenz, Frà Andrew Bertie, Fürst und Großmeister des Souveränen Malteserordens, dem ich für die Empfindungen danke, die er im Namen der Direktion, des Verwaltungspersonals, des medizinischen Personals, der Pflegekräfte sowie aller, die auf verschiedene Weise in diesem Krankenhaus tätig sind, zum Ausdruck gebracht hat. Mein Gruß gilt auch den verehrten Obrigkeiten und insbesondere dem leitenden Krankenpfleger sowie dem Vertreter der Kranken, denen ich aufrichtig für die Worte danke, die sie zu Beginn der Feier an mich gerichtet haben.
Mein herzlichster Gruß gilt jedoch euch, liebe Kranke, sowie euren Angehörigen, die mit euch Ängste und Hoffnungen teilen. Der Papst ist euch geistlich nahe und versichert euch seines täglichen Gebetsgedenkens; er lädt euch ein, in Jesus Halt und Trost zu finden und niemals das Vertrauen zu verlieren. Die Adventsliturgie wird uns in den nächsten Wochen immer wieder auffordern, nicht müde zu werden, ihn anzurufen; sie wird uns ermahnen, ihm entgegenzugehen, im Bewußtsein, daß er stets zu uns kommt. In der Prüfung und in der Krankheit kommt Gott auf geheimnisvolle Weise zu uns, und wenn wir uns seinem Willen überlassen, können wir die Kraft seiner Liebe erfahren. Die Krankenhäuser und Kliniken können, gerade weil sich dort Menschen befinden, die vom Schmerz gezeichnet sind, zu bevorzugten Orten für die Bezeugung der christlichen Liebe werden, die die Hoffnung nährt und Vorsätze brüderlicher Solidarität entstehen läßt. Im Tagesgebet haben wir gebetet: »Herr, unser Gott, du schenkst das Wollen und Vollbringen. Hilf uns, daß wir auf dem Weg der Gerechtigkeit Christus entgegengehen und uns durch Taten der Liebe auf seine Ankunft vorbereiten«. Ja! Öffnen wir unser Herz jedem Menschen, besonders dann, wenn er in Schwierigkeiten ist, denn wenn wir denen Gutes tun, die in Not sind, dann machen wir uns bereit, Jesus aufzunehmen, der in ihnen zu uns kommt.
Das ist es, was ihr zu tun trachtet, liebe Brüder und Schwestern – in diesem Krankenhaus, wo die liebevolle und fachkundige Aufnahme der Patienten, der Schutz ihrer Würde und das Bemühen um eine Verbesserung ihrer Lebensqualität für alle im Mittelpunkt ihrer Sorge steht. Die Kirche hat sich durch die Jahrhunderte hindurch besonders den Leidenden zur Seite gestellt. An diesem Geist hat euer wohlverdienter Souveräner Malteserorden Anteil, der sich von Anfang an durch ein Hospiz mit Krankenstation dem Beistand der Pilger im Heiligen Land gewidmet hat. Während er das Ziel verfolgte, das Christentum zu verteidigen, hat sich der Souveräne Malteserorden stets sehr um die Pflege der Kranken bemüht, besonders der armen und ausgegrenzten. Zeugnis dieser brüderlichen Liebe ist auch das Krankenhaus, das um die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts herum entstanden und heute zu einer Einrichtung mit hohem technischem Standard und einem Haus der Solidarität geworden ist, wo neben dem medizinischen Personal zahlreiche freiwillige Helfer mit hochherziger Hingabe tätig sind.
Liebe Ritter des Souveränen Malteserordens, liebe Ärzte, Krankenpfleger und alle, die ihr hier arbeitet: Ihr alle seid berufen, den Kranken und der Gesellschaft einen wichtigen Dienst zu leisten, einen Dienst, der Entsagung und Opfergeist verlangt. In jedem Kranken, wer auch immer er sei, sollt ihr Christus selbst erkennen und dienen; laßt sie durch eure Taten und Worte die Zeichen seiner barmherzigen Liebe spüren. Um diese »Sendung« gut zu erfüllen, sollt ihr, wie der hl. Paulus uns in der Zweiten Lesung ans Herz legt, »die Waffen des Lichts anlegen« (Röm 13,12), die das Wort Gottes, die Gaben des Heiligen Geistes, die Gnade der Sakramente, die theologalen Tugenden und die Kardinaltugenden sind; kämpft gegen das Böse und laßt von der Sünde ab, die unsere Existenz verdunkelt. Am Anfang eines neuen liturgischen Jahres wollen wir unsere guten Vorsätze für ein dem Evangelium entsprechendes Leben erneuern. »Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf« (Röm 13,11), mahnt der Apostel; das heißt, die Stunde ist gekommen, umzukehren, aus dem betäubenden Schlaf der Sünde zu erwachen, um sich vertrauensvoll bereit zu machen, »den Herrn, der kommt« aufzunehmen. Daher ist der Advent eine Zeit des Gebets und der wachsamen Erwartung.
Zur »Wachsamkeit«, die übrigens das Schlüsselwort dieser ganzen liturgischen Zeit ist, mahnt uns der soeben verkündete Abschnitt des Evangeliums: »Seid also wachsam! Denn ihr wißt nicht, an welchem Tag euer Herr kommt« (Mt 24,42). Jesus, der in seiner Geburt zu uns gekommen ist und der am Ende der Zeiten in Herrlichkeit wiederkommen wird, wird nicht müde, ständig zu uns zu kommen, in den Ereignissen jedes Tages. Er bittet uns aufmerksam zu sein, um seine Gegenwart, seinen Advent wahrzunehmen, und er ermahnt uns, ihn wachend zu erwarten, denn sein Kommen kann nicht geplant oder vorausgesehen werden, sondern wird unerwartet und unvorhersehbar sein. Nur wer wach ist, wird nicht davon überrascht werden. Euch soll es nicht so gehen, so warnt er, wie es in den Tagen des Noach war, als die Menschen unbekümmert aßen und tranken und die Flut unvorbereitet über sie hereinbrach (vgl. Mt 24,37–38). Was will der Herr uns mit dieser Ermahnung anderes sagen, als daß wir nicht völlig aufgehen sollen in den materiellen Wirklichkeiten und Sorgen, bis wir ganz in ihre Netze verstrickt sind? Wir müssen unter dem Blick des Herrn leben, in der Überzeugung, daß er jeden Tag gegenwärtig sein kann. Wenn wir so leben, dann wird die Welt besser.
»Seid also wachsam…«. Hören wir auf die Einladung Jesu im Evangelium und machen wir uns bereit, gläubig das Geheimnis der Geburt des Erlösers zu leben, die das Universum mit Freude erfüllt hat; machen wir uns bereit, den Herrn aufzunehmen, der uns stets entgegenkommt in den Ereignissen des Lebens, in der Freude und im Schmerz, in der Gesundheit und in der Krankheit; machen wir uns bereit, ihm zu begegnen bei seinem letzten und endgültigen Kommen. Sein Vorübergehen ist immer eine Quelle des Friedens, und wenn das Leid, das Erbe der menschlichen Natur, manchmal unerträglich wird, so gilt mit dem Kommen des Herrn: »Leid wird – ohne aufzuhören, Leid zu sein – dennoch zu Lobgesang « (Enzyklika Spe salvi, 37). Getröstet von diesem Wort setzen wir die Eucharistiefeier fort, indem wir auf die Kranken, ihre Angehörigen und alle, die in diesem Krankenhaus arbeiten, sowie auf den ganzen Malteserorden den mütterlichen Schutz Mariens herabrufen, Jungfrau der Erwartung und der Hoffnung wie auch der Freude, die schon in dieser Welt ist, denn: Wenn wir die Nähe des lebendigen Christus spüren, so haben wir das Heilmittel des Leidens, so ist seine Freude gegenwärtig. Amen.
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