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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE BISCHÖFE AUS IRLAND
ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Samstag, 28. Oktober 2006

 

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Mit den Worten eines traditionellen irischen Grußes heiße ich euch, die Bischöfe Irlands, zu eurem »Ad-limina«-Besuch »hunderttausendmal willkommen«. Während ihr die Gräber der Apostel Petrus und Paulus verehrt, mögt ihr euch anregen lassen vom Mut und vom Weitblick dieser beiden großen Heiligen, die der Kirche in ihrer Sendung, Christus der Welt zu verkünden, getreu vorangegangen sind. Heute seid ihr gekommen, um die Bande der Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri zu festigen, und gerne bringe ich meine Dankbarkeit für die freundlichen Worte zum Ausdruck, die der Präsident eurer Bischofskonferenz, Erzbischof Seán Brady, in eurem Namen an mich gerichtet hat. Das stete Zeugnis unzähliger Generationen des irischen Volkes für ihren Glauben an Christus und ihre Treue zum Heiligen Stuhl hat die Geschichte und die Kultur Irlands zutiefst geprägt. Wir alle sind uns jenes bedeutenden Beitrags bewußt, den Irland für das Leben der Kirche geleistet hat, und kennen den außerordentlichen Mut seiner Söhne und Töchter, die als Missionare die Botschaft des Evangeliums weit über die Küsten des Landes hinausgetragen haben. Unterdessen hat das Feuer des Glaubens in der Heimat mutig weitergebrannt, durch alle Prüfungen hindurch, die euer Volk im Laufe seiner Geschichte durchstehen mußte. Mit den Worten des Psalmisten »will ich ewig singen von den Taten deiner Huld, Herr, bis zum fernsten Geschlecht laut deine Treue verkünden« (vgl. Ps 89,2).

Die Gegenwart bietet zahlreiche neue Gelegenheiten, Christus zu bezeugen und stellt die Kirche Irlands vor neue Herausforderungen. Ihr habt von den Folgen gesprochen, die der zunehmende Wohlstand während der vergangenen 15 Jahre für die Gesellschaft hatte. Nach Jahrhunderten der Emigration, die für so viele Familien schmerzliche Trennung bedeutet hat, erlebt ihr nun erstmals eine Welle der Immigration. Die traditionelle irische Gastfreundschaft findet unerwartete neue Betätigungsfelder. Wie der weise Hausherr, der aus seinem reichen Vorrat »Neues und Altes hervorholt« (Mt 13,52), muß euer Volk die Veränderungen in der Gesellschaft mit Unterscheidungsvermögen beurteilen, und dafür erwartet es eure Führung. Helft ihm zu erkennen, daß die weltliche und materialistische Kultur unfähig ist, wahre Zufriedenheit und Freude hervorzubringen. Sprecht mutig von der Freude, die der Nachfolge Christi und dem Leben nach seinen Geboten entspringt. Erinnert sie daran, daß wir auf den Herrn hin geschaffen sind und unser Herz ruhelos ist, bis es in ihm ruht (vgl. Augustinus, Confessiones, 1,1).

Häufig wird das dem Trend der Kultur entgegengesetzte Zeugnis der Kirche in der heutigen Gesellschaft als etwas Rückständiges und Negatives mißverstanden. Daher ist es wichtig, die Frohe Botschaft, die lebensspendende und das Leben bis zu seiner ganzen Fülle vermehrende Botschaft des Evangeliums hervorzuheben (vgl. Joh 10,10). Obwohl es notwendig ist, nachdrücklich auf die uns bedrohenden Übel hinzuweisen, müssen wir dennoch die Auffassung, daß der Katholizismus lediglich eine »Sammlung von Verboten« ist, richtigstellen. Was wir hier brauchen, ist eine gute Katechese und sorgfältige »Formung des Herzens«, und in dieser Hinsicht seid ihr in Irland mit wirksamen Mitteln gesegnet durch euer Netz von katholischen Schulen und zahlreiche engagierte Ordensleute und Laien, die sich als Lehrer intensiv für die Erziehung der Jugend einsetzen. Bestärkt sie weiterhin in ihrer Aufgabe und sorgt dafür, daß ihre katechetischen Programme auf dem Katechismus der Katholischen Kirche und auch auf dem neuen Kompendium gründen. Jede oberflächliche Darstellung der katholischen Lehre muß vermieden werden, denn nur die Fülle des Glaubens kann die befreiende Kraft des Evangeliums vermitteln. Durch die aufmerksame Überprüfung der Qualität der Lehrprogramme und der verwendeten Lehrbücher und durch die Verkündung der kirchlichen Lehre in ihrer Ganzheit erfüllt ihr eure Aufgabe, das Wort zu verkünden, ob man es hören will oder nicht, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung (vgl. 2 Tim 4,2).

Bei der Ausübung eures pastoralen Amtes mußtet ihr euch in den letzten Jahren mit zahlreichen erschütternden Fällen sexuellen Mißbrauchs an Minderjährigen befassen, die um so tragischer sind, wenn der Verantwortliche dem Klerus angehört. Die von solchen Taten verursachten Wunden sind tief, und es ist ein dringendes Anliegen, die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen überall dort wieder herzustellen, wo sie zerstört worden sind. In eurem unermüdlichen Bemühen, dieses Problem in wirksamer Weise anzugehen, ist es vor allem wichtig, die Wahrheit über das ans Licht zu bringen, was in der Vergangenheit geschehen ist, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit sich derartiges nicht mehr wiederholt, zu gewährleisten, daß die Prinzipien der Gerechtigkeit vollkommen geachtet werden und, vor allem, den Opfern und all jenen Heilung zu bringen, die von diesen ungeheuerlichen Verbrechen betroffen sind. Dadurch wird die Kirche in Irland gestärkt werden und mehr und mehr in der Lage sein, die erlösende Kraft des Kreuzes Christi zu bezeugen. Ich bete, daß durch die Gnade des Heiligen Geistes diese Zeit der Reinigung dem Volk Gottes in Irland ermögliche, »die Heiligung, die sie empfangen haben, mit Gottes Gnade im Leben [zu] bewahren und zur vollen Entfaltung [zu] bringen« (Lumen gentium, 40).

Die hervorragende Arbeit und der selbstlose Einsatz der überwiegenden Mehrheit der irischen Priester und Ordensleute sollte durch die Vergehen einiger ihrer Brüder nicht beeinträchtigt werden. Zweifellos wissen die Menschen das und werden ihrem Klerus auch weiterhin Zuneigung und Achtung entgegenbringen. Ermutigt eure Priester, stets spirituelle Erneuerung zu suchen und jene Freude neu zu entdecken, ihren Dienst für ihre Herden in der großen Familie der Kirche zu tun. Einst war Irland mit einem solchen Reichtum von Priester- und Ordensberufungen gesegnet, daß ihr apostolisches Wirken einem großen Teil der Welt zugute kommen konnte. In letzter Zeit jedoch ist die Zahl der Berufungen stark zurückgegangen.

Wie dringend ist es daher, die Worte des Herrn zu beherzigen: »Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden« (Mt 9,37–38). Mit Freude habe ich erfahren, daß zahlreiche eurer Diözesen die Praxis des stillen Gebets eingeführt haben, mit dem vor dem Allerheiligsten Sakrament um Berufungen gebetet wird; eine Initiative, die sehr gefördert werden sollte. Doch vor allem kommt es euch, den Bischöfen, und eurem Klerus zu, jungen Menschen eine begeisternde und anziehende Sichtweise des geweihten Priestertums zu vermitteln. Unser Gebet für die Berufungen geschieht darin, »daß aus Wort Tun wird, daß aus unserem betenden Herzen dann der Funke der Freude an Gott, der Freude am Evangelium, der Bereitschaft zum ›Ja-sagen‹ in die anderen Herzen überspringt« (Ansprache an die Priester und Ständigen Diakone, Freising, 14. September 2006; in O.R. dt., Nr. 38, 22.9.2006, S. 11). Auch wenn der christliche Einsatz in gewissen Kreisen als unmodern gilt, so ist dennoch bei den Jugendlichen Irlands ein echter spiritueller Hunger vorhanden sowie das hochherzige Verlangen, anderen zu dienen. Die Berufung zum Priestertum oder zum Ordensleben ist eine Möglichkeit, diesem Wunsch auf eine Art und Weise zu entsprechen, die tiefe Freude und persönliche Erfüllung mit sich bringt.

Erlaubt mir, eine Bemerkung hinzuzufügen, die mir sehr am Herzen liegt. Seit vielen Jahren haben Vertreter aller christlicher Religionen, führende Politiker und zahlreiche Männer und Frauen guten Willens nach Möglichkeiten gesucht, um Nordirland eine bessere Zukunft zu sichern. Trotz des beschwerlichen Wegs konnten in letzter Zeit große Fortschritte gemacht werden. Ich hoffe, daß der Einsatz aller Beteiligten zu einer Gesellschaft führen wird, die vom Geist der Versöhnung, gegenseitiger Achtung und bereitwilliger Kooperation zum Wohl aller geprägt ist.

Während ihr euch auf die Rückkehr in eure Diözesen vorbereitet, empfehle ich euer apostolisches Amt der Fürsprache aller Heiligen Irlands und versichere euch meiner tiefen Zuneigung und meines ständigen Gebets für euch und das irische Volk. Möge »Unsere Liebe Frau von Knock« über euch wachen und euch stets schützen. Euch allen und den Priestern, Ordensleuten und Laien eurer geliebten Insel erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen als Unterpfand des Friedens und der Freude im Herrn Jesus Christus.

 

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