BRIEF VON BENEDIKT XVI.
AN DIE LESERINNEN UND LESER
DER ÖSTERREICHISCHEN KIRCHENZEITUNGEN
Liebe Leserinnen und Leser der österreichischen Kirchenzeitungen
Mein Besuch in Österreich rückt immer näher heran. Ihr wisst es: Ich liebe dieses Land, das mir seit meiner Kindheit nahe ist – seit den sonntäglichen Wanderungen, die wir zu Beginn der dreißiger Jahre über die Salzach-Brücke mit unserer Mutter nach Ostermiething, nach Sankt Radegund und an andere Orte auf der österreichischen Seite der Salzach gemacht haben.
Ich liebe die wundervollen Landschaften Eurer Heimat, die große österreichische Kultur und die liebenswerten Menschen Eures Landes. In meiner Hauskapelle in Rom steht eine Nachbildung der Muttergottes von Mariazell, die Papst Johannes Paul II. von dort nach Hause mitgebracht hat.
Die österreichischen Bischöfe haben mir dazu aus Holz eine schöne Figur des heiligen Josef schnitzen lassen, in dessen Armen vertrauensvoll geborgen das Jesuskind schläft.
Wenn ich mein Brevier bete oder sonst zum Beten in der Kapelle weile, sieht mich das gütige Gesicht der Gottesmutter von Mariazell an, und ich fühle zugleich etwas von der Geborgenheit, die sich von der vertrauten Gestalt des heiligen Josef her dem Jesuskind mitteilt.
Mit den Heiligen ist dann immer auch Österreich bei mir, das Land in der Herzmitte Europas, das unserem Glauben eine so vielfältige und leuchtende Gestalt gegeben hat, die selbst Menschen anrührt, die den christlichen Glauben nicht oder nicht mehr teilen, aber die Schönheit lieben, die er hervorgebracht hat.
Wenn ich nach Österreich komme, werde ich der großen Kultur begegnen, die dort in Jahrhunderten gewachsen ist. Aber ich werde vor allem auch der Gegenwart begegnen: dem Ringen und Fragen einer immer schneller sich bewegenden Zeit; der Mühsal des Glaubens und des Christseins im Miteinander unterschiedlicher Kulturen und Überlieferungen.
Wenn ich aber den Pilgern in Mariazell, den Gläubigen in Wien, der vielfältigen Welt der freiwilligen Helfer in allen Sektoren der Gesellschaft und den jungen Menschen auf dem Weg zum Priestertum in Heiligenkreuz begegne, dann weiß ich, dass ich eine lebendige Kirche sehen werde, die auch in den Mühsalen des Alltags die Freude des Glaubens erfährt; die weiß, wie schön es ist, Gott zu kennen, sein Gesicht zu kennen, das uns in Jesus Christus sichtbar geworden ist.
In Österreich wie auch sonst in der weiten Welt, die mir in den Bischofsbesuchen fast Tag um Tag begegnet, ist Glaube nicht nur große Vergangenheit. Er ist Gegenwart, und er öffnet die Tür zur Zukunft. In Brasilien habe ich in der „Fazenda da Esperança“ in einer mir unvergesslichen Weise junge Menschen erlebt, die der Droge verfallen waren und die darum die Freude am Leben, den Glauben an die Zukunft verloren hatten.
Gott zu entdecken hieß für sie – so haben sie es bezeugt – die Hoffnung wiederfinden und wieder Freude am Leben, an der Zukunft zu gewinnen. Weil der Glaube tiefe Wurzeln hat, gerade darum eröffnet er Zukunft und gibt Leben. Beten wir gemeinsam darum, daß mein Besuch in Österreich uns allen hilft, Gottes von neuem froh zu werden und so Zukunft zu bauen, die Hoffnung ist.
Mit einem herzlichen „Grüß Gott“
Euer Benedikt XVI.
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