PAPST FRANZISKUS
GENERALAUDIENZ
Petersplatz
Mittwoch, 6. November 2013
Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!
Am vergangenen Mittwoch habe ich über die Gemeinschaft der Heiligen gesprochen, als Gemeinschaft zwischen den heiligen Personen, also uns Gläubigen. Heute möchte ich den anderen Aspekt dieser Wirklichkeit vertiefen. Ihr erinnert euch, dass es zwei Aspekte gab: Einer ist die Gemeinschaft, die Einheit unter uns, und der andere Aspekt die Gemeinschaft an den heiligen Dingen, an den geistigen Gütern. Die beiden Aspekte sind eng miteinander verbunden, denn die Gemeinschaft unter den Christen wächst durch die Teilhabe an den geistigen Gütern. Insbesondere wollen wir betrachten: die Sakramente, die Charismen und die Liebe (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 949-953). Wir wachsen in der Einheit, in der Gemeinschaft durch die Sakramente, die Charismen, die jeder vom Heiligen Geist hat, und durch die Liebe.
Zunächst die Gemeinschaft an den Sakramenten. Die Sakramente bringen eine tatsächliche und tiefe Gemeinschaft zwischen uns zum Ausdruck und verwirklichen sie, denn in ihnen begegnen wir Christus, dem Retter, und durch ihn unseren Brüdern im Glauben. Die Sakramente sind keine Äußerlichkeiten, sind keine Rituale, sondern sie sind die Kraft Christi; es ist Jesus Christus, der in den Sakramenten gegenwärtig ist. Wenn wir die Eucharistie feiern, ist es der lebendige Christus, der uns versammelt, uns zur Gemeinschaft macht, uns den Vater anbeten lässt. Denn jeder von uns wird durch Taufe, Firmung und Eucharistie in Christus eingegliedert und mit der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen vereint. Wenn es daher einerseits die Kirche ist, die die Sakramente »macht«, so sind es andererseits die Sakramente, die die Kirche »machen«, sie aufbauen, indem sie neue Kinder hervorbringen, sie in das heilige Volk Gottes eingliedern und ihre Zugehörigkeit festigen.
Jede Begegnung mit Christus, der uns in den Sakramenten das Heil schenkt, lädt uns ein, »aufzubrechen « und den anderen ein Heil mitzuteilen, das wir sehen, berühren konnten, dem wir begegnen durften und das wir annehmen durften, das wirklich glaubwürdig ist, weil es die Liebe ist. Auf diese Weise spornen uns die Sakramente an, Missionare zu sein. Und der Einsatz im Apostolat, um das Evangelium in jedes Umfeld zu bringen, auch in das feindseligste, ist die wahrste Frucht eines eifrigen sakramentalen Lebens, da es Teilnahme an der Heilsinitiative Gottes ist, der allen das Heil schenken möchte. Die Gnade der Sakramente nährt in uns einen starken und freudigen Glauben, einen Glauben, der über die »Wunder« Gottes zu staunen und den Götzen der Welt zu widerstehen weiß. Daher ist es wichtig, die Kommunion zu empfangen, ist es wichtig, dass Kinder früh getauft werden, dass sie die Firmung empfangen, denn die Sakramente sind die Gegenwart Jesu Christi in uns, eine Gegenwart, die uns hilft. Es ist wichtig, dass wir, wenn wir uns als Sünder fühlen, das Sakrament der Versöhnung empfangen. Jemand könnte sagen: »Ich habe aber Angst, denn der Priester wird mich hart bestrafen.« Nein, der Priester wird dich nicht hart bestrafen. Weißt du, wem du im Sakrament der Versöhnung begegnen wirst? Du wirst Jesus begegnen, der dir vergibt! Jesus ist es, der dort auf dich wartet; und das ist ein Sakrament, das die ganze Kirche wachsen lässt.
Ein zweiter Aspekt der Gemeinschaft an den heiligen Dingen ist die Gemeinschaft an den Charismen. Der Heilige Geist schenkt den Gläubigen eine Menge an Gaben und geistlichen Gnaden; dieser sozusagen »phantasievolle« Reichtum der Gaben des Heiligen Geistes dient dem Aufbau der Kirche. Die Charismen - ein etwas schwieriges Wort - sind die Geschenke, die uns der Heilige Geist gibt, Fähigkeiten, Möglichkeiten... Diese Geschenke sind nicht dazu gegeben, verborgen zu werden, sondern um sie mit anderen zu teilen. Sie sind nicht für den gegeben, der sie empfängt, sondern zum Nutzen des Gottesvolkes. Wenn ein Charisma, ein solches Geschenk, dagegen dazu dient, sich selbst hervorzutun, darf man daran zweifeln, dass es sich um ein echtes Charisma handelt oder dass es treu gelebt wird.
Charismen sind besondere Gnaden, die einigen gegeben werden, um vielen anderen Gutes zu tun. Es sind Begabungen, Eingebungen und innere Antriebe, die im Gewissen und in der Erfahrung bestimmter Personen entstehen, die aufgerufen sind, sie in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Insbesondere kommen diese geistigen Gaben der Heiligkeit der Kirche und ihrer Sendung zugute. Wir alle sind aufgerufen, sie in uns und in den anderen zu achten, sie als nützliche Impulse für die Präsenz und das fruchtbare Wirken der Kirche anzunehmen. Der hl. Paulus mahnte: »Löscht den Geist nicht aus!« (1 Thess 5,19). Löschen wir den Geist nicht aus, der uns diese Geschenke macht, diese Fähigkeiten gibt, diese so schönen Tugenden, die die Kirche wachsen lassen.
Welche Haltung nehmen wir gegenüber diesen Gaben des Heiligen Geistes ein? Sind wir uns bewusst, dass der Geist Gottes frei ist, sie zu geben, wem er will? Betrachten wir sie als eine geistliche Hilfe, durch die der Herr unseren Glauben stützt und unsere Sendung in der Welt stärkt? Und kommen wir zum dritten Aspekt der Gemeinschaft an den heiligen Dingen: die Gemeinschaft in der Liebe, die Einheit unter uns, die durch die Liebe hergestellt wird. Als die Heiden die ersten Christen beobachteten, sagten sie: Wie sehr sie einander doch lieben, wie lieb sie einander haben! Sie hassen einander nicht, sie reden nicht schlecht übereinander. Das ist die Liebe, die Liebe Gottes, die der Heilige Geist uns ins Herz legt. Die Charismen sind wichtig im Leben der christlichen Gemeinschaft, aber es sind stets Mittel, um in der Liebe zu wachsen, die der hl. Paulus über die Charismen stellt (vgl. 1 Kor 13,1-13). Denn ohne die Liebe sind auch die außerordentlichsten Gaben nichts wert: Dieser Mann heilt Menschen, er hat diese Eigenschaft, jene Tugend... aber hat er Liebe in seinem Herzen? Wenn er sie hat, gut, wenn er sie aber nicht hat, dient er der Kirche nicht.
Ohne die Liebe dienen all diese Gaben und Charismen der Kirche nicht, denn wo keine Liebe ist, da ist eine Leere, die vom Egoismus gefüllt wird. Und ich frage mich: Wenn wir alle Egoisten sind, können wir dann in Gemeinschaft und im Frieden leben? Das kann man nicht, daher ist die Liebe notwendig, die uns vereint. Die kleinste unserer liebevollen Gesten hat gute Auswirkungen für alle! Die Einheit in der Kirche und die Gemeinschaft der Liebe zu leben bedeutet daher, nicht den Eigennutz zu suchen, sondern das Leiden und die Freude der Brüder zu teilen (vgl. 1 Kor 12,26), mit der Bereitschaft, die Last der Schwächsten und Ärmsten zu teilen. Diese brüderliche Solidarität ist kein rhetorisches Stilmittel, keine Redensart, sondern sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Gemeinschaft unter den Christen. Wenn wir sie leben, sind wir in der Welt Zeichen, »Sakrament« der Liebe Gottes. Wir sind es füreinander, und wir sind es für alle! Es handelt sich nicht nur um jene kleinen Liebesdienste, die wir einander erweisen können, es handelt sich um etwas Tieferes: Es ist eine Gemeinschaft, die uns fähig macht, in die Freude und in den Schmerz der anderen einzutreten, um sie uns aufrichtig zu eigen zu machen. Und oft sind wir zu gefühllos, gleichgültig, distanziert, und statt Brüderlichkeit zu vermitteln, vermitteln wir schlechte Laune, Kälte, Egoismus. Und mit schlechter Laune, Kälte, Egoismus kann man die Kirche nicht wachsen lassen: Die Kirche wächst nur durch die Liebe, die vom Heiligen Geist kommt. Der Herr lädt uns ein, uns zur Gemeinschaft mit ihm zu öffnen, in den Sakramenten, in den Charismen und in der Liebe, um so zu leben, wie es unserer christlichen Berufung würdig ist!
Und jetzt erlaube ich mir, euch um einen Akt der Nächstenliebe zu bitten. Keine Angst, es wird keine Kollekte durchgeführt! Bevor ich auf den Platz gekommen bin, habe ich ein anderthalb Jahre altes Mädchen getroffen, das eine sehr schwere Krankheit hat. Sein Vater und seine Mutter beten und bitten den Herrn um die Gesundheit dieses hübschen kleinen Mädchens. Sie heißt Noemi. Sie lächelte, die Ärmste! Tun wir einen Akt der Nächstenliebe. Wir kennen sie nicht, aber es ist ein getauftes Mädchen, sie ist eine von uns, sie ist eine Christin. Tun wir einen Akt der Nächstenliebe für sie und bitten wir in der Stille, dass der Herr ihr in diesem Augenblick helfen und ihr Gesundheit schenken möge. Einen Augenblick in Stille, und dann werden wir das »Ave Maria« beten. Und jetzt bitten wir alle zusammen die Gottesmutter um Gesundheit für Noemi. »Ave Maria...« Danke für diesen Akt der Nächstenliebe.
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[Von Herzen grüße ich die deutschsprachigen Pilger, insbesondere die Schüler der Realschule Maria Ward in Deggendorf wie auch die Studenten des Berufskollegs Sankt Michael in Ahlen. Ein herzliches Willkommen auch den Sängern und Musikern aus Südtirol. Wir alle sind eingeladen, uns der Gemeinschaft mit Jesus in den Sakramenten, in den Charismen und in der Liebe zu öffnen, um so wirklich aus unserer Berufung als Christen zu leben.]
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