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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE TEILNEHMER DER
WELTKONFERENZ DER SÄKULARINSTITUTE

Clementina-Saal
Samstag, 3. Februar 2007

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Ich bin glücklich, heute unter euch zu sein, Mitglieder der Säkularinstitute, mit denen ich zum ersten Mal seit meiner Wahl auf den Stuhl des Apostels Petrus zusammentreffe. Ich begrüße euch alle herzlich. Ich begrüße Herrn Kardinal Franc Rodé, Präfekt der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, und danke ihm für die Worte der Zuneigung und geistigen Nähe, die er auch in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich begrüße Kardinal Cottier und den Sekretär eurer Kongregation. Mein Gruß gilt auch der Präsidentin der Weltkonferenz der Säkularinstitute, die sich zum Sprachrohr der Gefühle und Erwartungen von euch allen gemacht hat, die ihr aus verschiedenen Ländern, aus allen Kontinenten hier zusammengekommen seid, um ein internationales Symposion über die Apostolische Konstitution Provida Mater Ecclesia abzuhalten.

Wie bereits gesagt wurde, sind 60 Jahre seit jenem 2. Februar 1947 vergangen, als mein Vorgänger Pius XII. diese Apostolische Konstitution promulgierte und so einer in den vorangegangenen Jahrzehnten vorbereiteten Erfahrung eine theologisch-rechtliche Gestalt gab und in den Säkularinstituten eine der unzähligen Gaben anerkannte, mit denen der Heilige Geist den Weg der Kirche begleitet und sie zu allen Zeiten erneuert. Jener Rechtsakt bildete nicht etwa den Zielpunkt als vielmehr den Ausgangspunkt eines Weges, der zu einer neuen Form der Weihe führen sollte: der Weihe gläubiger Laien und Diözesanpriester, die dazu berufen sind, gerade jene »Weltlichkeit«, in die sie durch ihren Lebensstand oder den pastoralen Dienst eingebunden sind, mit einer dem Evangelium entsprechenden Radikalität zu leben. Ihr seid heute hier, um jenen vor 60 Jahren begonnenen Weg weiter zu umreißen, der euch in Christus Jesus als immer leidenschaftlichere Träger des Sinnes der Welt und der Geschichte erkennbar macht. Eure Leidenschaft entsteht daraus, daß ihr die Schönheit Christi entdeckt habt, die Schönheit seiner einmaligen Art, das Leben zu lieben, ihm zu begegnen, es zu heilen, es zu erfreuen, ihm Trost zu spenden. Und euer Leben will diese Schönheit besingen, damit euer Sein in der Welt Zeichen eures Seins in Christus sei.

Eure Eingliederung in die menschlichen Angelegenheiten zu einem theologischen Ort zu machen ist in der Tat das Geheimnis der Menschwerdung (»Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab«: Joh 3,16). Das Heilswerk erfüllt sich nicht im Gegensatz zur Geschichte der Menschen, sondern in ihr und durch sie. Diesbezüglich stellt der Brief an die Hebräer fest: »Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn« (1,1–2a). Die erlösende Heilstat ist im Rahmen der Zeit und der Geschichte geschehen und wurde als Gehorsam gegenüber dem Plan Gottes erfahren, der in das aus seinen Händen hervorgegangene Werk eingeschrieben ist. Und noch einmal ist es der Text des Hebräerbriefes, der das herausstellt: »Zunächst sagt er: ›Schlacht- und Speiseopfer, Brand- und Sündopfer forderst du nicht, du hast daran kein Gefallen‹, obgleich sie doch nach dem Gesetz dargebracht werden; dann aber hat er gesagt: ›Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun‹« (10,8–9a). Diese Psalmworte, die der Brief an die Hebräer in dem innertrinitarischen Dialog ausgedrückt sieht, sind Worte des Sohnes, der zum Vater sagt: »Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun.« Und so verwirklicht sich die Menschwerdung: »Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun.« Der Herr bezieht uns in seine Worte ein, so daß sie zu unseren Worten werden: Ja, ich komme mit dem Herrn, mit dem Sohn, um deinen Willen zu tun.

So zeichnet sich mit aller Klarheit der Weg eurer Heiligung ab: die selbstlose Treue zu dem im offenbarten Wort zum Ausdruck gebrachten Heilsplan, die Solidarität mit der Geschichte, das Suchen nach dem Willen des Herrn, der in das von seiner Vorsehung gelenkte menschliche Geschehen eingeschrieben ist. Und gleichzeitig sind die Kennzeichen des Sendungsauftrages in der Welt festzustellen: das Zeugnis der menschlichen Tugenden wie »Gerechtigkeit, Friede und Freude« (Röm 14,17), das »rechtschaffene Leben«, von dem Petrus in seinem Ersten Brief (2,12) spricht und damit das Wort des Meisters anklingen läßt: »So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen« (Mt 5,16). Zum weltlichen Sendungsauftrag gehört außerdem der Einsatz für den Aufbau einer Gesellschaft, die in den verschiedenen Bereichen die Würde der menschlichen Person und die für ihre volle Verwirklichung unverzichtbaren Werte anerkennen soll: von der Politik bis zur Wirtschaft, von der Erziehung bis zum Einsatz im Gesundheitswesen, von der Verwaltung der Dienstleistungen bis hin zur wissenschaftlichen Forschung. Jede vom Christen gelebte eigene und spezifische Wirklichkeit, die eigene Arbeit und die eigenen konkreten Interessen finden, auch wenn sie ihre relative Beschaffenheit bewahren, ihre Endabsicht darin, daß sie sich demselben Ziel anschließen, für das der Sohn Gottes in die Welt gekommen ist. Fühlt euch daher von jedem Schmerz, von jeder Ungerechtigkeit ebenso auf den Plan gerufen wie von jeder Suche nach Wahrheit, nach Schönheit und nach Güte, nicht weil ihr die Lösung für alle Probleme hättet, sondern weil jede Bedingung, in der ein Mensch lebt oder stirbt, für euch eine Gelegenheit darstellt, das Heilswerk Gottes zu bezeugen. Das ist euer Sendungsauftrag. Eure Weihe hebt einerseits die besondere Gnade hervor, die euch für die Verwirklichung der Berufung vom Heiligen Geist zuteil wird, und verpflichtet euch andererseits zu einer totalen Fügsamkeit des Geistes, des Herzens und des Willens gegenüber dem Plan Gottes des Vaters, offenbart in Christus Jesus, zu dessen radikaler Nachfolge ihr berufen worden seid.

Jede Begegnung mit Christus verlangt einen tiefen Gesinnungswandel, aber für manche ist – so wie es bei euch der Fall war – die Forderung des Herrn besonders anspruchsvoll: alles verlassen, weil in eurem Leben Gott alles ist und alles sein wird. Es geht nicht einfach um eine andere Art, mit Christus in Beziehung zu treten und eure Treue zu ihm auszudrücken, sondern um eine Entscheidung für Gott, der von euch ein absolut totales Vertrauen in ihn fordert. Das eigene Leben dem Leben Christi anzugleichen, indem man in seine Worte eindringt, das eigene Leben durch die Übung der evangelischen Räte dem Leben Christi anzugleichen, ist ein grundlegendes und verbindliches Merkmal, das in seiner Besonderheit von »Alpinisten des Geistes«, wie der verehrte Papst Paul VI. euch nannte (vgl. Ansprache an die Teilnehmer am I. Internationalen Kongreß der Säkularinstitute: Insegnamenti, VIII, 1970, S. 939), konkrete Einsätze und Gesten fordert.

Der weltliche Charakter eurer Weihe hebt einerseits die Mittel hervor, mit denen ihr euch um ihre Verwirklichung bemüht, das heißt jene Mittel, die jedem Mann und jeder Frau eigen sind, die in gewöhnlichen Verhältnissen in der Welt leben, und andererseits die Form ihrer Entfaltung als einer tiefen Beziehung zu den Zeichen der Zeit, zu deren Unterscheidung im Licht des Evangeliums ihr persönlich und gemeinsam aufgerufen seid. Schon oft ist gerade bei dieser Unterscheidung maßgeblich euer Charisma festgestellt worden, so daß ihr gleichsam Laboratorien für den Dialog mit der Welt sein könnt, jene »Versuchslaboratorien, in denen die Kirche die konkreten Möglichkeiten ihrer Beziehungen zur Welt einer Probe unterzieht« (Paul VI., Ansprache an die Teilnehmer an der Weltkonferenz der Säkularinstitute, 25.8.1976, in O.R. dt., 36, 3.9.1976, 2). Genau hier entsteht die anhaltende Aktualität eures Charismas, weil diese Unterscheidung nicht von außerhalb der Wirklichkeit, sondern aus ihrem Inneren, durch ein volles Involviertsein in sie, erfolgen soll. Das geschieht durch die Alltagsbeziehungen, die ihr in den familiären und gesellschaftlichen Verbindungen, in der beruflichen Tätigkeit, im Gefüge des Gemeinwesens und der kirchlichen Gemeinschaft knüpft. Die Begegnung mit Christus, das Sich- Hineinstellen in seine Nachfolge macht uns offen und drängt uns zur Begegnung mit jedermann, denn wenn sich Gott nur in der trinitarischen Gemeinschaft verwirklicht, wird auch der Mensch nur in der Gemeinschaft seine Erfülltheit finden.

Von euch wird nicht verlangt, besondere Lebensformen, besondere Formen apostolischer Verpflichtung oder sozialer Einsätze einzurichten, außer jenen, die in den persönlichen Beziehungen, die Quellen prophetischen Reichtums sind, entstehen können. Euer Leben sei wie der Sauerteig, der das ganze Mehl durchsäuert und aufgehen läßt (vgl. Mt 13,33): manchmal still und verborgen, aber immer konstruktiv und ermutigend und fähig, Hoffnung hervorzubringen. Der Ort eures Apostolats ist daher alles Menschliche. Dies betrifft nicht nur das Leben innerhalb der christlichen Gemeinschaft, wo die Beziehung gestärkt wird durch das Hören des Wortes und das sakramentale Leben, aus dem ihr schöpft, um eure aus der Taufe rührende Identität zu stützen. Der Ort eures Apostolats ist, wie gesagt, alles Menschliche sowohl innerhalb der christlichen Gemeinschaft als auch in der Zivilgesellschaft. In letzterer verwirklicht sich die Beziehung in der Suche nach dem Gemeinwohl, im Dialog mit allen, die berufen sind, Zeugnis zu geben von jener christlichen Anthropologie, die in einer vom multikulturellen und multireligiösen Klima desorientierten und verwirrten Gesellschaft ein Sinnangebot darstellt.

Ihr kommt aus verschiedenen Ländern; verschieden sind die kulturellen, politischen und auch religiösen Verhältnisse, in denen ihr lebt, arbeitet, alt werdet. In allen Situationen sucht ihr die Wahrheit, die menschliche Offenbarung Gottes im Leben. Wir wissen, es ist ein langer Weg, dessen Gegenwart unruhig, dessen Ausgang aber sicher ist. Verkündet die Schönheit Gottes und seiner Schöpfung. Seid nach dem Vorbild Christi der Liebe gehorsam, sanftmütige und barmherzige Männer und Frauen, fähig, die Wege der Welt zurückzulegen, indem ihr nur Gutes tut. Euer Leben soll in den Mittelpunkt die Seligpreisungen stellen und so der menschlichen Logik widersprechen, um ein bedingungsloses Vertrauen in Gott zum Ausdruck zu bringen, der will, daß der Mensch glücklich ist. Die Kirche braucht auch euch, um ihre Sendung zu vollenden. Seid Samen der Heiligkeit, der mit vollen Händen in die Ackerfurchen der Geschichte ausgesät wird. Da ihr in dem unentgeltlichen und wirksamen Handeln verwurzelt seid, durch das der Geist des Herrn die menschlichen Geschicke lenkt, könnt ihr Früchte echten Glaubens erbringen, indem ihr durch euer Leben und euer Zeugnis Gleichnisse für Hoffnung schreibt, und zwar durch die Werke, die von der »Phantasie der Liebe« angeregt wurden (vgl. Johannes Paul II. Apostol. Schreiben Novo millennio ineunte, 50).

Mit diesen Wünschen versichere ich euch meines beständigen Gebetes und erteile euch zur Unterstützung eurer Initiativen im Apostolat und in der Nächstenliebe einen besonderen Apostolischen Segen.

 

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