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PAPST FRANZISKUS

GENERALAUDIENZ

Mittwoch, 7. September 2016

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Katechese. 28. Es ist die Barmherzigkeit, die rettet (vgl. Mt 11,2-6)

Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

Wir haben einen Abschnitt aus dem Evangelium nach Matthäus gehört (11,2-6). Der Evangelist will uns tiefer in das Geheimnis Jesu eintreten lassen, um seine Güte und seine Barmherzigkeit zu erfassen. Die Episode ist folgende: Johannes der Täufer schickt seine Jünger zu Jesus – Johannes war im Gefängnis –, um ihm eine ganz klare Frage zu stellen: »Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?« (V. 3). Es war im Augenblick der Finsternis… Der Täufer wartete sehnsüchtig auf den Messias, und in seiner Verkündigung hatte er ihn mit ausdrucksstarken Worten beschrieben, als Richter, der endlich das Reich Gottes errichten und sein Volk läutern würde, indem er die Guten belohnte und die Schlechten bestrafte.

Er predigte so: »Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen« (Mt 3,10). Jetzt, da Jesus sein öffentliches Wirken in einem anderen Stil begonnen hat, leidet Johannes, weil er sich in zweifacher Finsternis befindet: in der Finsternis des Gefängnisses und einer Zelle sowie in der Finsternis des Herzens. Er versteht diesen Stil Jesu nicht und will wissen, ob er wirklich der Messias ist oder ob man auf einen anderen warten muss. Und die Antwort Jesu scheint auf den ersten Blick nicht der Bitte des Täufers zu entsprechen. Denn Jesus sagt: »Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt« (V. 4-6). Hier wird der Wille des Herrn Jesus deutlich: Er antwortet, dass er das konkrete Werkzeug der Barmherzigkeit des Vaters ist, der allen entgegengeht und Trost und Heil bringt, und auf diese Weise das Urteil Gottes offenbart.

Die Blinden, die Lahmen, die Aussätzigen, die Tauben bekommen ihre Würde zurück und sind nicht mehr ausgeschlossen wegen ihrer Krankheit, die Toten kehren ins Leben zurück, während den Armen die Frohe Botschaft verkündigt wird. Und das wird zur Synthese des Wirkens Jesu, der auf diese Weise das Wirken Gottes selbst sichtbar und spürbar macht. Die Botschaft, die die Kirche aus diesem Bericht über das Leben Jesu empfängt, ist sehr deutlich. Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, um die Sünder zu bestrafen, und auch nicht, um die Bösen zu vernichten. An sie ist vielmehr die Einladung zur Umkehr gerichtet, damit sie die Zeichen der göttlichen Güte sehen und den Weg der Umkehr wiederfinden können, wie es im Psalm heißt: »Würdest du, Herr, unsere Sünden beachten, / Herr, wer könnte bestehen? Doch bei dir ist Vergebung, / damit man in Ehrfurcht dir dient« (130,3-4). Die Gerechtigkeit, die der Täufer in den Mittelpunkt seiner Verkündigung stellte, offenbart sich bei Jesus in erster Linie als Barmherzigkeit. Und die Zweifel des Vorläufers nehmen nur die Bestürzung vorweg, die Jesus später mit seinem Wirken und seinen Worten hervorrufen wird. So versteht man den Schlusssatz der Antwort Jesu: »Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt« (V. 6). Anstoß bedeutet »Hindernis«. Jesus warnt also vor einer besonderen Gefahr: Wenn das Hindernis beim Glauben vor allem sein barmherziges Handeln ist, dann bedeutet es, dass man ein falsches Bild vom Messias hat.

Selig sind dagegen jene, die angesichts der Gesten und Worte Jesu den Vater im Himmel preisen. Die Mahnung Jesu ist immer aktuell: Auch heute konstruiert der Mensch Gottesbilder, die ihn daran hindern, seine wahre Gegenwart zu erfahren. Einige legen sich einen »Selfmadeglauben« zurecht, der Gott auf den begrenzten Raum der eigenen Wünsche und der eigenen Überzeugungen reduziert. Aber dieser Glaube ist keine Umkehr zum Herrn, der sich offenbart, sondern hindert ihn daran, unser Leben und unser Gewissen herauszufordern. Andere reduzieren Gott auf einen falschen Götzen; sie gebrauchen seinen heiligen Namen, um die eigenen Interessen oder sogar Hass und Gewalt zu rechtfertigen. Für wieder andere ist Gott nur eine psychologische Zuflucht, die ihnen in schwierigen Augenblicken Sicherheit bietet: Es handelt sich um einen in sich selbst zurückgezogenen Glauben, undurchlässig für die Kraft der barmherzigen Liebe Jesu, die zu den Brüdern drängt. Wieder andere betrachten Christus nur als guten Meister ethischer Lehren, als einen von vielen in der Geschichte.

Und schließlich gibt es jene, die den Glauben in einer rein innerlichen Beziehung zu Jesus ersticken und seine missionarische Kraft, die in der Lage ist, die Welt und die Geschichte zu verwandeln, vernichten. Wir Christen glauben an den Gott Jesu Christi, und unser Wunsch ist es, in der lebendigen Erfahrung des Geheimnisses seiner Liebe zu wachsen. Bemühen wir uns also, dem barmherzigen Wirken des Vaters kein Hindernis in den Weg zu stellen, sondern bitten wir um das Geschenk eines großen Glaubens, damit auch wir zu Zeichen und Werkzeugen der Barmherzigkeit werden.

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Mit Freude heiße ich die Pilger aus den Ländern deutscher Sprache sowie aus den Niederlanden willkommen. Besonders grüße ich die Gläubigen des Bistums Passau – und nun, mit Ihnen, erinnere ich mich an die Jungfrau von Altötting – mit ihrem Bischof Stefan Oster, die Mitglieder der Historischen Bürgerwehr Dietenheim und die Gruppe der Kardinal-von-Galen Gesamtschule Nordwalde. Eure Romwallfahrt stärke euch im Glauben und in der tätigen Nächstenliebe. Von Herzen segne ich euch alle.

 



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