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BOTSCHAFT VON PAPST BENEDIKT XVI.
ZUM 26. WELTJUGENDTAG

(2011) 

»In Christus verwurzelt und auf ihn gegründet, fest im Glauben« (vgl. Kol 2,7)

Liebe Freunde!

Oft denke ich an den Weltjugendtag 2008 in Sydney zurück. Dort haben wir ein großes Fest des Glaubens erlebt, bei dem der Geist Gottes kraftvoll gewirkt und unter den Teilnehmern, die aus aller Welt gekommen waren, tiefe Gemeinschaft erzeugt hat. Jenes Treffen hat, ebenso wie die vorherigen, im Leben zahlreicher Jugendlicher und der ganzen Kirche reiche Frucht getragen. Jetzt richtet sich unser Blick auf den nächsten Weltjugendtag, der im August 2011 in Madrid stattfinden wird. Schon 1989, einige Monate vor dem historischen Fall der Berliner Mauer, hat die Wallfahrt der Jugendlichen in Spanien in Santiago de Compostela Station gemacht. Jetzt, in einem Augenblick, in dem Europa dringend seine christlichen Wurzeln wiederentdecken muß, haben wir uns in Madrid verabredet unter dem Thema: »In Christus verwurzelt und auf ihn gegründet, fest im Glauben« (vgl. Kol 2,7). Ich lade euch also zu diesem für die Kirche in Europa und für die Universalkirche so wichtigen Ereignis ein. Und ich möchte, daß alle Jugendlichen – sowohl jene, die unseren Glauben an Jesus Christus teilen, als auch jene, die zögern, Zweifel haben oder nicht an ihn glauben – diese Erfahrung machen können, die für das Leben entscheidend sein kann: die Erfahrung des auferstandenen und lebendigen Herrn Jesus Christus und seiner Liebe zu einem jeden von uns.

1.      An den Quellen eurer größten Wünsche

In jeder Epoche, auch in unseren Tagen, wünschen zahlreiche Jugendliche zutiefst, daß die zwischenmenschlichen Beziehungen in Wahrheit und Solidarität gelebt werden. Viele sind bestrebt, echte Freundschaftsbeziehungen aufzubauen, die wahre Liebe kennenzulernen, eine Familie zu gründen, die zusammenhält, persönliche Stabilität und wirkliche Sicherheit zu erlangen, die eine ruhige und glückliche Zukunft gewährleisten können. Sicher – aus meiner eigenen Jugendzeit weiß ich, daß Stabilität und Sicherheit nicht die Fragen sind, die einen jungen Menschen am meisten umtreiben. Ja, die Frage eines Arbeitsplatzes und damit eines sicheren Bodens unter den Füßen ist ein großes und drängendes Problem, aber zugleich ist doch die Jugend die Zeit, in der man nach dem größeren Leben Ausschau hält. Wenn ich an meine frühen Jahre zurückdenke – wir wollten einfach nicht in der Gewöhnlichkeit eines bürgerlichen Lebens aufgehen. Wir wollten das Große, das Neue. Wir wollten das Leben selbst in seiner Weite und Schönheit finden. Gewiß, das hing auch mit unserer Situation zusammen. In der Nazi-Diktatur und im Krieg waren wir sozusagen eingesperrt gewesen durch die herrschende Macht. Nun wollten wir ins Freie, in die Weite der Möglichkeiten des Menschseins hinein. Aber ich glaube, in irgendeiner Weise gibt es diesen Drang über das Gewöhnliche hinaus in jeder Generation. Es gehört zum Jungsein, daß man sich mehr wünscht als den geregelten Alltag eines gesicherten Berufs und daß man von der Sehnsucht nach dem wirklich Großen umgetrieben wird. Ist dies nur ein leerer Traum, der mit dem Erwachsenwerden zerrinnt? Nein, der Mensch ist wirklich zum Großen, für das Unendliche geschaffen. Alles andere ist zu wenig. Augustinus hatte recht: Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet bei dir. Verlangen nach dem größeren Leben ist ein Zeichen dafür, daß er uns erschaffen hat, daß wir seine »Prägung« tragen. Gott ist Leben, und daher ist jedes Geschöpf auf das Leben gerichtet; in einzigartiger und besonderer Weise strebt der Mensch, der als Abbild Gottes erschaffen ist, nach Liebe, Freude und Frieden. So verstehen wir, daß es widersinnig ist, sich anzumaßen, Gott zu beseitigen, um den Menschen leben zu lassen! Gott ist die Quelle des Lebens; ihn zu beseitigen bedeutet, sich von dieser Quelle zu trennen und sich zwangsläufig der Fülle und der Freude zu berauben: »Denn das Geschöpf sinkt ohne den Schöpfer ins Nichts« (Zweites Vatikanisches Ökumenisches Konzil, Konstitution Gaudium et spes, 36). Die derzeitige Kultur in einigen Teilen der Welt, vor allem im Westen, neigt dazu, Gott auszuschließen oder den Glauben als Privatangelegenheit ohne jegliche Bedeutung für das gesellschaftliche Leben zu betrachten. Während die gesamten Werte, die der Gesellschaft zugrunde liegen, vom Evangelium herkommen – wie der Sinn für die Würde der Person, für Solidarität, für Arbeit und Familie –, ist eine Art »Gottesfinsternis« festzustellen, ein gewisser Gedächtnisschwund, wenn nicht sogar eine ausgesprochene Ablehnung des Christentums und eine Zurückweisung des empfangenen Glaubensguts, wobei die Gefahr besteht, die eigene tiefere Identität zu verlieren.

Aus diesem Grund, liebe Freunde, lade ich euch ein, euren Weg des Glaubens an Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, entschlossen zu gehen. Ihr seid die Zukunft der Gesellschaft und der Kirche! Wie der Apostel Paulus an die Christen der Stadt Kolossä schrieb, ist es lebenswichtig, Wurzeln zu haben, solide Grundlagen! Und das gilt besonders in der heutigen Zeit, in der viele keine festen Bezugspunkte haben, um ihr Leben aufzubauen, und so zutiefst unsicher werden. Der weitverbreitete Relativismus, demzufolge alles gleich gültig und es weder eine Wahrheit noch einen absoluten Bezugspunkt gibt, bringt keine wahre Freiheit hervor, sondern Instabilität, Verwirrung, Anpassung an die Modeströmungen des jeweiligen Augenblicks. Ihr Jugendlichen habt das Recht, von euren Vorgängergenerationen Fixpunkte zu erhalten, um eure Entscheidungen zu treffen und euer Leben aufzubauen – ebenso wie eine junge Pflanze einen festen Halt braucht, bis ihre Wurzeln wachsen, um dann zu einem starken Baum zu werden, der fähig ist, Frucht zu tragen.

2.      In Christus verwurzelt und auf ihn gegründet

Um die Bedeutung des Glaubens im Leben der Gläubigen deutlich zu machen, möchte ich bei den drei Begriffen verweilen, die Paulus in seinem Wort gebraucht: »In Christus verwurzelt und auf ihn gegründet, fest im Glauben« (vgl. Kol 2,7). Wir können da drei Bilder ausmachen: »Verwurzelt« läßt an den Baum denken und an die Wurzeln, die ihn nähren; »gegründet« bezieht sich auf den Bau eines Hauses; »fest« verweist auf die Zunahme der körperlichen oder moralischen Stärke. Es sind sehr aussagekräftige Bilder. Bevor ich sie kommentiere, möchte ich nur darauf hinweisen, daß die drei Begriffe im Originaltext vom grammatischen Gesichtspunkt her Passive sind: Das bedeutet, daß Christus selbst die Initiative ergreift, die Gläubigen zu verwurzeln, zu gründen und fest zu machen.

Das erste Bild ist das des Baumes, der fest in den Boden eingepflanzt ist durch die Wurzeln, die ihm Stabilität geben und ihn nähren. Ohne Wurzeln würde er vom Wind fortgerissen werden und sterben. Was sind unsere Wurzeln? Natürlich die Eltern, die Familie und die Kultur unseres Landes; sie sind ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Identität. Die Bibel offenbart noch einen weiteren. Der Prophet Jeremia schreibt: »Gesegnet der Mann, der auf den Herrn sich verläßt und dessen Hoffnung der Herr ist. Er ist wie ein Baum, der am Wasser gepflanzt ist und am Bach seine Wurzeln ausstreckt: Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, unablässig bringt er seine Früchte« (Jer 17,7-8). Die Wurzeln auszustrecken bedeutet für den Propheten, sein Vertrauen auf Gott zu setzen. Aus ihm schöpfen wir unser Leben; ohne ihn könnten wir nicht wirklich leben, da »Gott uns das ewige Leben gegeben hat; und dieses Leben ist in seinem Sohn« (1 Joh 5,11). Jesus selbst offenbart sich als unser Leben (vgl. Joh 14,6). Daher ist der christliche Glaube nicht nur das Glauben an Wahrheiten, sondern er ist vor allem eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus; er ist die Begegnung mit dem Sohn Gottes, die dem ganzen Leben eine neue Dynamik verleiht. Wenn wir eine persönliche Beziehung zu ihm knüpfen, dann offenbart uns Christus unsere Identität, und in seiner Freundschaft wächst das Leben und wird in Fülle verwirklicht. In der Jugend gibt es einen Augenblick, in dem jeder von uns sich fragt: Welchen Sinn hat mein Leben, welches Ziel, welche Richtung soll ich ihm geben? Dies ist eine grundlegende Phase, die innere Unruhe hervorrufen kann, die manchmal auch lange anhält. Man denkt darüber nach, welchen Beruf man ergreifen, welche gesellschaftlichen Beziehungen man knüpfen, welche Zuneigungen man entwickeln soll … Ich denke bei dieser Szene an meine eigene Jugend zurück. Irgendwie hatte ich früh gewußt, daß der Herr mich als Priester haben will. Aber als ich dann nach dem Krieg im Seminar und in der Universität auf dem Weg dahin war, mußte ich doch diese Gewißheit neu erringen, mußte mich fragen: Ist es wirklich mein Weg? Ist es wirklich der Wille des Herrn für mich? Bin ich fähig, ein Leben lang ihm die Treue zu halten und ganz für ihn, für seinen Dienst da zu sein? Die Entscheidung dafür muß auch erlitten werden. Anders geht es nicht. Aber dann kam doch das Wissen: Es ist gut so. Ja, der Herr will mich, und dann gibt er mir auch die Kraft dazu. Im Hören auf ihn, im Mitgehen mit ihm werde ich wirklich ich selber. Nicht die Erfüllung meiner eigenen Wünsche zählt, sondern sein Wille. Dann wird das Leben richtig.

Wie die Wurzeln den Baum fest im Boden verankert halten, so gibt das Fundament dem Haus dauerhafte Stabilität. Durch den Glauben sind wir auf Christus gegründet (vgl. Kol 2,7), wie ein Haus auf dem Fundament erbaut ist. In der Heilsgeschichte haben wir zahlreiche Beispiele von Heiligen, die ihr Leben auf das Wort Gottes gebaut haben. Der erste ist Abraham. Unser Vater im Glauben gehorchte Gott, der ihn aufforderte, sein Vaterhaus zu verlassen und in ein unbekanntes Land zu ziehen. »Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet, und er wurde Freund Gottes genannt« (Jak 2,23). Auf Christus gegründet zu sein bedeutet, konkret auf Gottes Ruf zu antworten, ihm zu vertrauen und sein Wort in die Tat umzusetzen. Jesus selbst ermahnt seine Jünger: »Was sagt ihr zu mir: Herr! Herr!, und tut nicht, was ich sage?« (Lk 6,46). Und dann fügt er hinzu, indem er das Bild vom Bau des Hauses aufgreift: »Wer zu mir kommt und meine Worte hört und danach handelt … ist wie ein Mann, der ein Haus baute und dabei die Erde tief aushob und das Fundament auf einen Felsen stellte. Als nun ein Hochwasser kam und die Flutwelle gegen das Haus prallte, konnte sie es nicht erschüttern, weil es gut gebaut war« (Lk 6,47–48).

Liebe Freunde, baut euer Haus auf dem Felsen, wie der Mann, der »die Erde tief aushob«. Versucht auch ihr, jeden Tag dem Wort Christi zu folgen. Betrachtet ihn als den wahren Freund, mit dem ihr euren Lebensweg teilen könnt. Mit ihm an eurer Seite werdet ihr fähig sein, den Schwierigkeiten, den Problemen und auch den Enttäuschungen und Niederlagen mit Mut und Hoffnung entgegenzutreten. Euch werden immerzu leichtere Angebote gemacht, aber ihr werdet selbst merken, daß sie sich als trügerisch erweisen, euch keinen Frieden und keine Freude schenken. Nur das Wort Gottes weist uns den wahren Weg, nur der Glaube, der an uns weitergegeben wurde, ist das Licht, das den Weg erleuchtet. Nehmt dieses geistliche Geschenk, das ihr von euren Familien empfangen habt, dankbar an, und bemüht euch, verantwortungsvoll auf den Ruf Gottes zu antworten und im Glauben erwachsen zu werden. Schenkt jenen, die euch sagen, daß ihr die anderen nicht braucht, um euer Leben aufzubauen, keinen Glauben! Stützt euch vielmehr auf den Glauben derer, die euch nahestehen, auf den Glauben der Kirche, und dankt dem Herrn, daß ihr ihn empfangen und angenommen habt!

3.      Fest im Glauben

Seid »in Christus verwurzelt und auf ihn gegründet, fest im Glauben« (vgl. Kol 2,7). Der Brief, dem diese Aufforderung entnommen ist, wurde vom heiligen Paulus als Antwort auf eine bestimmte Notlage der Christen in der Stadt Kolossä geschrieben. Die Gemeinde dort war nämlich vom Einfluß gewisser kultureller Tendenzen der damaligen Zeit bedroht, welche die Gläubigen vom Evangelium abbrachten. Unser kulturelles Umfeld, liebe Jugendliche, besitzt zahlreiche Übereinstimmungen mit dem der damaligen Kolosser. Es gibt eine starke laizistische Denkströmung, die Gott aus dem Leben der Menschen und der Gesellschaft ausgrenzen will, indem sie ein »Paradies« ohne ihn in Aussicht stellt und herzustellen versucht. Aber die Erfahrung lehrt, daß die Welt ohne Gott zu einer »Hölle« wird, in der Egoismen, Spaltungen innerhalb der Familien, Haß zwischen Menschen und Völkern, Mangel an Liebe, an Freude und an Hoffnung vorherrschen. Wo die Menschen und Völker dagegen die Gegenwart Gottes annehmen, ihn in der Wahrheit anbeten und auf seine Stimme hören, wird die Zivilisation der Liebe konkret aufgebaut, in der jeder in seiner Würde geachtet wird; dort wächst die Gemeinschaft mit den Früchten, die sie hervorbringt. Es gibt jedoch Christen, die sich von der laizistischen Denkweise verführen lassen oder von religiösen Strömungen angezogen werden, die vom Glauben an Jesus Christus wegführen. Andere haben, ohne diesen Lockrufen zu folgen, einfach ihren Glauben erkalten lassen, was zwangsläufig negative Folgen auf sittlicher Ebene nach sich zieht.

Der Apostel Paulus ruft den Brüdern, die von Ideen angesteckt sind, die dem Evangelium fremd sind, die Kraft des gestorbenen und auferstandenen Christus in Erinnerung. Dieses Geheimnis ist das Fundament unseres Lebens, der Mittelpunkt des christlichen Glaubens. Alle Philosophien, die es verschmähen und als »Torheit« betrachten (1 Kor 1,23), offenbaren ihre Grenzen angesichts der großen Fragen, die im Herzen des Menschen wohnen. Deshalb möchte auch ich als Nachfolger des Apostels Petrus euch im Glauben stärken (vgl. Lk 22,32). Wir glauben fest daran, daß Jesus Christus sich am Kreuz hingegeben hat, um uns seine Liebe zu schenken; in seinem Leiden hat er unser Leid getragen, unsere Sünden auf sich genommen, uns Vergebung erlangt und mit Gott, dem Vater, versöhnt und uns den Weg zum ewigen Leben geöffnet. Auf diese Weise wurden wir von dem befreit, was unser Leben am meisten behindert: die Knechtschaft der Sünde. Und so können wir alle lieben, sogar die Feinde, und diese Liebe mit den armen und notleidenden Brüdern teilen.

Liebe Freunde, oft macht das Kreuz uns Angst, weil es die Verneinung des Lebens zu sein scheint. In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall! Es ist das »Ja« Gottes zum Menschen, der höchste Ausdruck seiner Liebe und die Quelle, aus der das ewige Leben entspringt. Aus dem am Kreuz geöffneten Herzen Jesu ist in der Tat das göttliche Leben geflossen, das demjenigen, der bereit ist, die Augen zum Gekreuzigten zu erheben, stets offen steht. Ich kann euch daher nur einladen, das Kreuz Jesu, das Zeichen der Liebe Gottes, als Quelle neuen Lebens anzunehmen. Außer dem gestorbenen und auferstandenen Christus gibt es kein Heil! Nur er kann die Welt vom Bösen befreien und das Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe wachsen lassen, nach dem wir alle streben.

4.      An Jesus Christus glauben, ohne ihn zu sehen

Das Evangelium schildert uns die Glaubenserfahrung des Apostels Thomas, wie er das Geheimnis des Kreuzes und der Auferstehung Christi annimmt. Thomas gehört zu den zwölf Aposteln; er ist Jesus nachgefolgt; er ist Augenzeuge seiner Heilungen und Wunder; er hat seine Worte gehört; er hat die Verwirrung angesichts seines Todes erlebt. Am Abend des Ostertages erscheint der Herr den Jüngern, aber Thomas ist nicht dabei, und als ihm berichtet wird, daß Jesus lebt und sich gezeigt hat, sagt er: »Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht« (Joh 20,25).

Auch wir möchten Jesus sehen und mit ihm sprechen können, seine Gegenwart noch stärker spüren. Heute ist der Zugang zu Jesus für viele schwierig geworden. Es gehen so viele Jesusbilder um, die sich als wissenschaftlich ausgeben und ihm seine Größe, das Einzigartige seiner Person wegnehmen. Deswegen ist in mir in langen Jahren des Studiums und der Meditation der Gedanke gereift, etwas von meiner eigenen Begegnung mit Jesus in einem Buch weiterzugeben: gleichsam um anderen zu helfen, den Herrn zu sehen, zu hören, zu berühren, in dem Gott zu uns gekommen ist, damit wir ihn kennenlernen. Als Jesus acht Tage später den Jüngern noch einmal erscheint, sagt er selbst zu Thomas: »Streck deinen Finger aus – hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!« (Joh 20,27). Auch wir können Jesus spürbar berühren, können sozusagen die Hand auf die Zeichen seines Leidens, die Zeichen seiner Liebe legen: In den Sakramenten ist er uns besonders nahe, schenkt er sich uns hin. Liebe Jugendliche, lernt, Jesus zu »sehen«, ihm zu »begegnen«: in der Eucharistie, in der er so gegenwärtig und nahe ist, daß er zur Speise auf unserem Weg wird, und im Bußsakrament, wo der Herr seine Barmherzigkeit erweist, indem er uns stets seine Vergebung anbietet. Erkennt und dient Jesus auch in den Armen, in den Kranken, in den Brüdern, die in Not sind und Hilfe brauchen.

Knüpft und pflegt einen persönlichen Dialog mit Jesus Christus im Glauben. Lernt ihn kennen durch das Lesen der Evangelien und des Katechismus der Katholischen Kirche; kommt im Gebet mit ihm ins Gespräch, schenkt ihm euer Vertrauen: Er wird es niemals enttäuschen! »Der Glaube ist eine persönliche Bindung des Menschen an Gott und zugleich, untrennbar davon, freie Zustimmung zu der ganzen von Gott geoffenbarten Wahrheit« (Katechismus der Katholischen Kirche, 150). So könnt ihr einen reifen, festen Glauben erlangen, der nicht nur auf einem religiösen Gefühl oder auf einer vagen Erinnerung an den Religionsunterricht eurer Kindheit gründet. Ihr könnt Gott kennenlernen und wirklich aus ihm leben wie der Apostel Thomas, als er mit Nachdruck seinen Glauben an Jesus bezeugt: »Mein Herr und mein Gott!«.

5.      Vom Glauben der Kirche getragen, um Zeugen zu sein

In jenem Augenblick ruft Jesus aus: »Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!« (Joh 20,29). Er denkt an den Weg der Kirche, die auf dem Glauben der Augenzeugen, der Apostel, gründet. So verstehen wir, daß unser persönlicher Glaube an Christus, der aus dem Dialog mit ihm entstanden ist, an den Glauben der Kirche gebunden ist: Wir sind keine isolierten Gläubigen, sondern wir sind durch die Taufe Glieder dieser großen Familie, und der von der Kirche bekannte Glaube schenkt unserem persönlichen Glauben Sicherheit. Das Glaubensbekenntnis, das wir in der Sonntagsmesse sprechen, schützt uns genau vor der Gefahr, an einen Gott zu glauben, der nicht der ist, den Jesus uns offenbart hat: »Jeder Glaubende ist so ein Glied in der großen Kette der Glaubenden. Ich kann nicht glauben, wenn ich nicht durch den Glauben anderer getragen bin, und ich trage durch meinen Glauben den Glauben anderer mit« (Katechismus der Katholischen Kirche, 166). Wir wollen dem Herrn stets für das Geschenk der Kirche danken; sie läßt uns sicher im Glauben voranschreiten, der uns das wahre Leben gibt (vgl. Joh 20,31).

In der Geschichte der Kirche haben die Heiligen und die Märtyrer aus dem glorreichen Kreuz Christi die Kraft geschöpft, Gott bis zur Selbsthingabe treu zu sein; im Glauben haben sie die Kraft gefunden, ihre eigenen Schwächen zu besiegen und alle Widrigkeiten zu überwinden. Denn, wie der Apostel Johannes sagt, »wer sonst besiegt die Welt, außer dem, der glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist?« (1 Joh 5,5). Und der Sieg, der aus dem Glauben kommt, ist der Sieg der Liebe. Wie viele Christen waren und sind ein lebendiges Zeugnis von der Kraft des Glaubens, die in der Liebe zum Ausdruck kommt: Sie stifteten Frieden, förderten die Gerechtigkeit, setzten sich für eine menschlichere Welt ein, eine Welt nach dem Plan Gottes; sie haben sich in den verschiedenen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens mit Sachverstand und Erfahrung eingebracht und haben so wirksam zum Wohl aller beigetragen. Die Liebe, die aus dem Glauben kommt, hat sie zu einem sehr konkreten Zeugnis geführt, in Worten und in Werken: Christus ist kein Gut, das nur für uns selbst bestimmt ist, er ist das kostbarste Gut, das wir haben, um es mit den anderen zu teilen. Im Zeitalter der Globalisierung sollt ihr Zeugen der christlichen Hoffnung in der ganzen Welt sein: Viele haben den Wunsch, diese Hoffnung zu empfangen! Vor dem Grab des Freundes Lazarus, der seit vier Tagen tot war, sagte Jesus, bevor er ihn ins Leben zurückrief, zu dessen Schwester Marta: »Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen« (vgl. Joh 11,40). Wenn ihr glaubt, wenn ihr jeden Tag euren Glauben lebt und bezeugt, werdet auch ihr zum Werkzeug, durch das andere Jugendliche wie ihr den Sinn und die Freude des Lebens wiederentdecken, die aus der Begegnung mit Christus entsteht!

6.      In Vorbereitung auf den Weltjugendtag in Madrid

Liebe Freunde, ich lade euch erneut ein, zum Weltjugendtag in Madrid zu kommen. Mit tiefer Freude erwarte ich jeden von euch persönlich: Christus will euch durch die Kirche im Glauben festigen. Die Entscheidung, an Christus zu glauben und ihm nachzufolgen, ist nicht einfach; sie wird behindert durch unsere vielfache persönliche Untreue und durch viele Stimmen, die leichtere Wege aufzeigen. Laßt euch nicht entmutigen, sondern sucht vielmehr die Unterstützung der christlichen Gemeinschaft, die Unterstützung der Kirche! Bereitet euch im Laufe dieses Jahres mit euren Bischöfen, euren Priestern und den Verantwortlichen für die Jugendpastoral in den Diözesen, in den Pfarrgemeinden, in den Verbänden und in den Bewegungen intensiv auf die Begegnung in Madrid vor. Die Qualität unseres Treffens hängt vor allem von der geistlichen Vorbereitung ab, vom Gebet, vom gemeinsamen Hören auf das Wort Gottes und von der gegenseitigen Unterstützung.

Liebe Jugendliche, die Kirche zählt auf euch! Sie braucht euren lebendigen Glauben, eure kreative Liebe und die Dynamik eurer Hoffnung. Eure Anwesenheit erneuert die Kirche, verjüngt sie und schenkt ihr neuen Schwung. Daher sind die Weltjugendtage nicht nur für euch, sondern für das ganze Gottesvolk eine Gnade. Die Kirche in Spanien bereitet sich tatkräftig darauf vor, euch aufzunehmen und gemeinsam die freudige Erfahrung des Glaubens zu leben. Ich danke den Diözesen, den Pfarreien, den Wallfahrtsstätten, den Ordensgemeinschaften sowie den kirchlichen Verbänden und Bewegungen, die großherzig an der Vorbereitung dieses Ereignisses arbeiten; der Herr wird sie reich segnen. Die Jungfrau Maria möge diesen Weg der Vorbereitung begleiten. Bei der Verkündigung des Engels nahm sie das Wort Gottes im Glauben an; im Glauben stimmte sie dem Werk zu, das Gott in ihr gerade vollbrachte. Als sie ihr »Fiat« – ihr »Ja« – sprach, empfing sie das Geschenk einer unermeßlichen Liebe, die sie drängte, sich ganz Gott hinzugeben. Möge sie für jeden und jede von euch Fürsprecherin sein, damit ihr auf dem kommenden Weltjugendtag im Glauben und in der Liebe wachsen könnt. Ich versichere euch mein väterliches Gebetsgedenken und segne euch von Herzen.

Aus dem Vatikan, am 6. August 2010, dem Fest der Verklärung des Herrn

BENEDICTUS PP. XVI

  



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