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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE MITGLIEDER DER STIFTUNG
"CENTESIMUS ANNUS - PRO PONTIFICE"

Samstag, 31. Mai 2008

 

Herr Kardinal,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen und im priesterlichen Dienst,
sehr geehrte Damen und Herren!

Gern empfange ich euch heute und heiße euch herzlich willkommen. Ich danke Graf Lorenzo Rossi di Montelera, der als Vorsitzender der Stiftung eure Gefühle zum Ausdruck gebracht und auch über eure Tätigkeit in diesem Jahr berichtet hat. Ich grüße Herrn Kardinal Attilio Nicora und die Erzbischöfe Claudio Maria Celli und Domenico Calcagno sowie einen jeden von euch. Erneut danke ich euch für den Dienst, den ihr für die Kirche leistet, indem ihr euren hochherzigen Beitrag zu den vielfältigen Initiativen des Heiligen Stuhls zugunsten der Armen in allen Teilen der Welt anbietet. In diesem Sinn danke ich euch besonders für das Geschenk, das ihr mir anläßlich dieser Begegnung überbringen wolltet.

Für euer gewohntes Treffen habt ihr in diesem Jahr das Thema »Das soziale Kapital und die menschliche Entwicklung« gewählt. So habt ihr über das von vielen verspürte Bedürfnis nachgedacht, eine globale Entwicklung zu fördern, die auf die ganzheitliche Entfaltung des Menschen achtet. Dabei habt ihr auch den Beitrag hervorgehoben, den die Freiwilligenvereinigungen, die Stiftungen und andere Zusammenschlüsse gemeinnützig leisten mit dem Ziel, das soziale Netz immer solidarischer zu machen. Eine harmonische Entwicklung ist möglich, wenn die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen, die in die Tat umgesetzt werden, jene Grundprinzipien berücksichtigen, die sie für alle erreichbar machen: Ich beziehe mich insbesondere auf die Prinzipien der Subsidiarität und der Solidarität. Im Mittelpunkt jeder wirtschaftlichen Planung, soll – besonders im Hinblick auf das ausgedehnte und komplexe Netz von Beziehungen, das die postmoderne Zeit kennzeichnet – immer die Person stehen, die nach dem Bild Gottes geschaffen und von ihm gewollt ist, um die außerordentlichen Ressourcen der Schöpfung zu schützen und zu verwalten. Nur eine miteinander geteilte Kultur der aktiven und verantwortlichen Teilhabe kann jedem Menschen ermöglichen, sich nicht als Nutznießer oder passiver Zeuge zu fühlen, sondern als aktiver Mitarbeiter am weltweiten Entwicklungsprozeß.

Der Mensch, dem Gott in der Genesis die Erde anvertraut hat, hat die Aufgabe, alle irdischen Güter Frucht bringen zu lassen, indem er sich bemüht, sie zu nutzen, um den vielfachen Bedürfnissen jedes Gliedes der Menschheitsfamilie abzuhelfen. Eine der im Evangelium häufig wiederkehrenden Metaphern ist gerade die des Verwalters. Der Mensch soll mit der Gesinnung eines treuen Verwalters die ihm von Gott anvertrauten Güter verwalten und allen zur Verfügung stellen. Mit anderen Worten gesagt: Es ist zu vermeiden, daß der Nutzen nur dem einzelnen zukommt oder aber daß Formen von Kollektivismus die personale Freiheit unterdrücken. Das wirtschaftliche und kommerzielle Interesse darf niemanden ausschließen, sonst würde in der Tat die Menschenwürde verletzt. Da der weltweite Globalisierungsprozeß immer mehr die Bereiche der Kultur, der Wirtschaft, der Finanzen und der Politik beherrscht, besteht heute die große Herausforderung darin, nicht nur die wirtschaftlichen und kommerziellen Interessen zu »globalisieren «, sondern auch die Erwartungen der Solidarität unter Achtung und Nutzung des Beitrags eines jeden Gliedes der Gesellschaft. Ihr habt zu Recht betont, daß das Wirtschaftswachstum nie von der Suche nach der ganzheitlichen menschlichen und sozialen Entwicklung getrennt werden darf. Die Kirche betont diesbezüglich die Bedeutung des Beitrags der mittleren Körperschaften gemäß dem Prinzip der Subsidiarität, um dazu beizutragen, den kulturellen und sozialen Veränderungen ein Ziel zu setzen und sie auf den wahren Fortschritt des Menschen und der Gemeinschaft auszurichten. In der Enzyklika Spe salvi habe ich betont: »Auch die besten Strukturen funktionieren nur, wenn in einer Gemeinschaft Überzeugungen lebendig sind, die die Menschen zu einer freien Zustimmung zur gemeinschaftlichen Ordnung motivieren können« (Nr. 24).

Liebe Freunde, ich danke euch nochmals, daß ihr die kirchlichen Tätigkeiten der Nächstenliebe und der menschlichen Entfaltung unermüdlich und hochherzig unterstützt, und ich lade euch ein, durch eure Überlegungen auch zur Verwirklichung einer gerechten wirtschaftlichen Weltordnung beizutragen. Dazu möchte ich gern eine bedeutsame Aussage des II. Vatikanischen Konzils wiederholen: »Die Christen« – so heißt es in der Konstitution Gaudium et spes – »können nichts sehnlicher wünschen, als den Menschen unserer Zeit immer großherziger und wirksamer zu dienen. Dem Evangelium gewissenhaft folgend und aus seinen Kräften lebend, verbunden mit allen, die die Gerechtigkeit lieben und pflegen, haben sie das große Werk begonnen, das sie hier auf Erden zu erfüllen haben« (Nr. 93). Setzt eure Tätigkeit in diesem Geist zugunsten aller unserer Brüder und Schwestern fort. Am Jüngsten Tag, am Tag des Weltgerichtes, werden wir gefragt werden, ob wir das genutzt haben, was Gott uns zur Verfügung gestellt hat, um den berechtigten Erwartungen und den Bedürfnissen unserer Brüder und Schwestern abzuhelfen, besonders den Bedürfnissen der Geringsten und der Notleidenden.

Die Jungfrau Maria, die wir heute bei ihrem Besuch bei der älteren Kusine Elisabet betrachten, erwirke jedem von euch, dem Nächsten gegenüber immer hilfsbereit zu sein. Ich versichere euch meiner Fürbitte im Gebet und erteile euch hier Anwesenden meinen Segen, in den auch eure Familien und alle eure Mitarbeiter in den verschiedenen Berufen eingeschlossen sind.

 

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