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ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.
AN DEN NEUEN BOTSCHAFTER ANDORRAS BEIM HEILIGEN STUHL, HERRN MIQUEL ÁNGEL CANTURRI MONTANYA

Clementina-Saal
Donnerstag, 16. Dezember
2010

 

Herr Botschafter!

Ich freue mich, Eure Exzellenz zu empfangen und Sie als außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter des Fürstentums Andorra beim Heiligen Stuhl zu akkreditieren. Ich danke Ihnen für die liebenswürdigen Worte, die Sie an mich gerichtet haben, und möchte meinerseits durch Ihre Vermittlung den beiden Co-Fürsten, dem Bischof von Urgell und dem Präsidenten der Republik Frankreich, meine herzlichen Grüße übermitteln. Durch Sie grüße ich auch die Regierung, die Autoritäten und die Bevölkerung von Andorra.

Das Fürstentum, das in die Zeit Karls des Großen zurückreicht, wird von einer Dyarchie (Doppelherrschaft) regiert. Die seinerzeit vom Heiligen Stuhl approbierte Mitregierung, die dann zu einer Co-Herrschaft geworden ist, wie Sie in Ihrer Ansprache erwähnt haben, ist das gelungene Ergebnis einer historischen Entwicklung, die den legitimen Interessen des andorranischen Volkes Rechnung getragen und seine Souveränität gewährleistet hat. Dieses in seiner Art einzigartige System erlaubt der Bevölkerung, in Frieden und weitab von Konflikten zu leben. Die von Ihrem Land gefundene institutionelle Lösung läßt sich natürlich nicht an andere Orte übertragen, aber es ist trotzdem angebracht, daraus eine Lehre zu ziehen. Die Eintracht innerhalb der Nationen und zwischen den Völkern ist möglich. Die juristische Findigkeit und der gute Wille erlauben sehr oft die Lösung zahlreicher Probleme, die leider zwischen den Völkern plötzlich auftauchen, und sie fördern das so sehr ersehnte internationale Einvernehmen.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Vortrefflichkeit der Beziehungen zwischen dem Fürstentum und dem Heiligen Stuhl hervorheben Diese Beziehungen, die sich in eine historische Kontinuität des Einvernehmens und der Unterstützung einfügen – Sie selber haben Ihrerseits unterstrichen, daß der Heilige Stuhl Andorra immer unterstützt hat, wenn sich dessen Souveränität in Gefahr befand –, haben sich zunächst durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und dann – vor zwei Jahren – durch die Unterzeichnung eines bilateralen Abkommens gefestigt. Dieses Abkommen ist Ergebnis und Ausdruck einer gesunden und aufrichtigen Zusammenarbeit zwischen der Kirche und dem Staat, die beide auf unterschiedliche Weise der persönlichen und sozialen Berufung der Menschen dienen. Die herzlichen Beziehungen zwischen der Kirche und Andorra dienen gestern wie heute auf möglichst wirksame Weise den Menschen zum Vorteil aller. Eine solche Übereinstimmung ist ein zusätzlicher Baustein zur Festigung der Beziehungen zwischen dem Fürstentum und der Kirche.

In den Worten, die Sie, Herr Botschafter, an mich gerichtet haben, erwähnten Sie die jüngste demographische Entwicklung Ihres Landes. Sie macht deutlich, welche Anziehungskraft dieses auf die jungen Generationen ausübt. Es handelt sich vor allem um junge Andorraner, die in das Land zurückkehren. Ihre Nation nimmt dann auch Menschen aus anderen Völkern. Diese Öffnung hat im übrigen bei den Institutionen und jedem einzelnen eine notwendige Bewußtwerdung und Weckung des Verantwortungsbewußtseins zur Folge. Die soziale Eintracht, die gestört werden könnte, hängt nicht allein von einem gerechten und angepaßten Gesetzgebungsrahmen, sondern auch von der moralischen Verfassung jedes einzelnen Bürgers ab, denn »die Solidarität tritt unter zwei sich ergänzenden Aspekten zutage: dem sozialen Prinzip und der moralischen Tugend« (vgl. Kompendium der Soziallehre der Kirche, 109).

Die Solidarität erhebt sich in den Rang einer sozialen Tugend, wenn sie sich zugleich auf die Strukturen der Solidarität, aber auch auf die feste und bleibende Bestimmung jedes Menschen stützen kann, für das Gemeinwohl zu arbeiten, weil wir alle für alle verantwortlich sind. Was die moralische Tugend betrifft, so kommt sie in Entscheidungen und Gesetzen zum Ausdruck, die den ethischen Prinzipien entsprechen. Diese festi gen die Demokratie und erlauben den Andorranern, gemäß den tausendjährigen, vom Christentum geprägten positiven Werten zu leben und ihre so ausgeprägte Identität zu pflegen und zu bewahren.

Um das dauerhafte Solidaritätsgefühl zu wecken, von dem ich eben gesprochen habe, ist die Erziehung der Jugendlichen sicherlich der beste Weg. Ich ermutige einen jeden, unabhängig vom Grad seiner Verantwortung, dazu in diesem Bereich Kreativität zu beweisen und in seiner Sorge um die notwendigen ethischen Grundlagen die erforderlichen Mittel zu investieren und großzügig für die Zukunft zu säen. Mit der Erziehung muß der Familie die ihr gebührende Unterstützung gewährt werden. Als Grundzelle der Gesellschaft erfüllt die Familie ihre Sendung, wenn sie von den öffentlichen Stellen als erstes Lernumfeld des Lebens in der Gesellschaft ermutigt und gefördert wird. Die Familie wird, wenn allen ihren Gliedern die notwendige Hilfe gewährt wird, die Harmonie und den sozialen Zusammenhalt wirksam erleichtern. Die Kirche kann einen positiven Beitrag zur Stärkung der durch die moderne Kultur geschwächten Familie beitragen.

Während meiner jüngsten Apostlischen Reise nach Barcelona habe ich mich über die Anwesenheit einer schönen Delegation Ihres Landes gefreut. Diese Gläubigen aller Altersstufen, aber besonders junge Leute, sind gekommen, um ihre Anhänglichkeit an den Nachfolger Petri zu bekunden. Ich möchte ihnen für diese herzliche Anwesenheit danken und – ohne Ihre Vermittlung zu sehr in Anspruch zu nehmen – mich mit ihnen für den nächsten Weltjugendtag verabreden.

Ich nehme die Gelegenheit dieser Begegnung mit Ihnen, Herr Botschafter, wahr, um durch Sie Ihren Erzbischof und seine Mitarbeiter sowie alle katholischen Gläubigen, die in Ihrem Land leben, herzlich zu grüßen. Mögen sie stets darauf bedacht sein, von Christus Zeugnis zu geben und mit allen Andorranern gemeinsam ein soziales Leben aufzubauen, wo ein jeder die Wege zu einer persönlichen und gemeinschaftlichen Entwicklung finden kann! So werden sie von der stets aktuellen Fruchtbarkeit des Wortes Gottes Zeugnis geben.

Während Sie Ihre vornehme Mission der Vertretung beim Heiligen Stuhl antreten, spreche ich Ihnen, Herr Botschafter, meine besten Wünsche für die gute Erfüllung Ihres Auftrags aus. Seien Sie versichert, daß Sie bei meinen Mitarbeitern stets das Entgegenkommen und das Verständnis finden werden, das Sie möglicherweise brauchen.

Das Volk von Andorra hegt eine besondere Verehrung für die Jungfrau Maria, die Virgen de Meitxell, Schutzpatronin des Co-Fürstentums, deren Nationalfeiertag am 8. September, dem Marienfeiertag, begangen wird. Ihrem mütterlichen Schutz vertraue ich die Autoritäten Ihres Landes und die ganze Bevölkerung an. Auf Eure Exzellenz, auf Ihre Familie und auf Ihre Mitarbeiter sowie auf das ganze andorranische Volk und seine Verantwortlichen rufe ich aus ganzem Herzen die Fülle göttlicher Segnungen herab.

 

© Copyright 2010 - Libreria Editrice Vaticana

       



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