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PAPST FRANZISKUS

GENERALAUDIENZ

Bibliothek im Apostolischen Palast
Mittwoch, 14. April 2021

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Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Die Kirche ist eine große Schule des Gebets. Viele von uns haben gelernt, die ersten kleinen Gebete zu sprechen, während sie auf dem Schoß der Eltern oder der Großeltern saßen. Vielleicht bewahren wir die Erinnerung an die Mutter und den Vater, die uns gelehrt haben, vor dem Schlafengehen Gebete zu sprechen. Diese Augenblicke der Sammlung sind oft jene, in denen die Kinder den Eltern etwas anvertrauen und diese ihnen ihren vom Evangelium inspirierten Rat geben können. Später, wenn man aufwächst, macht man weitere Begegnungen, mit anderen Zeugen und Meistern des Gebets (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 2686-2687). Es tut gut, sich an sie zu erinnern.

Das Leben einer Pfarrei und jeder christlichen Gemeinde ist von den liturgischen Zeiten und vom gemeinschaftlichen Gebet geprägt. Wir merken, dass jenes Geschenk, das wir in der Kindheit mit Einfachheit empfangen haben, ein großer Schatz ist, ein sehr reicher Schatz, und dass die Erfahrung des Gebets es verdient, immer mehr vertieft zu werden (vgl. ebd., 2688). Das Gewand des Glaubens ist nicht gestärkt, es entwickelt sich mit uns; es ist nicht starr, es wächst, auch durch Augenblicke der Krisen und der Wiederauferstehungen.

Ohne Augenblicke der Krisen kann man nicht einmal wachsen, denn die Krise lässt dich wachsen: Um zu wachsen ist es notwendig, in eine Krise zu geraten. Und der Atem des Glaubens ist das Gebet: Wir wachsen im Glauben, je mehr wir lernen zu beten. Nach gewissen Übergängen im Leben merken wir, dass wir es ohne den Glauben nicht hätten schaffen können und dass das Gebet unsere Kraft gewesen ist. Nicht nur das persönliche Gebet, sondern auch das der Brüder und der Schwestern und der Gemeinschaft, die uns begleitet und gestützt hat: der Menschen, die uns kennen, der Menschen, die wir bitten, für uns zu beten.

Auch dafür gedeihen in der Kirche beständig Gemeinschaften und Gruppen, die sich dem Gebet widmen. Einige Christen verspüren sogar den Ruf, das Gebet zur wichtigsten Tätigkeit ihres Tagesablaufs zu machen. In der Kirche gibt es Klöster, gibt es Konvente, Einsiedeleien, wo gottgeweihte Menschen leben und die oft zu Zentren geistlicher Ausstrahlung werden. Es sind Gebetsgemeinschaften, die Spiritualität ausstrahlen. Es sind kleine Oasen, in denen man ein intensives Gebet miteinander teilt und Tag für Tag die geschwisterliche Gemeinschaft aufbaut. Es sind lebenspendende Zellen, nicht nur für das kirchliche Gefüge, sondern auch für die Gesellschaft. Denken wir zum Beispiel an die Rolle, die das Mönchtum für die Entstehung und das Wachstum der europäischen Zivilisation und auch in anderen Kulturen hatte. In Gemeinschaft zu beten und zu arbeiten bringt die Welt voran. Es ist eine Triebkraft. Alles in der Kirche entsteht im Gebet, und alles wächst durch das Gebet. Wenn der Feind, der Böse, die Kirche bekämpfen will, dann versucht er in erster Linie, ihre Quellen auszutrocknen, indem er sie daran hindert zu beten. Wir sehen es zum Beispiel in gewissen Gruppen, die übereinkommen, kirchliche Reformen, Veränderungen im Leben der Kirche voranzubringen… Es gibt all die Organisationen, es gibt die Medien, die alle informieren…

Aber das Gebet ist nicht zu sehen, es wird nicht gebetet. »Wir müssen dieses ändern, wir müssen jene Entscheidung treffen, die etwas stark ist…« Der Vorschlag ist interessant, er ist interessant, nur mit der Diskussion, nur mit den Medien, aber wo ist das Gebet? Das Gebet öffnet die Tür für den Heiligen Geist, der Inspiration schenkt, um voranzugehen. Die Veränderungen in der Kirche ohne Gebet sind keine Veränderungen der Kirche, sondern Veränderungen einer Gruppe. Und wenn der Feind – wie ich gesagt habe – die Kirche bekämpfen will, dann versucht er in erster Linie, ihre Quellen auszutrocknen, indem er sie am Beten hindert und [sie in Versuchung führt], jenen anderen Vorschlägen nachzugehen. Wenn das Gebet aufhört, dann scheint es für eine Weile, dass alles vorangehen kann wie immer – aus Trägheit –, aber nach kurzer Zeit merkt die Kirche, dass sie gleichsam eine leere Hülle geworden ist, dass sie das Rückgrat verloren hat, dass sie die Quelle der Wärme und der Liebe nicht mehr besitzt.

Die heiligen Frauen und Männer haben kein leichteres Leben als die anderen. Im Gegenteil: Auch sie haben ihre Probleme, denen sie begegnen müssen, und darüber hinaus erfahren sie oft Widerstand. Ihre Kraft ist jedoch das Gebet, das sie aus dem unversiegbaren »Brunnen« der Mutter Kirche schöpfen. Mit dem Gebet nähren sie die Flamme ihres Glaubens, wie mit dem Öl der Lampen. Und so gehen sie voran, unterwegs im Glauben und in der Hoffnung. Die Heiligen, die in den Augen der Welt oft wenig zählen, sind in Wirklichkeit jene, die sie stützen, aber nicht mit den Waffen des Geldes und der Macht, der Kommunikationsmittel und so weiter, sondern mit den Waffen des Gebets.

Im Evangelium nach Lukas stellt Jesus eine dramatische Frage, die uns stets zum Nachdenken bringt: »Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden? « (Lk 18,8), oder wird er nur Organisationen finden, gleichsam eine Gruppe von »Glaubensunternehmern«, alle gut organisiert, die Wohltätigkeit üben, viele Dinge…, oder wird er den Glauben finden? »Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?« Diese Frage steht am Ende eines Gleichnisses, das die Notwendigkeit aufzeigt, mit Beharrlichkeit zu beten, ohne müde zu werden (vgl. V. 1-8). Wir können daher schließen, dass die Lampe des Glaubens auf der Erde stets brennen wird, solange das Öl des Gebets vorhanden sein wird. Die Lampe des wahren Glaubens der Kirche wird auf der Erde stets brennen, solange das Öl des Glaubens vorhanden sein wird.

Es trägt den Glauben voran, und es trägt unser armseliges, schwaches, sündiges Leben voran, aber das Gebet trägt es mit Sicherheit voran. Das ist eine Frage, die wir Christen uns stellen müssen: Bete ich? Beten wir? Wie bete ich? Wie die Papageien, oder bete ich mit dem Herzen? Wie bete ich? Bete ich in der Gewissheit, dass ich in der Kirche bin, und bete ich mit der Kirche, oder bete ich nach meinen Vorstellungen und lasse meine Vorstellungen zum Gebet werden? Das ist ein heidnisches, kein christliches Gebet. Ich wiederhole: Wir können schließen, dass die Lampe des Glaubens auf der Erde stets brennen wird, solange das Öl des Gebets vorhanden sein wird.

Das ist eine wesentliche Aufgabe der Kirche: zu beten und zum Gebet zu erziehen. Die Lampe des Glaubens mit dem Öl des Gebets von Generation zu Generation weiterzugeben. Die Lampe des Glaubens, die erleuchtet, die die Dinge wirklich so ordnet wie sie sind, die aber nur mit dem Öl des Glaubens vorangehen kann. Sonst erlischt sie. Ohne das Licht dieser Lampe können wir den Weg zum Evangelisieren nicht sehen – ja, wir könnten nicht einmal den Weg sehen, um gut zu glauben; wir könnten die Gesichter der Geschwister nicht sehen, denen wir uns nähern und denen wir dienen sollen; wir könnten den Raum, wo wir einander in Gemeinschaft begegnen können, nicht erleuchten… Ohne den Glauben bricht alles zusammen; und ohne das Gebet erlischt der Glaube. Glaube und Gebet, zusammen. Es gibt keinen anderen Weg. Darum ist die Kirche, die Haus und Schule der Gemeinschaft ist, Haus und Schule des Glaubens und des Gebets.

* * *

Liebe deutschsprachige Brüder und Schwestern, lassen wir uns in dieser Osterzeit von Maria und den Aposteln inspirieren, die sich einmütig im Gebet versammelt hatten und bereit waren für das Kommen des Heiligen Geistes. Der Friede des Auferstandenen sei mit euch!

 



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