ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN FRAU PEROLS ULLA BIRGITTA GUDMUNDSON,
NEUE BOTSCHAFTERIN SCHWEDENS BEIM HL. STUHL
Donnerstag, 18. Dezember 2008
Exzellenz!
Es ist mir eine Freude, Sie im Vatikan willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, mit dem Sie zur außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafterin des Königreichs Schweden beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen für die guten Wünsche, die Sie mir von König Carl XVI. Gustaf überbracht haben. Bitte übermitteln Sie Seiner Majestät meine herzlichen Grüße und versichern Sie ihn meines beständigen Gebets für Ihre gesamte Nation.
Der Heilige Stuhl schätzt die diplomatischen Beziehungen zu Schweden, die nun mehr als ein Vierteljahrhundert bestehen. Seitdem kürzlich die Residenz des Apostolischen Nuntius der Nordischen Länder nach Stockholm verlegt wurde, haben sich die Beziehungen zwischen Schweden und dem Heiligen Stuhl weiter entwickelt.
Zudem ist die katholische Bevölkerung Ihres Landes in den letzten Jahren beträchtlich gewachsen, nicht zuletzt wegen der großen Zahl der Flüchtlinge aus der ganzen Welt, die so großherzig aufgenommen worden sind. Besondere Wertschätzung verdient die Tatsache, daß Tausenden von aus dem Irak geflohenen Christen die Einreise erlaubt wurde. Wie Sie wissen, bereitet mir die Notlage der Christen im Nahen Osten große Sorgen, und während ich jeden Tag für eine Verbesserung der Bedingungen in ihrer Heimat bete, die ihnen erlauben möge, dort zu bleiben, bin ich zugleich anerkennend dankbar für die Aufnahme derer, die zur Flucht gezwungen sind. Die Möglichkeit, Gottesdienst in Übereinstimmung mit ihren eigenen Traditionen zu feiern, war ein wichtiges Element dafür, daß sie sich zu Hause fühlen können, und Ihre Regierung hat Klugheit bewiesen, indem sie die Schlüsselrolle erkannt hat, die in dieser Hinsicht die verschiedenen Kirchen spielen, zu denen sie gehören.
Offenheit für die Immigration bringt unweigerlich die Herausforderung mit sich, harmonische Beziehungen zwischen den verschiedenen Teilen der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Ihre Regierung hat umsichtige Anstrengungen unternommen, um die Integration zu fördern, und die katholische Gemeinschaft möchte ihren eigenen Beitrag leisten durch die Festigung des sozialen Zusammenhalts und das Angebot einer Erziehung in den Tugenden. Im Bereich des Einsatzes für die Würde der menschlichen Person und die Verteidigung der Menschenrechte und der individuellen Freiheit gibt es große Gemeinsamkeiten zwischen der Kirche und den schwedischen Autoritäten, wie Ihre Exzellenz bemerkt haben. Es wird wichtig sein, in den kommenden Jahren weiter darauf aufzubauen.
Die Balance zu halten zwischen den konkurrierenden Freiheiten ist eine der schwierigsten moralischen Herausforderungen, vor denen der moderne Staat steht. Einige der auftretenden Dilemmata betreffen den Heiligen Stuhl in besonderer Weise. Zum Beispiel muß jede liberale Gesellschaft sorgfältig abwägen, in welchem Maß der Rede- und Ausdrucksfreiheit erlaubt werden kann, religiöse Gefühle zu ignorieren. Die Frage ist von besonderer Wichtigkeit, wenn die harmonische Integration verschiedener religiöser Gruppen eine Priorität ist. Für gewöhnlich beruft man sich auf das Recht auf Schutz vor Diskriminierung in Situationen, in denen das Recht religiöser Gruppen in Frage gestellt wird, ihre tiefen Überzeugungen zu äußern und in die Praxis umzusetzen, zum Beispiel was die grundlegende Bedeutung der Institution Ehe – verstanden als lebenslange Gemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die für die Weitergabe des Lebens offen ist – für die Gesellschaft angeht. Und auch dem Recht auf Leben selbst wird im Fall der Ungeborenen oft der bedingungslose Rechtsschutz verweigert, den es verdient.
Der in diesem Jahr begangene 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte mahnt uns, zu bedenken, inwieweit unsere Gesellschaft die legitimen Rechte aller ihrer Mitglieder garantiert, insbesondere der schwächsten und verwundbarsten. Der Heilige Stuhl möchte mit allen Beteiligten an der anhaltenden Debatte teilnehmen, die sich auf diese Fragen in der Welt von heute bezieht.
Auf internationaler Ebene leistet Schweden viele wichtige Beiträge zur Erhaltung des Friedens und zum Kampf gegen die Armut. Der Heilige Stuhl, der immer bemüht ist, humanitäre und friedenserhaltende Initiativen in den Krisengebieten dieser Welt zu unterstützen, begrüßt die von Ihrem Land geleisteten Beiträge zur Konfliktlösung, zum Beispiel in Afrika, dem Balkan, dem Nahen Osten und Afghanistan. Es ist angebracht, dem Werk der vielen Frauen und Männer Ihres Landes Anerkennung zu zollen – unter ihnen Graf Folke Bernadotte, Dag Hammarskjöld und zahllose andere –, die ihr Leben den Friedensmissionen in der ganzen Welt gewidmet haben. Unter den wohlhabenderen Ländern zeichnet sich Schweden in besonderer Weise durch seine Hilfe für Entwicklungsprojekte zugunsten ärmerer Nationen aus. Die aktive Rolle Schwedens bei der Förderung des Wohls der Menschheit findet ihren sprechenden Ausdruck in den zahlreichen Auszeichnungen, die das Land Frauen und Männern für herausragende Leistungen in den Künsten, den Wissenschaften und der Friedensarbeit verleiht. In Anerkennung all dieser wertvollen Aktivitäten möchte ich an die Dankbarkeit des Heiligen Stuhls erinnern aufgrund der Tatsache, daß die Schwedische Regierung im Jahr 2004 den Per-Anger-Preis an Erzbischof Gennaro Verolino verliehen hat, der für seinen Einsatz für die Menschenrechte in der Zeit ausgezeichnet wurde, als er im Zweiten Weltkrieg in der Nuntiatur in Budapest stationiert war.
Exzellenz,
mit meinen besten Wünschen für den Erfolg Ihrer Mission möchte ich Ihnen zugleich versichern, daß die verschiedenen Dikasterien der Römischen Kurie bereit sind, Ihnen in der Erfüllung Ihrer Pflichten Hilfe und Unterstützung zu gewähren. Auf Ihre Exzellenz, Ihre Familie und das ganze Volk des Königreichs Schweden rufe ich von Herzen Gottes reichen Segen herab.
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