SCHREIBEN VON BENEDIKT XVI.
AN ERZBISCHOF GIANFRANCO RAVASI
ANLÄSSLICH DER 12. ÖFFENTLICHEN SITZUNG DER
PÄPSTLICHEN AKADEMIEN
An den verehrten Bruder
Erzbischof Gianfranco Ravasi
Präsident des Päpstlichen Rates für die Kultur
Ich freue mich, anläßlich der 12. Öffentlichen Sitzung der Päpstlichen Akademien, deren Koordinierungsrat Sie vorstehen, an Sie, lieber Bruder, einen besonderen Gruß zu richten mit dem Wunsch für einen fruchtbaren Dienst, um den Dialog der Kirche mit den Kulturen unserer Zeit zu fördern und zu steigern. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch Herrn Kardinal Paul Poupard sehr herzlich für den hochherzigen und wertvollen Dienst danken, den er während der 25 Jahre seiner Aufgabe als Präsident des Päpstlichen Rates für die Kultur für die Kirche geleistet hat, sowie für den Auftrieb, den er den Päpstlichen Akademien dadurch verliehen hat, daß er ihre institutionelle Erneuerung förderte und sie zur Aktivität im Dienst der ganzen Kirche ermutigte. Zur Unterstützung dieser Linie hat mein Vorgänger seligen Angedenkens, Papst Johannes Paul II., im Jahr 1996 einen eigenen Preis gestiftet, der die Forschung und das Engagement junger Gelehrter und besonders verdienstvoller Institutionen ermutigen und fördern soll, die mit ihren spezifischen kulturellen oder künstlerischen Aktivitäten auf bedeutungsvolle Weise zur Förderung des christlichen Humanismus zu Beginn des dritten Jahrtausends beitragen.
Die Einberufung dieser öffentlichen Sitzung ist Jahr für Jahr aufs neue eine besondere Gelegenheit zur Begegnung und Zusammenarbeit zwischen den in ihrem Koordinierungsrat versammelten Päpstlichen Akademien, um die verschiedenen Initiativen zu harmonisieren, die alle auf ein klares Ziel ausgerichtet sind: sowohl in der Kirche als auch in der säkularen Welt eine des menschlichen Daseins würdige Kultur zu fördern, die, vom Glauben befruchtet, fähig ist, die Schönheit des christlichen Lebens herauszustellen und auf angemessene Weise auf die immer zahlreicheren Herausforderungen des heutigen kulturellen und religiösen Kontexts zu antworten.
Ich grüße daher zusammen mit Ihnen, Herr Präsident, die Herren Kardinäle, die Mitbrüder im Bischofsamt, die Botschafter, die Priester, die Verantwortlichen und Mitglieder der Päpstlichen Akademien und alle Teilnehmer an der Begegnung. Diese feierliche Öffentliche Sitzung sieht als Protagonisten zwei Akademien – die Päpstliche Römische Akademie für Archäologie und die Päpstliche Akademie »Cultorum Martyrum« (für die Verehrung der Märtyrer) –, die das Thema für das heutige Treffen vorgeschlagen haben: »Zeugen seiner Liebe (Sacramentum caritatis, 85). Die von den Märtyrern und von den Werken der Kirche offenbarte Liebe Gottes.«
Ich freue mich sehr über die Wahl dieses Themas, das mir besonders am Herzen liegt und auf ein wichtiges Kapitel des nachsynodalen Schreibens Sacramentum caritatis verweist. Darin wollte ich noch einmal den fundamentalen Zusammenhang zwischen der Feier der göttlichen Geheimnisse und dem Lebenszeugnis, zwischen der Erfahrung der Begegnung mit dem Geheimnis Gottes, Quelle des Staunens und innerer Freude, und der Dynamik einer erneuerten Verpflichtung, die uns dazu bringt, »Zeugen seiner Liebe« zu sein, besonders herausstellen. Im Gedenken daran, daß Jesus selbst »der wahre und zuverlässige Zeuge« ist (vgl. Offb 1,5), der vom Vater in die Welt gesandt wurde, um von der Wahrheit Zeugnis abzulegen (vgl. Joh 18,37), müssen wir uns davon überzeugen, daß das konsequente und überzeugte Zeugnis der Gläubigen »das Mittel ist, durch das die Wahrheit der Liebe Gottes den Menschen in der Geschichte erreicht und ihn einlädt, frei diese radikale Neuheit anzunehmen« (Sacramentum caritatis, 85).
In diesem Zusammenhang ist es notwendiger denn je, das Beispiel der christlichen Märtyrer sowohl des Altertums wie unserer Tage wieder vorzustellen, in deren Leben und Zeugnis, bis zum Vergießen ihres Blutes, die Liebe Gottes auf erhabenste Weise offenbar wird. Auch mein verehrter Vorgänger, der Diener Gottes Johannes Paul II., wollte vor allem im Rahmen des Großen Jubiläums des Jahres 2000 der ganzen Kirche das Beispiel der Märtyrer vor Augen führen und schrieb daher in der Verkündigungsbulle des Großen Jubiläums Incarnationis mysterium: »Ein dauerndes, aber heutzutage besonders beredtes Zeichen für die Wahrheit der christlichen Liebe ist das Gedächtnis der Märtyrer. Ihr Zeugnis soll nicht vergessen werden. Sie sind diejenigen, die das Evangelium verkündet haben, indem sie aus Liebe ihr Leben hingaben. Der Märtyrer ist vor allem in unseren Tagen Zeichen jener größeren Liebe, die jeden anderen Wert einschließt« (Nr. 13).
Besondere Erwähnung verdienen sodann alle Werke der Nächstenliebe hochherziger Gläubiger, die im Laufe der Jahrhunderte erblühten. Vom inneren Feuer der Liebe Christi angespornt, haben sich in diesen zweitausend Jahren christlicher Geschichte unzählige Hirten und Gläubige darum bemüht, Initiativen der Nächstenliebe und Wohltätigkeitseinrichtungen zu schaffen und zu fördern, um den Bedürfnissen der Ärmsten entgegenzukommen und so den Zusammenhang, das unauflösbare Band zwischen Gottesliebe und Nächstenliebe konkret sichtbar zu machen. Noch heute stellen die vielen von den Gläubigen angeregten karitativen Werke ein außerordentliches Zeugnis für das dar, was die Liebe Gottes wirken kann, wenn sie im Herzen des Menschen aufgenommen wird.
Diese ruhmreiche Geschichte ist von einigen Gelehrten zum Gegenstand einer sorgfältigen Analyse gemacht worden. Der über zehnjährigen Tradition folgend, bitte ich Sie, Herr Präsident, den Preis der Päpstlichen Akademien zu überreichen, der auf Vorschlag des Koordinierungsrates der Päpstlichen Akademien dieses Jahr Dr. Antongiulio Granelli für seine an der römischen Universität »La Sapienza« vorgelegte Dissertation mit dem Titel »Der Friedhof des hl. Pamphilius an der Via Salaria vetus in Rom« zuerkannt wurde. In dieser Arbeit wird der Friedhof, der bisher kaum genauer erforscht worden ist, durch eine eingehende, mit interdisziplinärem Ansatz durchgeführte Untersuchung dargestellt und in dem eindrucksvollen Querschnitt des christlichen Zeugnisses angesiedelt, das sich im ersten Abschnitt der »Via Salaria vetus« entfaltet hat und in dem der Märtyrer Pamphilius – im Friedhof durch ein Graffito dokumentiert – sein beredtestes Symbol findet.
Indem ich der Empfehlung des Koordinierungsrates folge, bitte ich Sie außerdem, dem Gelehrten Dr. Massimiliano Ghilardi für das Werk »Gli arsenali della Fede. Tre saggi su apologie e propaganda delle catacombe romane« (Rom 2006) als Zeichen der Wertschätzung und Ermutigung eine Pontifikatsmedaille zu überreichen. Der Band beschäftigt sich mit den Ereignissen im Zusammenhang mit der Freilegung christlicher Katakomben und Hypogäen und stellt dabei die apologetische Verwendung solcher Entdeckungen heraus.
Wollen Sie, Herr Präsident, schließlich allen Akademiemitgliedern und besonders den Mitgliedern der Päpstlichen Römischen Akademie für Archäologie und der Päpstlichen Akademie »Cultorum Martyrum« meine lebhafte Ermunterung zum Ausdruck bringen, mit immer neuem Enthusiasmus in ihrer Arbeit fortzufahren, damit ihr Einsatz in den verschiedenen Bereichen der Kultur und der Künste wahrhaftig zu einem lichtvollen und schönen Zeugnis werde, das auch vor den Menschen heute leuchtet und sie dazu bringt, den Vater im Himmel zu preisen (vgl. Mt 5,16).
Während ich mit diesen Gefühlen jedes einzelne Mitglied der Päpstlichen Akademien der himmlischen Fürsprache der heiligen Märtyrer, Zeugen der Liebe Gottes, sowie dem mütterlichen Schutz der seligen Jungfrau Maria, Mutter Christi und Königin der Märtyrer, empfehle, erteile ich Ihnen, Herr Präsident, und allen Anwesenden von Herzen einen besonderen Apostolischen Segen.
Aus dem Vatikan, am 8. November 2007
BENEDICTUS PP. XVI
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