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APOSTOLISCHE REISE
VON PAPST BENEDIKT XVI.
NACH KAMERUN UND ANGOLA
(17.-23. MÄRZ 2009)

BEGEGNUNG MIT DEN POLITISCHEN UND ZIVILEN AUTORITÄTEN
UND DEM DIPLOMATISCHEN KORPS

ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.*

Ehrensaal des Präsidentenpalastes von Luanda
Freitag, 20. März 2009

 

Herr Staatspräsident,
verehrte Autoritäten,
sehr geehrte Botschafter,
verehrte Mitbrüder im Bischofsamt,
meine Damen und Herren!

Mit einer Geste herzlicher Gastfreundschaft hat uns der Herr Staatspräsident in seiner Residenz empfangen, und so habe ich die Freude, Ihnen zu begegnen, um Sie zu begrüßen. Ich wünsche Ihnen guten Erfolg bei der Wahrnehmung Ihrer großen Verantwortung im Bereich der Regierung, der Zivilverwaltung und der Diplomatie, in dem ein jeder der eigenen Nation zum Wohl der ganzen Menschheitsfamilie dient. Herr Staatspräsident, ich danke Ihnen für den Empfang und für die Worte, die Sie soeben an mich gerichtet haben – Worte voller Hochachtung gegenüber der Person des Nachfolgers Petri und voller Vertrauen in die Arbeit der katholischen Kirche zum Wohl dieser geliebten Nation.

Meine Freunde, Sie sind Erbauer und Zeugen eines Angolas, das sich im Wiederaufbau befindet. Nachdem der Bürgerkrieg 27 Jahre lang dieses Land verwüstet hat, hat der Friede begonnen, Wurzeln zu schlagen, und er hat als Früchte Stabilität und Freiheit mit sich gebracht. Die sichtbaren Bemühungen der Regierung um den Ausbau der Infrastruktur und die Wiederherstellung der Einrichtungen, die für die Entwicklung und das Wohlergehen der Gesellschaft grundlegend sind, haben die Hoffnung unter den Bürgern der Nation wieder aufleben lassen. Diese Hoffnung wird auch durch verschiedene Initiativen multilateraler Einrichtungen gestützt, die den Entschluß gefaßt haben, Einzelinteressen außen vor zu lassen, um für das Gemeinwohl zu arbeiten. Überall gibt es Beispiele für Lehrer und Angestellte im Gesundheitswesen oder in der öffentlichen Verwaltung, die gegen geringen Lohn mit Integrität und Hingabe ihren Mitmenschen dienen; und es gibt immer mehr Personen, die ehrenamtliche Tätigkeiten im Dienst der Notleidenden übernehmen. Möge Gott diesen guten Willen und diese wohltätigen Initiativen segnen und vermehren!

Angola weiß, daß für Afrika die Zeit der Hoffnung gekommen ist. Jedes redliche Verhalten des Menschen ist Hoffnung, die handelt. Unser Handeln ist niemals gleichgültig – weder vor Gott, noch für den Fortgang der Geschichte. Meine Freunde, gerüstet mit einem redlichen, großmütigen und erbarmungsvollen Herzen können Sie diesen Kontinent verwandeln und Ihr Volk von der Geißel der Habgier, der Gewalt und der Unruhen befreien. Sie können es auf dem Weg der Grundsätze führen, die für jede moderne bürgerliche Demokratie unverzichtbar sind: die Achtung und Förderung der Menschenrechte, eine transparente Regierung, eine unabhängige Gerichtsbarkeit, Freiheit der sozialen Kommunikationsmittel, eine redliche öffentliche Verwaltung, ein Netz gut funktionierender Schulen und Krankenhäuser und der feste, in der Umkehr der Herzen verankerte Entschluß, der Korruption ein für allemal ein Ende zu setzen. In der diesjährigen Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages habe ich auf die Notwendigkeit einer ethischen Sichtweise der Entwicklung hingewiesen. Die Menschen in diesem Kontinent fordern nämlich zu Recht nicht nur Pläne und Protokolle, sondern vielmehr eine dauerhafte Umkehr der Herzen zur Brüderlichkeit, die tiefer Überzeugung entspringt (vgl. Nr. 13). Sie bitten jene, die in der Politik, in der öffentlichen Verwaltung, in internationalen Einrichtungen und in multinationalen Konzernen dienen, vor allem um eines: Steht uns auf wirklich menschliche Weise bei; begleitet uns, unsere Familien und unsere Gemeinschaften.

Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Afrikas verlangt die Koordinierung der nationalen Regierung mit regionalen Initiativen und internationalen Entscheidungen. Eine solche Koordinierung setzt voraus, daß die afrikanischen Nationen nicht nur als Empfänger von Plänen und Lösungen betrachtet werden, die von anderen erstellt worden sind. Die Afrikaner selbst müssen Hauptakteure ihrer Entwicklung sein, indem sie zusammen für das Wohl ihrer Gemeinschaften arbeiten. In diesem Zusammenhang gibt es eine wachsende Zahl erfolgreicher Initiativen, die es verdienen, unterstützt zu werden. Zu ihnen gehören die »New Partnership for Africa’s Development« (NEPAD) und der Pakt für Sicherheit, Stabilität und Entwicklung in der Region der Großen Seen ebenso wie der »Kimberley Process«, die »Publish What You Pay Coalition« und die »Extractive Industries Transparency Initiative«: Sie alle fördern die Transparenz, die Integrität im Geschäftsleben und die gute Regierung. Was die internationale Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit betrifft, so bedarf es dringend einer Koordinierung der Kräfte, um die Frage des Klimawandels in Angriff zu nehmen, ebenso wie die volle und ehrliche Umsetzung der Verpflichtungen zugunsten der Entwicklung, die von der Doha-Runde aufgezeigt wurden, und die Erfüllung des oft wiederholten Versprechens der Industrienationen, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die offizielle Entwicklungshilfe einfließen zu lassen. Eine solche Unterstützung ist heute, aufgrund der weltweiten Finanzkrise, notwendiger denn je; sie darf dieser keinesfalls zum Opfer fallen.

Liebe Freunde, zum Abschluß meiner Überlegungen möchte ich Ihnen anvertrauen, daß mein Besuch in Kamerun und Angola in mir die tiefe menschliche Freude weckt, die man empfindet, wenn man nach Hause kommt, wenn man in der Familie ist. Ich glaube, daß genau diese Erfahrung das gemeinsame Geschenk Afrikas an all jene ist, die aus anderen Kontinenten hierher kommen, denn hier »stellt die Familie einen Stützpfeiler dar, auf dem das Gebäude der Gesellschaft errichtet ist« (Ecclesia in Africa, 80). Dennoch lastet, wie wir alle wissen, auch hier ein großer Druck auf den Familien: durch Armut verursachte Angst und Erniedrigung, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Vertreibung, um nur einige zu nennen. Besonders beunruhigend ist das bedrückende Joch der Diskriminierung, das auf Frauen und Mädchen lastet, ganz zu schweigen von jener unsäglichen Praxis der Gewalt und der sexuellen Ausbeutung, die bei ihnen so viele Erniedrigungen und Traumata hervorruft. Ich muß auch noch auf ein neues Gebiet hinweisen, das schwere Sorge bereitet: die Politik jener, die sich den Anschein geben, die »Sozialstruktur « zu festigen, in Wirklichkeit aber deren Grundlagen bedrohen. Welch bittere Ironie besitzen jene, die die Abtreibung als »mütterliche« Gesundheitsvorsorge fördern! Wie erschütternd ist die These jener, die die Vernichtung von Leben als eine Frage reproduktiver Gesundheit verteidigen (vgl. Maputo-Protokoll, Art. 14)!

Die Kirche, meine Damen und Herren, werden Sie – gemäß dem Willen ihres göttlichen Gründers – stets bei den Ärmsten dieses Kontinents finden. Ich kann Ihnen versichern, daß sie durch diözesane Initiativen und durch zahllose Werke der verschiedenen Ordensgemeinschaften im Bereich von Erziehung und Bildung sowie im Gesundheits- und Sozialwesen auch weiterhin alles tun wird, was in ihrer Macht steht, um die Familien zu unterstützen – insbesondere jene, die von den tragischen Auswirkungen der Aids-Krankheit betroffen sind – und um die Gleichheit der Würde von Mann und Frau auf der Grundlage harmonischer gegenseitiger Ergänzung zu fördern. Der geistliche Weg des Christen ist der Weg täglicher Umkehr; auf diesen Weg lädt die Kirche alle Verantwortungsträger der Menschheit ein, damit diese auf dem Weg der Wahrheit, der Integrität, der Achtung und der Solidarität voranschreiten kann.

Herr Staatspräsident, ich möchte Ihnen noch einmal meinen aufrichtigen Dank für den Empfang zum Ausdruck bringen, den Sie uns in Ihrer Residenz gewährt haben. Ich danke allen und einem jeden von Ihnen für Ihre Anwesenheit und für Ihre Aufmerksamkeit. Sie können auf mein Gebet zählen – für sich und für Ihre Familien sowie für alle Einwohner dieses wunderbaren Afrikas! Der Gott des Himmels sei Ihnen gnädig und segne alle!


*L'Osservatore Romano. Wochenausgabe in deutscher Sprache n. 14 pp. 6, 7.

 

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