PAPST FRANZISKUS
GENERALAUDIENZ
Bibliothek des Apostolischen Palastes
Mittwoch, 29. April 2020
Katechese über die Seligpreisungen: 9. „Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen, denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5,10).
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Mit der heutigen Audienz schließen wir die Reihe über die Seligpreisungen aus dem Evangelium ab. Wie wir gehört haben, wird in der letzten Seligpreisung die eschatologische Freude derer verkündigt, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden. Diese Seligpreisung verkündigt dieselbe Glückseligkeit wie die erste: Das Himmelreich gehört den Verfolgten ebenso wie denen, die arm sind vor Gott. So verstehen wir, dass wir am Ende eines einheitlichen Weges angelangt sind, der in den zuvor verkündeten Seligpreisungen geebnet wurde. Die Armut vor Gott, die Trauer, die Sanftmut, der Durst nach Heiligkeit, die Barmherzigkeit, die Reinigung des Herzens und die Werke des Friedens können zur Verfolgung um Christi willen führen, aber diese Verfolgung ist am Ende Grund zur Freude und zum großen Lohn im Himmel.
Der Weg der Seligpreisungen ist ein österlicher Weg, der von einem Leben gemäß dieser Welt zu einem gottgemäßen Leben führt, von einem Dasein, das vom Fleisch – also vom Egoismus – geleitet ist, zum Dasein, das vom Heiligen Geist geleitet ist. Die Welt mit ihren Götzen, ihren Kompromissen und ihren Prioritäten kann ein solches Dasein nicht gutheißen. Die »Strukturen der Sünde« [1], die oft vom menschlichen Denken erzeugt werden und die dem Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann (vgl. Joh 14,17), so fremd sind, können die Armut oder die Sanftmut oder die Reinheit nur ablehnen und das Leben nach dem Evangelium zum Irrtum und Problem erklären, also zu etwas, das ausgegrenzt werden muss. So denkt die Welt: »Das sind Idealisten oder Fanatiker…« So denken sie.
Wenn die Welt in Funktion des Geldes lebt, dann wird jeder, der zeigt, dass man das Leben im Hinschenken und im Verzicht führen kann, zum Ärgernis für das System der Habgier. Das Wort »Ärgernis« ist der Schlüssel, denn schon allein das christliche Zeugnis, das vielen Menschen, die danach leben, sehr guttut, ist ein Ärgernis für jene, die eine weltliche Denkweise haben. Sie erleben es als eine Zurechtweisung. Wenn die Heiligkeit zum Vorschein kommt und das Leben der Kinder Gottes sich zeigt, dann liegt in jener Schönheit etwas Unbequemes, das zu einer Stellung nahme auffordert: entweder sich hinterfragen zu lassen und sich für das Gute zu öffnen, oder jenes Licht abzulehnen und das Herz zu verhärten, sogar bis hin zu Widerstand und Erbitterung (vgl. Weish 2,14-15). Es ist seltsam, es erweckt Aufmerksamkeit zu sehen, wie in den Verfolgungen der Märtyrer die Feindseligkeit bis zur Erbitterung wächst. Man braucht nur die Verfolgungen des vergangenen Jahrhunderts, der europäischen Diktaturen zu betrachten: wie man zur Erbitterung gegen die Christen, gegen das christliche Zeugnis und gegen den Heroismus der Christen gelangt.
Das zeigt jedoch, dass das Drama der Verfolgung auch der Ort der Befreiung von der Unterwürfigkeit gegenüber dem Erfolg, der Ruhmsucht und den Kompromissen der Welt ist. Worüber freut sich jener, der um Christi willen von der Welt abgelehnt wird? Er freut sich, dass er etwas gefunden hat, das mehr wert ist als die ganze Welt. Denn »was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt?« (Mk 8,36). Was nützt es ihm? Es ist schmerzhaft, daran zu denken, dass es in diesem Augenblick viele Christen gibt, die in verschiedenen Gebieten der Erde Verfolgungen erleiden, und wir müssen hoffen und beten, dass ihre Not so bald wie möglich ein Ende finden möge. Es sind viele: Die heutigen Märtyrer sind zahlreicher als die Märtyrer der ersten Jahrhunderte.
Bringen wir diesen Brüdern und Schwestern unsere Nähe zum Ausdruck: Wir sind ein Leib, und diese Christen sind die blutenden Glieder des Leibes Christi, der Kirche. Aber wir müssen auch achtgeben, diese Seligpreisung nicht unter dem Gesichtspunkt des Selbstmitleids, der Selbstbemitleidung zu verstehen: Kurz darauf sagt Jesus, dass die Christen das »Salz der Erde« sind und warnt vor der Gefahr, dass es »seinen Geschmack verliert«, sonst taugt es »zu nichts mehr, außer weggeworfen und von den Leuten zertreten zu werden« (Mt 5,13). Es gibt also auch eine Verachtung, die unsere Schuld ist, wenn wir den Geschmack Christi und des Evangeliums verlieren. Man muss dem demütigen Weg der Seligpreisungen treu sein, denn er ist es, der dahin führt, zu Christus und nicht zur Welt zu gehören. Es lohnt sich, den Weg des heiligen Paulus in Erinnerung zu rufen: Als er meinte, ein Gerechter zu sein, war er tatsächlich ein Verfolger. Als er jedoch erkannte, dass er ein Verfolger war, wurde er ein Mann der Liebe, der die Leiden der Verfolgung, die er erlitt, mit Freude auf sich nahm (vgl. Kol1,24).
Die Ausgrenzung und die Verfolgung lassen uns, wenn Gott uns die Gnade gewährt, dem gekreuzigten Christus ähnlich sein, lassen uns teilhaben an seinem Leiden, sind der Ausdruck des neuen Lebens. Dieses Leben ist das Leben Christi, der für uns Menschen und zu unserem Heil »verachtet und von den Menschen gemieden« wurde (Jes 53,3; vgl. Apg 8,30-35). Seinen Geist anzunehmen kann uns dahin führen, so viel Liebe im Herzen zu haben, dass wir der Welt das Leben schenken, ohne Kompromisse mit ihren Täuschungen einzugehen und indem wir ihre Ablehnung annehmen.
Die Kompromisse mit der Welt sind die Gefahr: Der Christ ist immer versucht, Kompromisse mit der Welt, mit dem Geist der Welt einzugehen. Das – die Kompromisse abzulehnen und den Weg Jesu Christi zu gehen – ist das Leben des Himmelreiches, die größte Freude, die wahre Seligkeit. Und außerdem liegt in den Verfolgungen immer die Gegenwart Jesu, der uns begleitet, die Gegenwart Jesu, der uns tröstet, und die Kraft des Heiligen Geistes, der uns hilft voranzugehen. Lassen wir uns nicht entmutigen, wenn ein mit dem Evangelium übereinstimmendes Leben die Verfolgungen der Menschen auf sich zieht: Der Heilige Geist stützt uns auf diesem Weg.
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Herzlich grüße ich die Gläubigen deutscher Sprache. Die göttliche Macht des auferstandenen Christus, dessen Glieder wir sind, möge in uns immerdar die Freude des Evangeliums und die Kraft, es wahrhaftig zu bezeugen, lebendig halten. Der Herr begleite euch mit seinem Frieden.
[1] Vgl. Ansprache an die Teilnehmer am Workshop »Neue Formen der solidarischen Brüderlichkeit, der Inklusion, Integration und Innovation«, 5. Februar 2020: »Der Götzendienst des Geldes, die Habgier, die Korruption: All das sind Strukturen der Sünde – wie Johannes Paul II. sie genannt hat –, die von der Globalisierung der Gleichgültigkeit erzeugt werden.«
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