.PAPST FRANZISKUS
ANGELUS
Petersplatz
Sonntag, 27. Juli 2014
Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!
Die kurzen Gleichnisse, die die heutige Liturgie vorlegt, bilden den Abschluss des Kapitels aus dem Matthäusevangelium, das der Rede über das Himmelreich gewidmet ist (13,44-52). Unter diesen finden sich zwei kleine Meisterwerke: die Gleichnisse vom Schatz, der in einem Acker vergraben war, und von der besonders wertvollen Perle. Sie sagen uns, dass die Entdeckung des Reiches Gottes etwas Plötzliches sein kann wie für den Bauern, der beim Pflügen einen unverhofften Schatz findet; oder nach langer Suche wie für den Perlenhändler, der endlich die seit langem erträumte besonders wertvolle Perle findet. Doch in beiden Fällen besteht die primäre Tatsache darin, dass der Schatz und die Perle mehr wert sind als alle anderen Güter, und als der Bauer und der Kaufmann sie finden, verzichten sie auf alles andere, um sie bekommen zu können. Es ist für sie nicht notwendig, Überlegungen anzustellen, zu grübeln oder nachzudenken: Sofort sind sie sich des unvergleichlichen Werts dessen bewusst, was sie gefunden haben, und um es zu haben, sind sie bereit, alles zu verlieren. So ist es mit dem Reich Gottes: Wer es findet, hat keine Zweifel, er spürt, dass es das ist, was er suchte, auf das er wartete und das seinen echtesten Wünschen entspricht. Und es ist wirklich so: Wer Jesus kennt, wer ihm persönlich begegnet ist, ist fasziniert, angezogen von so viel Güte, von so viel Wahrheit, von so viel Schönheit, und dies alles in großer Demut und Einfachheit. Jesus suchen, Jesus begegnen: das ist der große Schatz! Wie viele Menschen, wie viele heilige Männer und Frauen haben offenen Herzens das Evangelium gelesen und wurden derart von Jesus ergriffen, dass sie sich zu ihm bekehrt haben!
Denken wir an den heiligen Franz von Assisi: Er war bereits Christ, doch ein »oberflächlicher « und lauer Christ. Als er in einem entscheidenden Augenblick seiner Jugend das Evangelium las, begegnete er Jesus und entdeckte das Reich Gottes, und so verflüchtigten sich all seine Träume von irdischem Ruhm. Das Evangelium lässt dich den wahren Jesus kennenlernen, es lässt dich den lebendigen Jesus kennenlernen; es spricht zu deinem Herzen und ändert dein Leben. Und dann – ja, dann verlässt du alles. Du vermagst in der Tat deine Lebensweise zu ändern, oder du kannst weiter tun, was du vorher tatest, doch du bist ein anderer, du bist neugeboren: du hast gefunden, was Sinn schenkt, was Geschmack verleiht, was allem Licht gibt, auch den Mühen, auch den Leiden und auch dem Tod.
Das Evangelium lesen. Das Evangelium lesen! Davon haben wir gesprochen, erinnert ihr euch? Jeden Tag einen Abschnitt aus dem Evangelium lesen; und auch ein kleines Evangelium bei sich haben, in der Jackentasche, in der Handtasche, es jedenfalls zur Hand haben. Und wenn wir einen Abschnitt lesen, so werden wir dort Jesus finden. Alles bekommt einen Sinn, wenn du dort, im Evangelium, das findest, was Jesus »das Reich Gottes« nennt, also Gott, der in deinem Leben, in unserem Leben herrscht; Gott, der Liebe, Friede, Freude in einem jeden Menschen und in allen Menschen ist. Das ist es, was Gott will, das ist es, weswegen Jesus sich selbst bis zum Tod am Kreuz hingegeben hat, um uns von der Macht der Finsternis zu befreien und in das Reich des Lebens, der Schönheit, der Güte, der Freude zu führen. Das Evangelium lesen bedeutet, Jesus zu finden und diese christliche Freude zu haben, die eine Gabe des Heiligen Geistes ist.
Liebe Brüder und Schwestern, die Freude, den Schatz des Reiches Gottes gefunden zu haben, hat eine Strahlkraft, die man sehen kann. Der Christ kann seinen Glauben nicht verborgen halten, weil er in jedem Wort, in jeder Geste, auch in den kleinen und alltäglichen Gesten, durchscheint: es scheint die Liebe durch, die Gott uns durch Jesus geschenkt hat. Durch die Fürsprache der Jungfrau Maria wollen wir beten, dass sein Reich der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens in uns und in die ganze Welt komme.
Nach dem Angelusgebet:
Liebe Brüder und Schwestern!
Morgen jährt sich zum hundertsten Mal der Tag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs, der Millionen von Opfern forderte und gewaltige Zerstörungen verursachte. Dieser Konflikt, den Papst Benedikt XV. ein »unnötiges Blutbad« nannte, mündete nach vier langen Jahren in einen Frieden, der sich dann als zu schwach erwies. Morgen wird ein Tag der Trauer in Erinnerung an dieses Drama sein. Während wir dieses tragischen Ereignisses gedenken, spreche ich die Hoffnung aus, dass sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen, sondern den Lehren der Geschichte Rechnung getragen wird und so stets die Gründe für den Frieden durch einen geduldigen und mutigen Dialog die Oberhand gewinnen.
Besonders denke ich heute an drei Krisengebiete: den Nahen Osten, den Irak und die Ukraine. Ich bitte euch, euch weiter meinem Gebet anzuschließen, damit der Herr der Bevölkerung und den Verantwortlichen jener Gebiete die notwendige Weisheit und Kraft gewähre, um entschlossen den Weg des Friedens voranzubringen, indem jeder Auseinandersetzung mit der Beharrlichkeit des Dialogs und der Verhandlungen sowie mit der Kraft der Versöhnung entgegengewirkt wird. In den Mittelpunkt einer jeden Entscheidung sollen nicht die Einzelinteressen gestellt werden, sondern das Gemeinwohl und die Achtung eines jeden Menschen. Denken wir daran, dass mit dem Krieg alles verloren ist und mit dem Frieden nichts verloren ist.
Brüder und Schwestern, niemals Krieg! Niemals Krieg! Ich denke vor allem an die Kinder, denen die Hoffnung auf ein würdiges Leben, auf eine Zukunft genommen wird: tote Kinder, verwundete Kinder, verstümmelte Kinder, Waisenkinder, Kinder, die als Spielzeug Überreste von Kriegswaffen haben, Kinder, die nicht lächeln können. Bitte, hört auf! Ich bitte euch von ganzem Herzen. Es ist Zeit aufzuhören! Haltet ein, bitte!
Herzlich grüße ich euch alle, Pilger aus Italien und aus anderen Ländern. Ich grüße die Gruppe von Brasilianern, die Pfarreien des Bistums Cartagena (Spanien), die Pfadfinder aus Gavião (Portugal), die Jugendlichen aus Madrid, aus Asidonia-Jerez (Spanien) und aus Monteolimpino (Como), die Ministranten aus Conselve und Ronchi Casalserugo, die Wölflinge aus Catania und die Gläubigen aus Acerra. Allen wünsche ich einen schönen Sonntag. Und vergesst nicht, für mich zu beten. Gesegnete Mahlzeit. Auf Wiedersehen!
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