PAPST FRANZISKUS
ANGELUS
Petersplatz
Sonntag, 3. August 2014
Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!
Am heutigen Sonntag stellt uns das Evangelium das Wunder von der Vermehrung der Brote und Fische vor Augen (Mt 14,13-21). Jesus wirkte es am See von Gennesaret, in einer einsamen Gegend, in die er sich mit seinen Jüngern zurückgezogen hatte, nachdem er vom Tod Johannes des Täufers erfuhr.
Aber viele Menschen gingen ihnen nach und holten sie ein; und als Jesus sie sah, hatte er Mitleid mit ihnen und heilte bis zum Abend Kranke. Dann rieten ihm die Jünger, die wegen der späten Stunde besorgt waren, die Menschenmenge fortzuschicken, damit sie in die Dörfer gehen und sich etwas zu essen kaufen könne. Doch Jesus erwiderte ihnen ruhig: »Gebt ihr ihnen zu essen!« (Mt 14,16); und nachdem er sich fünf Brote und zwei Fische hatte bringen lassen, segnete er sie und begann, die Brote zu brechen und sie den Jüngern zu geben; die Jünger aber gaben sie den Leuten. Alle aßen und wurden satt und es blieb sogar noch etwas übrig!
Diesem Geschehen können wir drei Botschaften entnehmen. Die erste ist die des Mitleids. Angesichts der Menge, die ihm nachgeht und ihn sozusagen »nicht in Frieden lässt«, reagiert Jesus nicht gereizt, er sagt nicht: »Diese Leute sind mir lästig.« Nein, nein. Er reagierte vielmehr mit einer Empfindung des Mitleids, da er weiß, dass sie ihn nicht aus Neugier aufsuchen, sondern weil sie seine Hilfe brauchen. Aber aufgepasst: Mitleid – das Mitleid, das Jesus empfindet – bedeutet nicht einfach ein Gefühl der Anteilnahme; es ist mehr! Es bedeutet, mit-leiden, das heißt das Leid des anderen mitzuempfinden, bis zu dem Punkt, es auf sich zu nehmen. So ist Jesus: Er leidet zusammen mit uns, er leidet mit uns, er leidet für uns. Und das Zeichen dieses Mitleids sind die zahlreichen von ihm gewirkten Heilungen. Jesus lehrt uns, die Bedürfnisse der Armen den unseren voranzustellen. Unsere – wenn auch berechtigten – Bedürfnisse werden nie so dringlich sein wie jene der Armen, denen das Lebensnotwendige fehlt. Wir reden oft von den Armen. Doch wenn wir von den Armen sprechen, spüren wir, dass jenem Mann, jener Frau, jenen Kindern das Lebensnotwendige fehlt? Dass sie nichts zu essen haben, dass sie nichts zum Anziehen haben, dass ihnen die medizinische Versorgung fehlt… Auch dass die Kinder keine Möglichkeit haben, zur Schule zu gehen. Und aus diesem Grund werden unsere obgleich berechtigten Bedürfnisse nie so wichtig sein wie jene der Armen, denen das Nötigste zum Leben fehlt.
Die zweite Botschaft ist die des Teilens. Die erste ist das Mitleid, das Jesus verspürte, die zweite die des Teilens. Es ist hilfreich, die Reaktion der Jünger angesichts der müden und hungrigen Menschenmenge mit der Reaktion Jesu zu vergleichen. Sie unterscheiden sich. Die Jünger denken, dass es besser sei, sie fortzuschicken, damit sie sich etwas zu essen kaufen können. Jesus dagegen sagt: Gebt ihr ihnen zu essen. Zwei unterschiedliche Reaktionen, die zwei gegensätzliche Denkweisen widerspiegeln: Die Jünger denken gemäß der Logik der Welt, nach der jeder für sich selbst sorgen muss. Sie argumentieren, als sagten sie: »Seht zu, wie ihr alleine zurecht kommt!« Jesus argumentiert entsprechend der Logik Gottes, der Logik des Teilens. Wie oft wenden wir uns ab, um nur ja nicht die bedürftigen Brüder und Schwestern zu sehen! Und dieses Abwenden ist eine wohlerzogene Art und Weise, höflich zu sagen: »Seht zu, wie ihr alleine zurecht kommt!« Und das kommt nicht von Jesus: das ist Egoismus. Hätte er die Menge weggeschickt, hätten viele Menschen nichts zu essen gehabt.
Stattdessen reichten jene wenigen Brote und Fische, die geteilt und von Gott gesegnet wurden, für alle. Und aufgepasst! Das ist keine Zauberei, es ist ein »Zeichen«: ein Zeichen, das uns einlädt, Vertrauen in Gott, den fürsorglichen Vater, zu haben, der es uns nicht an »unserem täglichen Brot« fehlen lässt, wenn wir es verstehen, es wie Brüder und Schwestern zu teilen. Mitleid, Teilen. Und die dritte Botschaft: das Wunder der Brotvermehrung deutet auf die Eucharistie hin.
Das ist in der Geste Jesu zu sehen, »der den Lobpreis sprach« (vgl. V. 19), bevor er die Brote brach und sie an die Menschen verteilte. Es ist dieselbe Geste, die Jesus beim Letzten Abendmahl vollbringen wird, wenn er das ewige Gedächtnis seines Erlösungsopfers einsetzen wird. In der Eucharistie schenkt Jesus nicht irgendein Brot, sondern das Brot des ewigen Lebens, er schenkt sich selbst, indem er sich uns zuliebe dem Vater darbringt. Doch wir müssen uns der Eucharistie mit jenen Empfindungen Jesu nähern, also mit dem Mitleid und mit jenem Willen zum Teilen. Wer sich der Eucharistie nähert, ohne Mitleid mit den Bedürftigen zu haben und ohne zu teilen, der wird mit Jesus nicht übereinstimmen. Mitleid, Teilen, Eucharistie. Das ist der Weg, den Jesus in diesem Evangelium weist. Ein Weg, der uns dazu führt, uns in einer brüderlichen Haltung mit den Nöten dieser Welt auseinanderzusetzen, ein Weg, der uns aber über diese Welt hinausführt, da er von Gott, dem Vater, ausgeht und zu ihm zurückkehrt. Die Jungfrau Maria, Mutter der göttlichen Vorsehung, begleite uns auf diesem Weg.
Nach dem Angelusgebet:
Liebe Brüder und Schwestern!
Ich grüße euch alle – tapfer steht ihr da im Regen –, die Gläubigen aus Rom und die Pilger aus verschiedenen Ländern. Ich grüße die Stafette der Pfarrei »Stella Maris al Lido« aus Latina zusammen mit der Vatikanischen Gendarmerie und der Schweizergarde, und ich segne die Fackel, die während des Monats August zum Zeichen der Verehrung für die Gottesmutter angezündet bleiben wird. Mein Gruß geht an die Jugendlichen der Pfarrei »Sacro Cuore« in Pontedera, Bistum Pisa, die zu Fuß über die Via Francigena nach Rom gekommen sind. Außerdem grüße ich die Pfadfinder der AGESCI, die heute hier sind, verbunden mit einem Segen für die Tausenden von italienischen Pfadfindern, die zur großen nationalen Versammlung in San Rossore unterwegs sind. Denkt daran: Mitleid, Teilen, Eucharistie. Allen wünsche ich einen schönen Sonntag. Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten! Gesegnete Mahlzeit und auf Wiedersehen!
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