APOSTOLISCHE REISE NACH GROSSBRITANNIEN
(16.-19. SEPTEMBER 2010)
EINLEITUNGSWORTE VON PAPST BENEDIKT XVI. VOR DEM ABENDGEBET
Westminster Abbey - City of Westminster
Freitag, 17. September 2010
(Video)
Euer Gnaden!
Herr Dekan!
Liebe Freunde in Christus!
Ich danke Ihnen für das herzliche Willkommen. Dieses erhabene Gebäude erinnert an die lange Geschichte Englands, die tief von der Verkündigung des Evangeliums und von der christlichen Kultur geprägt ist, die daraus hervorging. Ich komme als Pilger aus Rom, um am Grab des heiligen Eduard des Bekenners zu beten und mit Ihnen um das Geschenk der Einheit der Christen zu bitten. Diese Zeit des Gebets und der Freundschaft mögen uns in der Liebe zu Christus, unserem Herrn und Erlöser, und im gemeinsamen Zeugnis für die Kraft des Evangeliums bestärken, das diese große Nation auch in Zukunft erleuchten möge.
GRUSSWORTE DES HEILIGEN VATERS AM SCHLUSS DES ABENDGEBETS
Liebe Freunde in Christus!
Ich danke dem Herrn für die Gelegenheit, Ihnen, den Vertretern der in Großbritannien ansässigen christlichen Konfessionen, in dieser großartigen, dem heiligen Petrus geweihten Abteikirche, zu begegnen. Ihre Architektur und Geschichte geben ein beredtes Zeugnis von unserem gemeinsamen Glaubenserbe. Hier werden wir wie von selbst daran erinnert, wie sehr der christliche Glaube die Einheit und die Kultur Europas und das Herz und den Geist des englischen Volkes geprägt hat. Hier wird uns zudem unausweichlich in Erinnerung gerufen, daß das, was wir in Christus miteinander teilen, größer ist, als das, was uns noch voneinander trennt.
Ich danke Seiner Gnaden dem Erzbischof von Canterbury für seine freundliche Begrüßung und dem Dekan und dem Kapitel dieser ehrwürdigen Abtei für die herzliche Aufnahme. Ich bin dem Herrn dankbar, daß er mir erlaubt, als Nachfolger des heiligen Petrus auf dem Bischofsstuhl von Rom diese Wallfahrt zum Grab des heiligen Eduard des Bekenners zu machen. König Eduard von England bleibt ein Modell christlichen Zeugnisses und ein Beispiel der wahren Größe, zu der der Herr seine Jünger aufruft, wie wir in den Schriftlesungen gerade gehört haben: die Größe der Demut und des Gehorsams, die auf Christi eigenem Beispiel gründen (vgl. Phil 2,6-8), die Größe der Treue, die nicht zögert, aus nicht endender Liebe zum göttlichen Meister und unverbrüchlicher Hoffnung auf seine Verheißungen das Geheimnis des Kreuzes auf sich zu nehmen (vgl. Mk 10,43-44).
Dieses Jahr begehen wir, wie allgemein bekannt, den hundersten Jahrestag der modernen ökumenischen Bewegung, an deren Anfang der Aufruf der Konferenz von Edinburgh zur christlichen Einheit als Vorbedingung für ein glaubwürdiges und überzeugendes Zeugnis für das Evangelium in unserer Zeit stand. Anläßlich dieses Jubiläums müssen wir Dank sagen für den bemerkenswerten Fortschritt auf dieses hohe Ziel hin, welcher durch den Einsatz engagierter Christen aller Konfessionen erreicht wurde. Zugleich sind wir uns jedoch bewußt, wieviel hier noch zu tun bleibt. In einer von zunehmender Wechselwirkung und Solidarität geprägten Welt sind wir herausgefordert, mit neuer Überzeugung unsere reale Versöhnung und Befreiung in Christus zu verkünden und die Wahrheit des Evangeliums als den Schlüssel zu einer authentischen und umfassenden menschlichen Entwicklung anzubieten. In einer Gesellschaft, die der christlichen Botschaft zunehmend gleichgültig oder sogar feindlich gegenübersteht, sind wir um so mehr in der Pflicht, freudig und überzeugend von der Hoffnung zu sprechen, die uns erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15), und zu zeigen, daß der auferstandene Herr die Antwort auf die tiefsten Fragen und die geistigen Sehnsüchte der Menschen unserer Zeit ist.
Während der Prozession zum Altarraum zu Beginn dieses Gottesdienstes sang der Chor, daß Christus unser „sicheres Fundament“ ist. Er ist der Ewige Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater, der – wie es im Glaubensbekenntnis heißt – „für uns Menschen und zu unserem Heil“ Fleisch angenommen hat. Er allein hat Worte ewigen Lebens. „In ihm hat“ – wie der Apostel lehrt – „alles Bestand. [...] Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen“ (Kol 1,17.19).
Unser Einsatz für die Einheit der Christen hat keinen geringeren Ursprung als unseren Glauben an Christus, an diesen Christus, der von den Toten auferstanden ist und zur Rechten des Vaters sitzt, der wiederkommen wird in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten. Die Realität der Person Christi, sein Erlösungswerk und vor allem die historische Tatsache seiner Auferstehung sind der Inhalt des apostolischen Kerygmas und der Glaubensbekenntnisse, die vom Neuen Testament selbst an seine vollständige Weitergabe garantiert haben. Die Einheit der Kirche kann, in einem Wort, nie etwas anderes sein als Einheit im apostolischen Glauben, in dem Glauben, der jedem neuen Glied am Leib Christi im Taufritus anvertraut wird. Dieser Glaube vereint uns mit dem Herrn, gibt uns Anteil am Heiligen Geist und macht uns auch jetzt zu Teilhabern am Leben der heiligen Dreifaltigkeit, dem Modell der koinonia der Kirche hier auf Erden.
Liebe Freunde, wir sind uns alle der Herausforderungen, der Gnadengeschenke, der Enttäuschungen und der Zeichen der Hoffnung bewußt, die unseren ökumenischen Weg kennzeichnen. Heute abend legen wir all das im Vertrauen auf seine Vorsehung und die Kraft seiner Gnade in Gottes Hände. Wir wissen, daß die unter uns geschlossenen Freundschaften, der begonnene Dialog und die uns leitende Hoffnung uns auf unserem weiteren gemeinsamen Weg Kraft und Orientierung spenden werden. Zugleich müssen wir mit einem im Evangelium begründeten Realismus die Herausforderungen anerkennen, die uns erwarten, nicht nur auf dem Weg zur Einheit der Christen, sondern auch bei unserer Aufgabe, Christus in unserer Zeit zu verkünden. Die Treue zum Wort Gottes – denn dieses ist ja das wahre Wort – verlangt von uns einen Gehorsam, der uns gemeinsam zu einem tieferen Verständnis des Willens des Herrn führt, einen Gehorsam, der frei sein muß von intellektuellem Konformismus und bequemer Anpassung an den Zeitgeist. Dieses Wort der Ermutigung möchte ich Ihnen heute abend mitgeben, und ich tue das getreu meines Amtes als Bischof von Rom und Nachfolger des heiligen Petrus, der den Auftrag hat, in besonderer Weise für die Einheit der Herde Christi zu sorgen.
In dieser altehrwürdigen Klosterkirche versammelt, können wir uns das Beispiel eines großen Engländers und Kirchenmannes ins Gedächtnis rufen, den wir gemeinsam verehren: den heiligen Beda Venerabilis. Beim Anbruch eines neuen Zeitalters im gesellschaftlichen und kirchlichen Leben verstand Beda sowohl die Bedeutung der Treue zum Wort Gottes, wie es in der apostolischen Tradition überliefert wurde, als auch die Notwendigkeit einer kreativen Offenheit für neue Entwicklungen und die Erfordernisse, das Evangelium in der jeweiligen Sprache und Kultur gut einzupflanzen.
Diese Nation und das Europa, zu deren Aufbau Beda und seine Zeitgenossen beigetragen haben, stehen wiederum an der Schwelle eines neuen Zeitalters. Das Beispiel des heiligen Beda sporne die Christen dieser Länder an, ihr gemeinsames Erbe wiederzuentdecken, zu festigen, was sie miteinander teilen, und sich weiter um ein Wachstum in ihrer Freundschaft zu bemühen. Der auferstandene Herr begleite unseren Einsatz, die Spaltungen der Vergangenheit zu überwinden und den gegenwärtigen Herausforderungen mit Hoffnung auf die Zukunft zu begegnen, die er in seiner Vorsehung für uns und unsere Welt bereithält. Amen.
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