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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DEN PRÄSIDENTEN DES LUTHERISCHEN WELTBUNDES

Montag, 7. November 2005

 

Lieber Bischof Hanson,
liebe lutherische Freunde!

Mit großer Freude heiße ich Sie, die Vertreter des Lutherischen Weltbundes, anläßlich Ihres offiziellen Besuches in Rom willkommen. Dankbar erinnere ich mich an die Anwesenheit Ihrer Delegation beim Begräbnis des verstorbenen Papstes Johannes Paul II. und bei meiner feierlichen Amtsübernahme als Bischof von Rom.

Die katholische Kirche und der Lutherische Weltbund unterhalten seit vielen Jahren enge Kontakte und nehmen an einem intensiven ökumenischen Dialog teil. Dieser Gedankenaustausch war äußerst ergiebig und vielversprechend. Denn eines der Ergebnisse dieses fruchtbaren Dialogs war die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die ein wichtiger Meilenstein auf unserem ökumenischen Weg zur sichtbaren und vollen Einheit ist. Das ist ein bedeutsames Ergebnis. Wenn wir davon ausgehend weiterbauen wollen, müssen wir akzeptieren, daß im Hinblick auf die Kernfrage der Rechtfertigung Unterschiede bestehen; mit ihnen muß man sich befassen, ebenso wie mit der verschiedenen Art und Weise, durch die Gottes Gnade in der Kirche und durch die Kirche mitgeteilt wird.

Wie ich bei meinem jüngsten Besuch in Köln bekräftigt habe, hoffe ich, daß unser Dialog über solche Themen in Zukunft nicht nur im Kontext der »institutionellen« Fragen weitergeführt wird, sondern daß er die authentische Quelle jedes Dienstamtes in der Kirche berücksichtigt. Denn die Sendung der Kirche besteht im Zeugnisgeben für die Wahrheit Jesu Christi, des menschgewordenen Wortes. Wort und Zeugnis gehen Hand in Hand: Das Wort fordert und formt das Zeugnis. Das Zeugnis schöpft seine Authentizität aus der vollen Treue zum Wort, so wie es in der apostolischen Glaubensgemeinschaft unter der Führung des Heiligen Geistes ausgedrückt und gelebt wird. Die Internationale lutherische/römischkatholische Kommission für die Einheit wird ihre vierte Dialogphase bald zum Abschluß führen und die Ergebnisse in einem Dokument über die Apostolizität der Kirche veröffentlichen. Wir wissen alle, daß unser brüderlicher Dialog nicht nur vor der Herausforderung steht, die Aufnahme dieser gemeinsamen Lehraussagen in unseren jeweiligen Gemeinschaften prüfen zu müssen, sondern daß er sich heute mehr denn je auseinanderzusetzen hat mit einem weitverbreiteten Klima der Unsicherheit hinsichtlich der christlichen Wahrheiten und ethischen Prinzipien, die früher nicht angezweifelt wurden. Dieses gemeinsame Erbe wird in einigen Fällen durch veränderte hermeneutische Ansätze untergraben.

Unser gemeinsamer ökumenischer Weg wird noch öfter Schwierigkeiten begegnen und eines geduldigen Dialogs bedürfen. Aber ich fühle mich sehr ermutigt durch die solide Tradition des ernsthaften Studiums und Austausches, die die Beziehungen zwischen Lutheranern und Katholiken im Laufe der Jahre gekennzeichnet hat. Uns ermutigt zudem die Tatsache, daß unsere Suche nach der Einheit von der Gegenwart des auferstandenen Herrn und von der unerschöpflichen Kraft seines Geistes geleitet wird, »der weht, wo er will« (Joh 3,8). Wenn wir uns auf die 500-Jahr-Feier der Ereignisse von 1517 vorbereiten, müssen wir die Anstrengungen intensivieren, damit wir noch besser erkennen, was wir gemeinsam haben und was uns trennt und dadurch die Gaben sehen, die wir uns gegenseitig anbieten können. Während wir diesen Weg ständig weitergehen, bitten wir darum, daß das Antlitz Christi immer heller in seinen Jüngern erstrahle, denn alle sollen eins sein, damit die Welt glaubt (vgl. Joh 17,21).

Danken wir Gott für alles, was bis jetzt in den Beziehungen zwischen Lutheranern und Katholiken erreicht wurde, und bitten wir, daß wir weiterhin gemeinsam auf die Einheit zugehen, die der Herr selbst will.

 

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