ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN FAUSTO CORDOVEZ CHIRIBOGA,
NEUER BOTSCHAFTER DER REPUBLIK ECUADOR
BEIM HL. STUHL*
Samstag, 27. Oktober 2007
Herr Botschafter!
1. Gern nehme ich das Schreiben entgegen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Ecuador beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Während ich Sie bei diesem feierlichen Akt herzlich willkommen heiße, möchte ich einmal mehr meiner aufrichtigen Zuneigung Ausdruck geben, die ich für alle Söhne und Töchter dieser edlen Nation empfinde.
Ich danke Ihnen für den ehrerbietigen Gruß, den Sie mir freundlicherweise vom Herrn Staatspräsidenten Dr. Rafael Correa Delgado überbracht haben sowie für die liebenswürdigen Worte für diesen Apostolischen Stuhl und meine Person, die auch die treuen Empfindungen des ecuadorianischen Volkes bezeugen. Ich bitte Sie daher höflich, ihm meine aufrichtige Dankbarkeit zukommen zu lassen.
2. Während meines Besuchs in Ecuador im Jahr 1978 als Vertreter Papst Johannes Pauls II. hatte ich die Freude, einem friedlichen, einfachen und gastfreundlichen Volk zu begegnen, das aber vor allem fest im christlichen Glauben verwurzelt ist, der, wie Sie in ihren Worten hervorgehoben haben, im Laufe mehrerer Generationen so viele Früchte getragen hat. In diesem Sinn möchte ich an die hl. Marianita de Jesús und ganz besonders an die sel. Narcisa de Jesús erinnern, die sehr beliebt ist beim gläubigen Volk, das sich ihre baldige Heiligsprechung wünscht.
In ihren Heiligen entdecken die Christgläubigen die reife Frucht eines Glaubens, der ihre Geschichte geprägt hat. Es handelt sich um ein Erbe, das im Laufe der Jahrhunderte weitergegeben wurde und das unter verschiedenen Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit und der Kunst zusammen mit den sittlichen, bürgerlichen und sozialen Werten zu ihrer Identität als Nation gehört.
3. Die Menschheit steht heute vor neuen Freiheits- und Hoffnungsszenarien, die oft durch instabile politische Verhältnisse und durch die Folgen schwacher Sozialstrukturen getrübt werden. Zudem wächst immer mehr die gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Staaten. Deshalb ist es dringend nötig, sich für den Aufbau einer inneren und internationalen Ordnung einzusetzen, die das friedliche Zusammenleben, die Zusammenarbeit, die Achtung der Menschenrechte und vor allem die Anerkennung der zentralen Stellung der menschlichen Person und ihrer unverletzlichen Würde fördert.
In diesem Sinn und bei dem Gedanken an die unzähligen Ecuadorianer, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft für sich selbst und ihre Familien unter schwierigen Bedingungen in andere Länder emigrieren, können wir nicht vergessen, daß »Liebe – Caritas – immer nötig sein wird, auch in der gerechtesten Gesellschaft. Es gibt keine gerechte Staatsordnung, die den Dienst der Liebe überflüssig machen könnte. Wer die Liebe abschaffen will, ist dabei, den Menschen als Menschen abzuschaffen« (Deus Caritas est, 28). Die Liebe als hochherzige Selbsthingabe an den anderen hat daher dieses Netz von Erziehungs- und Hilfswerken zur Förderung und Entwicklung hervorgebracht – und tut dies weiterhin –, Werke, die der Kirche und der Gesellschaft in Ekuador zur Ehre gereichen.
4. Die katholische Kirche, die »kraft ihrer Sendung und Natur an keine besondere Form menschlicher Kultur und an kein besonderes politisches, wirtschaftliches oder gesellschaftliches System gebunden ist« (II. Vat. Konzil, Konstitution Gaudium et spes, 42), leistet durch den ihr eigenen pastoralen Dienst einen bedeutenden Beitrag zum Gemeinwohl des Landes. Daran erkennt man die Notwendigkeit, den Bereich der Freiheit zu fördern und zu stärken, den die Verfassungs- und Gesetzestexte Ecuadors ihm zuerkannt haben. Es ist deshalb zu hoffen, daß auch die neue Verfassung die weitreichenden Garantien für die Religionsfreiheit der Ecuadorianer beachtet, so daß sich die Nation auf einen Gesetzesrahmen verlassen kann, der auch dem internationalen Rahmen und den internationalen Vereinbarungen entspricht.
5. Die Handlungsfreiheit der Kirche ist nicht nur ein unveräußerliches Recht, sie ist die Grundvoraussetzung dafür, daß die Kirche ihre Sendung unter der Bevölkerung auch unter schwierigen Umständen durchführen kann. Deshalb »brauchen wir nicht den alles regelnden und beherrschenden Staat, sondern den Staat, der entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip großzügig die Initiativen anerkennt und unterstützt, die aus den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften aufsteigen und Spontaneität mit Nähe zu den hilfsbedürftigen Menschen verbinden« (Deus Caritas est, 28).
Nichts anderes kann auch das Bestreben einer demokratischen Regierung sein, die sich darum bemüht, eine Kultur des Respekts und der Gleichheit vor dem Gesetz sowie eine vorbildhafte Ausübung der Autorität zu fördern, die auf den Dienst am ganzen Volk ausgerichtet ist. Durch all das hat die ecuadorianische Regierung ihren entschiedenen Willen bekundet, sich vorrangig der Bedürftigsten anzunehmen und sich dabei von der Soziallehre der Kirche inspirieren zu lassen. Es ist also zu wünschen, daß die Bürger alle Rechte, verbunden mit ihren entsprechende Pflichten, genießen können und dadurch bessere Lebensbedingungen und einen leichteren Zugang zu einer würdigen Wohnung und zu Arbeit, Erziehung und Gesundheit erhalten, bei voller Achtung des Lebens von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende.
6. Herr Botschafter, bevor diese Begegnung endet, möchte ich Ihnen meine besten Wünsche für die erfolgreiche Erfüllung ihrer hohen Mission aussprechen, die dazu beitragen möge, die traditionellen Bande des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen Ecuador und dem Heiligen Stuhl zu festigen, während ich Sie um die Freundlichkeit bitte, meine Gedanken Ihrer Regierung und den anderen nationalen Autoritäten übermitteln zu wollen. Zugleich denke ich in meinem Gebet an das geliebte ecuadorianische Volk, während ich reiche Segnungen Gottes auf Ecuador, auf Sie, auf Ihre werte Familie und auf Ihre Mitarbeiter herabrufe.
*L'Osservatore Romano n. 45 p. 10.
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