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PAPST FRANZISKUS

GENERALAUDIENZ

Audienzhalle
Mittwoch, 7. Oktober 2020

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Katechese: 9. Das Gebet des Elias

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Wir nehmen heute die Katechesen über das Gebet wieder auf, die wir unterbrochen hatten für die Katechesen über die Sorge für die Schöpfung. Jetzt wollen wir also wieder zu ihnen zurückkehren. Und wir begegnen dabei einer der imposantesten Gestalten der ganzen Heiligen Schrift: dem Propheten Elija. Er geht über die Grenzen seiner Zeit hinaus, und wir können seine Gegenwart auch in einigen Episoden des Evangeliums erkennen. Er erscheint an der Seite Jesu, zusammen mit Mose, bei der Verklärung (vgl. Mt 17,3). Jesus selbst nimmt Bezug auf seine Gestalt, um das Zeugnis von Johannes dem Täufer zu beglaubigen (vgl. Mt 17,10-13).

In der Bibel erscheint Elija ganz plötzlich, auf geheimnisvolle Weise. Er stammt aus einem kleinen, völlig unbedeutenden Dorf (vgl. 1 Kön 17,1); und am Ende entschwindet er unter den Augen seines Schülers Elischa auf einem feurigen Wagen, der ihn in den Himmel bringt (vgl. 2 Kön 2,11-12). Er ist also ein Mann ohne genaue Herkunft und vor allem ohne ein Ende, der in den Himmel entrückt wird: Daher erwartete man seine Wiederkunft vor der Ankunft des Messias, gleichsam als Vorläufer. So erwartete man die Wiederkunft des Elija. Die Heilige Schrift präsentiert uns Elija als einen Mann mit glasklarem Glauben: Schon in seinem Namen, der bedeuten könnte »Jahwe ist Gott«, ist das Geheimnis seiner Sendung enthalten.

So wird er sein ganzes Leben lang sein: ein sehr aufrichtiger Mann, unfähig zu billigen Kompromissen. Sein Symbol ist das Feuer, Bild der reinigenden Macht Gottes. Er wird zunächst auf eine harte Probe gestellt werden und treu bleiben. Er ist das Vorbild aller gläubigen Menschen, die Versuchungen und Leiden kennen, aber dem Ideal nicht untreu werden, für das sie geboren sind. Das Gebet ist der Lebenssaft, aus dem sich sein Dasein beständig speist. Daher ist er eine der Gestalten, die der monastischen Tradition besonders am Herzen liegen, so dass einige ihn zum geistlichen Vater des gottgeweihten Lebens erwählt haben. Elija ist der Mann Gottes, der sich zum Verteidiger des Primats des Allerhöchsten erhebt. Dennoch ist auch er gezwungen, seine eigenen Schwächen in Rechnung zu stellen. Es ist schwer zu sagen, welche Erfahrungen für ihn nützlicher gewesen sind: der Sieg über die falschen Propheten auf dem Berg Karmel (vgl. 1 Kön 18,20-40) oder die Verwirrung, in der er feststellt, dass er nicht besser ist als seine Väter (vgl. 1 Kön 19,4).

Im Herzen des Beters ist das Bewusstsein um die eigene Schwäche wertvoller als die Augenblicke der Begeisterung, wenn das Leben ein erfolgreicher Ritt von Sieg zu Sieg zu sein scheint. So ist es immer im Gebet: Augenblicke des Gebets, die wir tief empfinden und die uns aufrichten, auch Augenblicke der Begeisterung, und Augenblicke des Gebets im Schmerz, in der Trockenheit, in der Prüfung. So ist das Gebet: sich von Gott tragen lassen, aber auch die Hiebe aushalten von schlimmen Situationen und auch von Versuchungen. Diese Wirklichkeit findet sich in vielen anderen biblischen Berufungen wieder, auch im Neuen Testament – denken wir zum Beispiel an den heiligen Petrus und an den heiligen Paulus. Auch ihr Leben war so: Augenblicke der Begeisterung und Augenblicke der Erniedrigung, des Leidens.

Elija ist ein Mann des kontemplativen und gleichzeitig des aktiven Lebens, besorgt um die Ereignisse seiner Zeit, fähig, sich gegen den König und die Königin zu wenden, nachdem diese Nabot töten ließen, um seinen Weinberg in ihren Besitz zu bringen (vgl. 1 Kön 21,1-24). Wie sehr brauchen wir Gläubige, eifrige Christen, die angesichts von Menschen, die Führungsverantwortung tragen, mit dem Mut des Elija handeln, um zu sagen: »Das darf man nicht tun! Das ist Mord!« Wir brauchen den Geist des Elija. Er zeigt uns, dass es im Leben des Beters keine Zweiteilung geben darf: Man steht vor dem Herrn und man geht den Brüdern und Schwestern entgegen, zu denen er uns sendet. Das Gebet bedeutet nicht, sich mit dem Herrn einzuschließen, um sich die Seele zu schminken: Nein, das ist kein Gebet, das ist ein vorgetäuschtes Gebet. Das Gebet ist eine Auseinandersetzung mit Gott und ein Sich-Senden-Lassen, um den Brüdern und Schwestern zu dienen.

Der Prüfstein des Gebets ist die konkrete Nächstenliebe. Und umgekehrt: Die Gläubigen handeln in der Welt, nachdem sie zuerst geschwiegen und gebetet haben; sonst ist ihr Handeln impulsiv, ist es ohne Urteilsvermögen, ist es ein mühevolles Rennen ohne Ziel. Die Gläubigen verhalten sich so, sie tun viel Unrecht, weil sie nicht erst zum Herrn gegangen sind, um zu beten, um zu erkennen, was sie tun sollen. Was in der Bibel steht, lässt vermuten, dass auch Elijas Glaube einen Fortschritt gekannt hat: Auch er ist im Gebet gewachsen, hat es allmählich verfeinert.

Das Antlitz Gottes ist für ihn auf dem Weg deutlicher geworden. Bis zum Höhepunkt in jener wunderbaren Erfahrung als Gott sich Elija auf dem Berg offenbart (vgl. 1 Kön 19,9-13). Er offenbart sich nicht im heftigen Sturm, nicht im Erdbeben oder im verzehrenden Feuer, sondern im »sanften, leichten Säuseln« (V. 12). Oder eine bessere Übersetzung, die jene Erfahrung gut widerspiegelt: in einem Hauch klangvoller Stille. So offenbart Gott sich Elija. Mit diesem demütigen Zeichen teilt Gott sich Elija mit, der in jenem Augenblick ein fliehender Prophet ist, der den Frieden verloren hat. Gott kommt einem müden Mann entgegen – einem Mann, der meinte, an allen Fronten gescheitert zu sein, und mit jenem sanften Säuseln, mit jenem Hauch klangvoller Stille lässt er wieder Ruhe und Frieden in sein Herz einziehen.

Das ist die Geschichte von Elija, aber sie scheint für uns alle geschrieben zu sein. Manchmal können wir uns am Abend nutzlos und einsam fühlen. Dann kommt das Gebet und klopft an die Tür unseres Herzens. Ein Stückchen von Elijas Mantel können wir alle erhaschen, so wie sein Schüler Elischa die Hälfte seines Mantels erhascht hat. Und auch wenn wir einen Fehler gemacht haben oder uns bedroht und verängstigt fühlen sollten: Wenn wir uns Gott im Gebet wieder zuwenden, kehren wie durch ein Wunder auch die Ruhe und der Frieden zurück. Das ist es, was Elijas Vorbild uns lehrt.

* * *

Einen herzlichen Gruß richte ich an die Gläubigen deutscher Sprache, insbesondere an die Jugendlichen aus der Schweiz, welche an der Informationswoche der Päpstlichen Schweizergarde teilnehmen. Das heutige Fest Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz erinnert uns daran, wie wichtig das kontemplative Gebet ist. Wenn wir die Geheimnisse des Heiles betrachten, enthüllt sich uns immer mehr das Angesicht der Liebe Gottes selbst, das wir gerufen sind, in Ewigkeit zu schauen. Die Gottesmutter möge uns sicher auf unserem Weg hin zum Herrn führen.

 



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