KONZERT ZU EHREN VON PAPST BENEDIKT XVI.,
DARGEBOTEN VON MAESTRO ENOCH ZU GUTTENBERG
ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.
Aula Paolo VI
Samstag, 16. Oktober 2010
(Video)
Meine Herren Kardinäle,
verehrte Mitbrüder,
sehr geehrte Damen und Herren!
Nach einem so intensiven Hörerlebnis möchte der Geist in Sammlung verweilen, aber zugleich spürt er die Notwendigkeit, seine Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen.
Sehr herzlich danke ich Maestro Enoch zu Guttenberg für seine bewegenden Worte und für die Darbietung dieses Konzertes, das er mir gemeinsam mit dem wunderbaren Orchester »Die KlangVerwaltung«, mit der Chorgemeinschaft Neubeuern und mit der Familie der Freiherren von und zu Guttenberg zum Geschenk gemacht hat. Ihnen, dem Dirigenten dieser Aufführung, wie auch den Solisten und jedem einzelnen Mitglied des Orchesters und des Chors gilt meine Anerkennung. Vielen herzlichen Dank!
Ich freue mich, die Herren Kardinäle, die Bischöfe, besonders die Synodenväter, die verehrten Obrigkeiten und Sie alle – darunter auch die von der Caritas der Diözese Rom betreuten Armen – zu begrüßen, die Sie diese hervorragende Aufführung der Messa da Requiem von Giuseppe Verdi genießen konnten. Er hat sie 1873 komponiert aus Anlaß des Todes von Alessandro Manzoni, den er bewunderte, ja geradezu verehrte. In einem Brief stellt er die Frage: »Was soll ich Ihnen zu Manzoni sagen? Wie Ihnen die schöne, unbeschreibliche, neue Empfindung erklären, die die Gegenwart dieses Heiligen, wie Sie ihn zu nennen pflegen, in mir ausgelöst hat?«. Nach der Absicht des großen Komponisten sollte dieses Werk der Höhe- und Schlußpunkt seines musikalischen Schaffens sein; es war nicht nur eine Hommage an den großen Schriftsteller, sondern auch die Antwort auf ein künstlerisches, inneres und spirituelles Bedürfnis, die die Auseinandersetzung mit der menschlichen und christlichen Persönlichkeit Manzonis in ihm hervorgerufen hatte.
Giuseppe Verdi hat sein Leben lang das Herz des Menschen erforscht; in seinen Werken hat er das Drama der menschlichen Situation ins Licht gerückt: anhand der Musik, der dargestellten Geschichten, der verschiedenen Personen. Sein Theater ist bevölkert von Unglücklichen, Verfolgten, Opfern. An vielen Stellen der Messa da Requiem erklingt diese tragische Sicht der menschlichen Schicksale: hier rühren wir an die unabwendbare Realität des Todes und die grundlegende Frage der transzendenten Welt, und Verdi stellt ohne szenische Elemente, nur mit den Worten der katholischen Liturgie und der Musik die ganze Bandbreite der menschlichen Empfindungen angesichts des Lebensendes dar: die Angst des Menschen im Konfrontiert-Sein mit der eigenen zerbrechlichen Natur, das Gefühl der Rebellion gegen den Tod, die Erschütterung an der Schwelle zur Ewigkeit. Diese Musik ist eine Einladung, über die letzten Wahrheiten nachzudenken, mit all den Seelenzuständen des menschlichen Herzens, in denen in einer Reihe von Form-, Ton- und Farbkontrasten dramatische und melodische, das heißt von Hoffnung gekennzeichnete Momente miteinander abwechseln.
Giuseppe Verdi, der sich in einem berühmten Brief an den Verleger Ricordi als »ein bißchen atheistisch« bezeichnete, schrieb diese Messa, die uns wie eine Anrufung des Ewigen Vaters erscheint, in dem Versuch, den Verzweiflungsschrei angesichts des Todes zu überwinden, um den Lebensatem wiederzufinden, der stilles und inständiges Gebet wird: »Libera me, Domine.« Verdis Requiem wird in der Tat eröffnet von einer Melodie in a-Moll, die sich beinahe in der Stille zu verlieren scheint – einige Cellotöne, ganz leise, mit Dämpfer gespielt – und mit der leisen Anrufung an den Herrn abschließt: »Libera me.« Diese Kathedrale aus Musik offenbart sich als Beschreibung des geistlichen Dramas des Menschen im Angesicht des allmächtigen Gottes, des Menschen, der der ewigen Frage über seine eigene Existenz nicht ausweichen kann.
Im Anschluß an die Messa da Requiem erlebt Verdi so etwas wie einen zweiten »kompositorischen Lebensabschnitt«, der ebenfalls mit religiöser Musik abschließt, den »Quattro Pezzi Sacri«, vier geistlichen Werken: ein Zeichen seiner spirituellen Unruhe, ein Zeichen dafür, daß die Sehnsucht nach Gott in das Herz des Menschen eingeschrieben ist, weil unsere Hoffnung auf dem Herrn ruht. »Qui Mariam absolvisti, et latronem exaudisti, mihi quoque spem dedisti«, haben wir eben gehört: »Der du Maria (Magdalena) vergeben hast und den Schächer erhörtest, hast auch mir Hoffnung geschenkt.« Das große musikalische Fresko dieses Abends erneuert auch in uns die Überzeugung von den Worten des hl. Augustinus: »Inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te – Ruhelos ist unser Herz, bis es ruhet in dir« (Bekenntnisse, I,1).
Liebe Freunde, ein weiteres Mal dürfen wir dem Herrn Dank sagen, daß er uns diesen Augenblick wahrer Schönheit geschenkt hat, die unseren Geist zu erheben vermag. Zugleich danken wir all jenen, die sich zu Instrumenten der göttlichen Vorsehung gemacht haben! Noch einmal herzlichen Dank Ihnen, Herr Professor zu Guttenberg, vielen Dank Ihnen, den Solisten und allen Mitgliedern des Orchesters und des Chors, sowie auch allen, die auf verschiedene Weise zum Gelingen dieses schönen Abends beigetragen haben. Ein herzliches Vergelt’s Gott Ihnen allen.
Danke und einen schönen Abend!
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