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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTAE"

 

Die Logik des Vorher und des Nachher

Donnerstag, 24. Oktober 2013

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 44, 1. November 2013

Wir müssen in die »Logik des Vorher und Nachher« eintreten, um keine »lauen« oder »Rosenwasser-Christen«, oder gar Heuchler zu werden. Mit dieser höchst wirkungsvollen Formulierung hat Papst Franziskus im Verlauf der Messe, die er heute früh, Donnerstag, 24. Oktober, in der Kapelle von Santa Marta feierte, erneut die Einstellung erläutert, mit der sich die Christen dem Geheimnis des von Jesus gewirkten Erlösungswerks nähern sollen.

Er bezog sich zunächst auf den Römerbrief (6,19-23), in dem der hl. Paulus »versucht, uns dieses so große Mysterium unserer Erlösung, der uns gewährten Vergebung, der Vergebung unserer Sünden in Jesus Christus verständlich zu machen«. Der Apostel warne, dass es nicht leicht sei, dieses Geheimnis zu verstehen und zu spüren. Um es uns verständlich zu machen, bediene der hl. Paulus sich dessen, was der Papst als »die Logik des Vorher und Nachher: vor Jesus und nach Jesus« definierte, wie sie im Ruf vor dem Evangelium zusammengefasst sei (Phil 3,8): »Ich habe alles aufgegeben, um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein.« Für den hl. Paulus zählt also einzig und allein Christus. Er, so bekräftigte der Papst, »spürte dies sehr intensiv: der Glaube rechtfertigt uns, rechtfertigt uns vor dem Vater.« Paulus habe sein altes Ich, den Menschen »von vorher«, aufgegeben.

Und er sei ein neuer Mensch, der Mensch »des Nachher«, geworden, dessen Ziel darin bestehe, »Christus zu gewinnen«. In seiner Fortsetzung der Auslegung des Paulusbriefes machte der Heilige Vater darauf aufmerksam, dass das Apostolat »einen Weg aufzeige, wie man dieser Logik des Vorher und Nachher gemäß leben« solle. Einen Weg, der in den folgenden Worten beschrieben wird: »Wie ihr eure Glieder in den Dienst der Unreinheit und der Gesetzlosigkeit gestellt habt, so dass ihr gesetzlos wurdet, so stellt jetzt eure Glieder in den Dienst der Gerechtigkeit, so dass ihr heilig werdet.«

»Das, was Christus in uns gewirkt hat«, sagte der Papst weiter, »ist eine Neu-Schöpfung; Christi Blut hat uns neu erschaffen; es ist eine zweite Schöpfung. Und wenn zuvor unser Leben, unser Leib, unsere Seele, unsere Gewohnheiten auf dem Weg der Sünde, der Gesetzlosigkeit waren, so müssen wir uns jetzt der Anstrengung unterziehen, auf dem Weg der Gerechtigkeit, der Heiligung zu gehen. Paulus bedient sich dieses Wortes: Heiligkeit. Wir alle sind getauft worden. In jenem Augenblick – wir waren damals Kinder – haben unsere Eltern in unserem Namen das Glaubensbekenntnis gesprochen: Ich glaube an Jesus Christus, der uns die Sünden vergeben hat.« Diesen Glauben, so mahnte der Papst, »müssen wir wieder annehmen und durch unsere Lebensweise voranbringen. Und die christliche Lebensweise besteht darin, diesen Glauben an Christus, diese Neu-Schöpfung weiterzutragen.

Die Werke voranbringen, die aus diesem Glauben hervorgehen. Das Wichtigste ist der Glaube, aber die Frucht dieses Glaubens sind die Werke: tut diese Werke, um geheiligt zu werden. Das ist es: Die erste Heiligung, die Christus vollbracht hat, die erste Heiligung, die wir in der Taufe erhalten haben, muss wachsen, sie muss weitergehen.« In Wirklichkeit, so gab der Heilige Vater zu, »sind wir schwach und sündigen sehr oft«. Bedeutet das, dass wir nicht auf dem Weg der Heiligung sind? »Ja und nein«, antwortete Papst Franziskus.

Und er erläuterte: »Wenn du dich daran gewöhnst, ein Leben zu führen, das ›so lala‹ ist, und sagst: ›Ich glaube an Jesus Christus, aber ich lebe nach meinem Gutdünken‹«, in dem Fall »heiligt dich das nicht, das geht nicht, das wäre ein Widersinn.« Aber »wenn du sagst: ›Ich, ja ich bin ein Sünder, ich bin schwach‹«, und »gehst stets zum Herrn und sagst: ›Herr, du hast die Kraft, gib mir den Glauben, du kannst mich heilen‹«, durch das Sakrament, dann »fügen sich auch unsere Fehler in diesen Weg der Heiligung ein.«

Folglich gebe es stets ein Vorher und Nachher: »Zuerst den Glaubensakt. Bevor wir Jesus Christus, der uns mit seinem Blut neu erschaffen hat, angenommen haben, befanden wir uns auf dem Weg der Sünde. Nachher sind wir auf dem Weg der Heiligung, aber wir müssen sie ernst nehmen.« Vor allem aber müssen wir Gott anbeten; und dann »das tun, was uns Jesus empfiehlt: unseren Nächsten helfen, den Hungrigen zu essen geben, den Durstigen Wasser geben, die Kranken besuchen, die Gefangenen besuchen. Diese Werke sind die Werke, die Jesus zu seinen Lebzeiten getan hat, Werke der Gerechtigkeit, Werke der Neu-Schöpfung. Wenn wir einem Hungrigen zu essen geben, erwecken wir in ihm erneut die Hoffnung, und Analoges gilt für die anderen Werke. Aber wenn wir den Glauben annehmen und ihn dann nicht auch leben, dann sind wir bloß Christen, aber nur aus Erinnerung: ja, ja, ich bin getauft worden, das ist der Glaube der Taufe, aber ich lebe so, wie es eben geht.« Ohne dieses Bewusstsein des Vorher und Nachher »dient unser Christentum niemandem«.

Ja, es wird zur »Heuchelei: ich bezeichne mich als einen Christen, lebe aber wie ein Heide. Manchmal sagen wir: Christen, die auf halbem Wege stehen bleiben«, die nicht ernsthaft über die Tatsache nachdenken, dass sie »durch das Blut Christi geheiligt« worden sind. Und wenn man diese Heiligung nicht ernst nimmt, dann wird man wie die, die der Papst als »laue Christen« bezeichnet hat: »Ja, ja, nein, nein, nein … Es ist ein bisschen wie das, was unsere Mütter als Rosenwasser-Christen zu bezeichnen pflegten: ein bisschen so la la, ein bisschen christliche Lackierung, ein wenig katechetischen Lack, innen aber gibt es keine wahre Umkehr, das ist nicht die Überzeugung, die Paulus vertritt: Seinetwegen habe ich alles aufgegeben und halte es für Unrat, um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein.«

Das, so fügte der Bischof von Rom hinzu, war »die Leidenschaft des Paulus.« Und das müsse »die Leidenschaft eines jeden Christen sein: Alles aufgeben, was uns von Christus, dem Herrn, entfernt; alles aufgeben, was uns vom Akt des Glaubens an ihn entfernt, vom Glaubensakt an die Neu-Schöpfung durch sein Blut. Und alles neu machen. Alles ist neu in Christus. Alles ist neu.«

Ist das ein erreichbares Ziel? »Ja«, antwortete der Papst, und erläuterte: »Paulus hat es getan. Viele Christen haben es getan und tun es noch. Nicht nur die Heiligen (die, die wir kennen), auch die anonymen Heiligen, die, die ihr Christentum ernsthaft leben. Vielleicht lautet die Frage, die wir uns heute stellen können, folgendermaßen: ›Will ich mein Christ-Sein ernsthaft leben? Glaube ich, dass ich durch Christi Blut neu geschaffen wurde, und will ich diese Neu-Schöpfung voranbringen bis an den Tag, an dem man das neue Jerusalem, die neue Schöpfung sehen wird? Oder bleibe ich auf halbem Wege stehen?‹«

»Bitten wir den hl. Paulus, der zu uns heute über diese Logik des Vorher und Nachher spricht«, so schloss der Papst, »dass er uns die Gnade gewähren möge, als ernsthafte Christen zu leben und wahrhaftig daran zu glauben, dass wir durch das Blut Jesu Christi geheiligt worden sind.«



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