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BOTSCHAFT VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN JACQUES DIOUF, GENERALDIREKTOR
DER ERNÄHRUNGS- LANDWIRTSCHAFTSORGANISATION
DER VEREINTEN NATIONEN (FAO)
 

An Herrn JACQUES DIOUF,
Generaldirektor der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation
der Vereinten Nationen (FAO)

Der jährlich stattfindende Welternährungstag, der unter der Schirmherrschaft der Ernährungsund Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) steht, ist eine Gelegenheit, um Rückschau zu halten auf die zahlreichen Aktivitäten dieser Organisation, insbesondere im Hinblick auf ihr zweifaches Ziel: unseren Brüdern und Schwestern in aller Welt ausreichende Ernährung zu verschaffen und über die Hindernisse nachzudenken, die durch schwierige Situationen hervorgerufen werden sowie durch Haltungen, die der Solidarität entgegenstehen.

Das diesjährige Thema – »Zur Sicherung der Ernährung in die Landwirtschaft investieren« – stellt den Agrarsektor in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit und fordert uns auf, über die verschiedenen, vielfach vom Menschen selbst geschaffenen Faktoren nachzudenken, die dem Kampf gegen den Hunger im Wege stehen. Den Anforderungen der Landwirtschaft wird nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt; das bringt die natürliche Schöpfungsordnung ins Ungleichgewicht und zieht auch die Achtung der Würde des Menschen in Mitleidenschaft.

In der christlichen Tradition besitzt die landwirtschaftliche Tätigkeit eine tiefere Bedeutung, weil sie mit mühevoller und harter Arbeit verbunden ist, und auch weil sie eine besondere Erfahrung der Gegenwart Gottes und seiner Liebe zu seinen Geschöpfen vermittelt. Christus selbst zieht Vergleiche aus der Landwirtschaft heran, um vom Reich Gottes zu sprechen, und zeigt so eine tiefe Achtung für diese Art von Arbeit.

Heute denken wir vor allem an jene, die ihren Landbesitz aufgrund von Konflikten, Naturkatastrophen und auch aufgrund der Vernachlässigung des Agrarsektors durch die Gesellschaft verlassen mußten. »Aber das Mühen um die Gerechtigkeit durch eine Öffnung von Erkenntnis und Willen für die Erfordernisse des Guten geht« die Kirche »zutiefst an« (Deus caritas est, 28).

Vor nunmehr zehn Jahren eröffnete mein verehrter Vorgänger Papst Johannes Paul II. den Welternährungsgipfel. Das gibt uns Gelegenheit, die ungenügende Aufmerksamkeit, die dem landwirtschaftlichen Sektor entgegengebracht wird, sowie die Auswirkungen, die dies auf die Gemeinschaften im ländlichen Raum hat, rückblickend zu betrachten und eine Bilanz zu ziehen. Solidarität ist der Schlüssel zum Erkennen und zur Beseitigung der Ursachen von Armut und Unterentwicklung.

Häufig übersehen internationale Aktionen zur Bekämpfung des Hungers den menschlichen Faktor und geben dagegen technischen und sozio-ökonomischen Aspekten den Vorrang. Die örtlichen Gemeinschaften müssen einbezogen werden in die Wahlmöglichkeiten und die Entscheidungen zur Nutzung des Bodens, da Acker- und Weideland in zunehmendem Maße anderen Zwecken zugeführt wird, was sich oft schädlich auf die Umwelt und die langfristige Lebensfähigkeit des Bodens auswirkt. Wenn wir den Menschen in den Vordergrund stellen, dann wird es deutlich, daß kurzfristige wirtschaftliche Erträge in den Zusammenhang einer besseren langfristigen Planung der Ernährungssicherheit gestellt werden müssen, und zwar sowohl hinsichtlich der Quantität als auch der Qualität.

Die Schöpfungsordnung verlangt, daß jenen menschlichen Tätigkeiten der Vorrang gegeben werden muß, die der Natur keinen irreversiblen Schaden zufügen, sondern die vielmehr in das soziale, kulturelle und religiöse Gefüge der verschiedenen Gemeinschaften eingebunden sind. Auf diese Weise wird ein gesundes Gleichgewicht zwischen Verbrauch und Erhalt der Ressourcen erzielt.

Die im ländlichen Raum lebende Familie muß ihren rechtmäßigen Platz im Mittelpunkt der Gesellschaftsordnung zurückgewinnen. Die moralischen Grundsätze und Werte, von denen sie geleitet wird, sind Teil des Erbes der Menschheit und müssen Vorrang haben vor der Gesetzgebung. Sie betreffen das individuelle Verhalten, die Beziehung zwischen den Ehepartnern und zwischen den Generationen sowie den Sinn für Solidarität innerhalb der Familie. Investitionen im Agrarsektor müssen es der Familie erlauben, den ihr zukommenden Platz und die ihr zukommende Funktion einzunehmen, während die schädlichen Folgen des Hedonismus und des Materialismus, die die Ehe und das Familienleben gefährden können, vermieden werden müssen.

Erziehungs- und Bildungsprogramme im ländlichen Raum müssen breit angelegt, mit entsprechenden Mitteln ausgestattet und auf alle Altersklassen ausgerichtet sein. Besondere Aufmerksamkeit sollte den am meisten verwundbaren Bevölkerungsgruppen geschenkt werden, vor allem den Frauen und den jungen Menschen.

Es ist wichtig, den zukünftigen Generationen nicht nur die technischen Aspekte der Produktion, der Ernährung und des Schutzes der natürlichen Ressourcen weiterzugeben, sondern auch die Werte der ländlichen Welt.

In treuer Erfüllung ihrer Aufgabe investiert die FAO in wesentlicher Form in die Landwirtschaft, und zwar nicht nur durch angemessene technische und fachkundige Unterstützung, sondern auch durch die Erweiterung des Dialogs zwischen den nationalen und internationalen Organen, die an der Entwicklung des ländlichen Raums beteiligt sind. Die einzelnen Initiativen sollten in breitangelegte Strategien zur Bekämpfung von Armut und Hunger eingefügt werden. Dies kann von entscheidender Bedeutung sein, wenn die betroffenen Nationen und Gemeinschaften zusammenhängende Programme durchführen und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten sollen.

Angesichts periodisch wiederkehrender Krisen und der Verfolgung eng begrenzter persönlicher Interessen, muß heute mehr denn je Zusammenarbeit und Solidarität zwischen den Staaten herrschen, von denen ein jeder auf die Nöte der Schwächsten unter seinen Einwohnern achten sollte, denn sie sind die ersten, die unter der Armut leiden. Ohne diese Solidarität besteht die Gefahr, daß der Arbeit der internationalen Einrichtungen, die sich anschicken, Hunger und Unterernährung zu bekämpfen, Grenzen gesetzt werden oder sie sogar behindert wird. Auf diese Weise bauen die Staaten wirklich den Geist der Gerechtigkeit, der Eintracht und des Friedens unter den Völkern auf: »opus iustitiae pax« (vgl. Jes 32,17).

Mit diesen Gedanken, Herr Generaldirektor, möchte ich den Segen des Herrn auf die FAO, ihre Mitgliedstaaten und all jene herabrufen, die große Arbeit leisten, um den Agrarsektor und die Förderung der Entwicklung im ländlichen Raum zu unterstützen.

Aus dem Vatikan, am 16. Oktober 2006

BENEDICTUS PP. XVI

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