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SCHREIBEN VON BENEDIKT XVI.
AN KARD. JEAN-LOUIS TAURAN
ANLÄSSLICH DES KOLLOQUIUMS
"KULTUR, VERNUNFT UND FREIHEIT" IN PARIS BEI DER UNESCO*

 

An Seine Eminenz, Kardinal  
JEAN-LOUIS TAURAN,
Archivar und Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche

Hiermit bitte ich Sie, allen Teilnehmern am Kolloquium »Kultur, Vernunft und Freiheit« meine herzlichen Grüße zu übermitteln. Dieses Kolloquium findet in Paris statt zur Erinnerung an den Besuch meines verehrten Vorgängers, Papst Johannes Paul II., bei der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur am 2. Juni 1980. Besonders möchte ich Herrn Koichiro Matsuura, Generalsekretär der UNESCO, grüßen, im Gedenken daran, daß die Organisation dieses Jahr ihren 60. Gründungstag feiert. Außerdem grüße ich Herrn Michael Omolewa, Präsident der Generalkonferenz der UNESCO, die Gesamtheit ihrer Mitarbeiter und alle Personen, die bei dieser Institution akkreditiert sind.

Wir können Papst Johannes Paul II. heute äußerst dankbar sein: Auf der Grundlage seiner eigenen persönlichen und kulturellen Erfahrungen betonte er in seinen Lehren stets die zentrale und unersetzliche Rolle des Menschen und seine grundlegende Würde als Quelle seiner unveräußerlichen Rechte. Vor 25 Jahren erklärte der Papst am Sitz der UNESCO: »Im Bereich der Kultur ist der Mensch immer die Hauptfigur: Der Mensch ist das wesentliche und fundamentale Faktum der Kultur« (Ansprache an den Exekutivrat der UNESCO in Paris, 2. Juni 1980, 8; in: OR dt., Nr. 23, 6.6.1980, S.4). Einer der Schwerpunkte seiner Betrachtung vor jenem »Areopag der Vernunft und des Gewissens«, wie er damals seine Gesprächspartner bezeichnete, bestand darin, jedes seiner Mitglieder an seine Verantwortung zu erinnern: »Erbauen Sie den Frieden auf seinen Fundamenten, auf der Achtung aller Rechte des Menschen, derer, die mit seiner materiellen und wirtschaftlichen Situation, aber auch derer, die mit der geistigen und inneren Dimension seines Daseins in dieser Welt verbunden sind« (ebd., Nr. 22).

Jedem Menschen die befreiende Neuheit des Evangeliums verkünden, ihm in allem nahe zu sein, was sein Dasein ausmacht und seine Menschlichkeit zum Ausdruck bringt: Darin besteht die ständige Herausforderung für die Kirche. Dieser Auftrag, den die Kirche von ihrem Herrn erhalten hat, ist eng verbunden mit Ihrem Projekt, und er rechtfertigt in vollem Umfang den Wunsch der Kirche, sich durch die Anwesenheit eines ständigen Beobachters an Ihren Überlegungen und Ihrem Engagement zu beteiligen. Die katholische Kirche wird dies auch in Zukunft tun, indem sie ihre eigenen Kräfte, die vor allem spiritueller Art sind, mobilisiert, um zum Wohl des Menschen in allen Dimensionen seines Seins beizutragen.

In einer zugleich vielfältigen und zersplitterten Welt, die jedoch auch den starken Forderungen einer Globalisierung der wirtschaftlichen Beziehungen und, in noch größerem Umfang, der Informationen unterworfen wird, ist es von äußerster Wichtigkeit, die Energien des Intellekts zu mobilisieren, damit die Rechte des Menschen auf Bildung und Kultur überall anerkannt werden, vor allem in den ärmsten Ländern. In unserer Welt, in der die Menschen immer besser lernen müssen, ihren Nächsten anzuerkennen und zu achten, möchte die Kirche ihren spezifischen Beitrag leisten im Dienst der menschlichen Gemeinschaft, indem sie die Beziehung, die jeden Menschen mit dem Schöpfer allen Lebens verbindet und die die unveräußerliche Würde jedes menschlichen Wesens von der Empfängnis bis zum natürlichen Ende begründet, immer tiefer erhellt.

Ich grüße die Mitglieder der Hochschulgemeinschaft und die Dozenten, die an dem Kolloquium teilnehmen, und es ist mir ein Anliegen, Ihnen erneut das Vertrauen der Kirche auszusprechen zusammen mit der Ermutigung, Ihre anspruchsvolle und begeisternde Aufgabe im Dienst der Wahrheit auch in Zukunft beharrlich zu erfüllen. Alle Teilnehmer am Kolloquium fordere ich auf, eine echte Kulturpolitik zu betreiben, die sich darum bemüht, einerseits die oft von wirtschaftlichen und politischen Kräfteverhältnissen bedrohten kulturellen Identitäten zu bewahren und andererseits den Ausdruck der Kultur des Menschen in allen Dimensionen seines Seins zu fördern.

Mit einem herzlichen Gruß an alle religiösen und weltlichen Persönlichkeiten, die bei dieser Veranstaltung anwesend sind, rufe ich von ganzem Herzen die Fülle des göttlichen Segens auf alle herab.

Aus dem Vatikan, 24. Mai 2005

BENEDIKT XVI.


*L'Osservatore Romano. Wochenausgabe in deutscher Sprache n. 24 p. 9.

 

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