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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN OBED WADZANI, NEUER BOTSCHAFTER DER
REPUBLIK NIGERIA BEIM HL. STUHL*

Donnerstag, 29. Mai 2008

 

Exzellenz!

Es ist mir eine Freude, Sie im Vatikan willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, mit dem Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Bundesrepublik Nigeria beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich danke Ihnen für die freundlichen Grüße und die Gefühle guten Willens, die Sie im Namen des Präsidenten der Republik, Seiner Exzellenz Alhaji Umaru Musa Yar’Adua ausgesprochen haben. Ich erwidere diese gerne und bitte Sie freundlich, Seiner Exzellenz, den zivilen Behörden und der Bevölkerung von Nigeria meine persönliche Dankbarkeit und meine guten Wünsche zu übermitteln.

Es ist nicht nur eine humanitäre Pflicht, sondern eine Quelle wirklicher Freude, denen, die Not leiden, zu Hilfe zu kommen. Es ist sowohl für den einzelnen als auch für die Gesellschaft eine bereichernde und prägende Erfahrung, anderen mit einer Haltung des Respekts, der Rechtschaffenheit und der Unvoreingenommenheit beizustehen. In dieser Hinsicht machen die Größe, die Bevölkerungszahl, die wirtschaftlichen Ressourcen und die Großherzigkeit Ihres Volkes, Nigeria zu einem der einflußreichsten Länder des Kontinents und geben dem Land die einzigartige Chance, die anderen afrikanischen Länder dabei zu unterstützen, den verdienten Wohlstand und die verdiente Stabilität zu erlangen. Die Nation hat durch ihre Friedenstruppen, ihre materielle Hilfe und ihre diplomatischen Bemühungen zu den zahlreichen Maßnahmen beigetragen, den anderen Ländern gesellschaftliche Versöhnung zu bringen. Ich ermutige Nigeria, seine beachtlichen menschlichen und materiellen Ressourcen weiterhin auf eine Weise einzusetzen, die dem Frieden und dem Gedeihen der Nachbarländer förderlich sind. Es macht den Bürgern und der Regierung eines Landes Ehre, wenn sich solche Hilfe sowohl durch Rechtschaffenheit als auch durch Opfergeist auszeichnet.

In diesem Sinne müssen alle in der Heimat und im Ausland unterstützt werden, die versuchen, durch Forschung und praktischen Beistand menschliches Leid zu lindern. Die Kirche ist zuversichtlich, daß die Dienste, die sie im Bereich der Erziehung, der sozialen Programme und des Gesundheitswesens leistet, weiterhin eine positive Auswirkung auf den Kampf gegen Armut und Krankheit haben werden. Sie ist ein ständiger Verteidiger des Lebens, von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod. Wie Sie wissen, nimmt die Kirche ihre Rolle in der Kampagne gegen die Ausbreitung von HIV/Aids ernst, indem sie Programme unterstützt, welche die Treue in der Ehe und die Enthaltsamkeit außerhalb der Ehe hervorheben. Katholisches Personal, Ärzte, Krankenschwestern, Assistenten und Erzieher werden weiterhin alle Männer und Frauen und vor allem die jungen Menschen daran erinnern, sich zu den Werten der Familie zu bekennen und sich mit auf dem Glauben gründender Zivilcourage im Kampf gegen diese Krankheit und die damit verbundenen Umstände einzusetzen. Gleichzeitig steht die Kirche auf einer praktischen Ebene bereits zahlreichen Menschen auf Ihrem Kontinent und auf der ganzen Welt bei, die an dieser Krankheit leiden.

Herr Botschafter, die Menschen in Nigeria wünschen sich eine lebendige Demokratie, und Sie haben einige der Prioritäten erwähnt, die ihr Land als notwendige Schritte auf seinem Weg zu maßgeblichem Wachstum und anhaltender Entwicklung ausgemacht hat. Diese schließen eine demokratische Regierung und Rechtsstaatlichkeit, innere Sicherheit und eine gut funktionierende Justizverwaltung ein. Wie Eure Exzellenz wissen, erfordert eine gute Regierung, daß die Wahlen eindeutig frei, gerecht und transparent sind. Sie beruht auch auf der inneren Sicherheit, die immer auf dem demokratischen Ideal der Achtung individueller Rechte sowie auf Rechtsstaatlichkeit basiert. Um diesen Baustein der Demokratie richtig einzusetzen, müssen die Beamten zunächst die Grundursachen sozialer Unruhen ansprechen und zweitens die Bevölkerung zu den Tugenden des Respekts und der Toleranz ausbilden.

Ich bin mir bewußt, daß Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gruppen in der Vergangenheit Anlaß zur Sorge gegeben haben. Konflikte dieser Art können meist auf eine Vielzahl von Faktoren, einschließlich administrativer Fehler, einzelner Mißstände oder ethnischer Spannungen zurückgeführt werden. In dieser Hinsicht freue ich mich festzustellen, daß sich die Spannungen in den vergangenen Jahren ein wenig beruhigt zu haben scheinen. Das kann als ein wirklicher Hinweis auf Fortschritt und als ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft angesehen werden. Durch die Förderung des Verständnisses, der Versöhnung und des guten Willens in den verschiedenen Gruppen stärkt die Kirche weiterhin den Sinn für Gemeinschaft und setzt sich dafür ein, Vorurteilen entgegenzuwirken und Offenheit gegenüber allen zu fördern. Sie möchte vor allem den interreligiösen Dialog fördern, in der Hoffnung, daß eine überzeugende Haltung der Solidarität unter den Religionsführern allmählich in allgemein anerkannten, landesweiten Formen der friedlichen Akzeptanz sowie des gegenseitigen Verständnisses und der Zusammenarbeit konkret Gestalt annehmen wird.

In vielen Ländern sind Gewalt und Kriminalität heute eine beunruhigende Tatsache. Mord, erpresserische Entführung und die Ausbeutung von Frauen, Kindern und Fremdarbeitern sind einige der schlimmsten Ausdrucksformen dieser untragbaren Praxis. Unsicherheit, Verzweiflung und Aggressivität, die durch die Auflösung der Familie, Arbeitslosigkeit, Armut oder Hoffnungslosigkeit hervorgerufen werden, sind einige der sozialen und psychologischen Faktoren, die hinter diesem Phänomen stehen. Eine bereits labile Situation wird durch die überall verbreitete materialistische Mentalität und einen Verlust der Ehrfurcht vor der menschlichen Person verschlimmert. Bisweilen kann das Gefühl der Hoffnungslosigkeit die Menschen dazu verleiten, nach einer scheinbar einfachen Lösung für ihre Probleme zu suchen. Jungen Menschen muß unter solchen Umständen jede mögliche Ermutigung gegeben werden, nach einer Verbesserung durch Erziehung, außerschulische Aktivitäten und freiwillige Hilfe für andere zu suchen sowie – idealerweise – Möglichkeiten einer Anstellung zu erhalten. Korruption kann die Folge von Gewaltverbrechen sein und hat den Effekt, Unternehmen und Investitionen abzuschrecken sowie das Vertrauen in die politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Institutionen des Landes zu unterminieren. Die Dynamik, mit der Nigeria den Kampf gegen Korruption und Verbrechen aufgenommen hat, und die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit ist äußerst wichtig und muß mit Fairneß und Unvoreingenommenheit unterstützt und umgesetzt werden. Ich bete, daß Politiker und Sozialarbeiter, Berufstätige im Bereich der Wirtschaft, des Gesundheitswesens und der Gesetzgebung, Polizisten und Richter sowie alle, die im Kampf gegen Verbrechen und Korruption tätig sind, unablässig – mit Unterstützung der loyalen Kooperation der Bevölkerung – für den Schutz des Lebens und des Eigentums zusammenarbeiten. Die Kirche wird es nicht versäumen, ihren besonderen Beitrag zu leisten, indem sie eine umfassende Erziehung anbietet, die auf Ehrlichkeit, Integrität sowie Gottes- und Nächstenliebe beruht. Sie bemüht sich darum, Chancen für junge Menschen in schwierigen Situationen zu schaffen und erinnert sie dabei stets daran, daß »alles ernsthafte und rechte Tun des Menschen … Hoffnung im Vollzug« ist (Spe salvi, 35).

Herr Botschafter, ich wünsche Ihnen Erfolg bei ihrer Mission und versichere Sie der bereitwilligen Zusammenarbeit der verschiedenen Ämter der Römischen Kurie. Ich möchte nochmals anerkennend an den herzlichen Empfang erinnern, der meinem Vorgänger Papst Johannes Paul II. anläßlich seiner beiden Besuche in Nigeria bereitet worden ist. Ich bete, daß das herzliche Andenken an diesen Friedensboten das nigerianische Volk weiterhin vereinen und anregen wird. Möge der allmächtige Gott Eurer Exzellenz, Ihrer Familie und dem Land, das Sie vertreten, reichen und dauerhaften Segen, Frieden und Wohlergehen gewähren!


*L'Osservatore Romano n.26 p. 16.

 

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