PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTAE"
Dazu fähig, Scham zu empfinden
Freitag, 25. Oktober 2013
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 45, 8. November 2013
Die Gnade der Scham ist das, was wir erfahren, wenn wir Gott unsere Schuld bekennen, und wir tun das, indem wir »von Angesicht zu Angesicht« mit »unserem Bruder«, dem Priester, sprechen. Und nicht etwa, indem wir meinen, uns direkt an Gott wenden zu können, als sei es eine Art »Beichten per e-mail«. Mit diesen wirkungsvollen Formulierungen hat Papst Franziskus die Aufmerksamkeit auf eines der für die Erlösung des Menschen grundlegendsten Sakramente gelenkt, dasjenige der Beichte. Er sprach davon heute früh, Freitag, 25. Oktober, im Verlauf der heiligen Messe in der Kapelle von Santa Marta.
Nachdem der hl. Paulus die Erfahrung gemacht hat, dass er durch das Blut Christi befreit wurde, dass er also »neu geschaffen« wurde, spürt er, dass es immer noch etwas in ihm gibt, das ihn unfrei macht. Und in der dem Römerbrief (7,18-25) entnommenen Schriftlesung zum Tage bezeichne sich der Apostel als »unglücklicher Mensch«, so der Papst. Außerdem habe »Paulus gestern von der Erlösung in Christus durch den Glauben gesprochen und sie verkündet«, während er heute »als Bruder seinen Brüdern in Rom vom Kampf berichtet, den er in seinem Inneren führt: Ich weiß, dass in mir, das heißt in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt; das Wollen ist bei mir vorhanden, aber ich vermag das Gute nicht zu verwirklichen. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, dann bin nicht mehr ich es, der so handelt, sondern die in mir wohnende Sünde. Er bekennt, dass er ein Sünder ist. Er sagt zu uns: Christus hat uns gerettet, wir sind frei. Aber ich bin ein armer, unglücklicher Mensch, ich bin ein Sünder, ich bin ein Knecht.«
Es geht um das, was der Papst den »Kampf der Christen« nannte, den Kampf, den wir jeden Tag von neuem kämpfen. »Ich stoße also auf das Gesetz, dass in mir das Böse vorhanden ist«, erläuterte der Papst. »Obwohl ich das Gute tun will! Denn in meinem Innern freue ich mich am Gesetz Gottes, ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das mit dem Gesetz meiner Vernunft im Streit liegt und mich gefangen hält.« Und wir »haben nicht immer den Mut, so über diesen inneren Kampf zu sprechen, wie Paulus es tut. Wir suchen immer nach Rechtfertigungen: Aber wir sind ja alle Sünder.« Gerade gegen diese Einstellung müssen wir ankämpfen. Ja, »wenn wir das nicht zugeben«, so warnte der Heilige Vater, »dann können wir auch Gottes Vergebung nicht erlangen, denn wenn das Sünder-Sein nur ein Wort ist, eine Redensart, dann haben wir Gottes Vergebung nicht nötig. Wenn es hingegen eine Wirklichkeit ist, die uns versklavt, dann bedürfen wir dieser inneren Befreiung durch den Herrn, bedürfen wir dieser Kraft.« Und Paulus zeigt uns den Ausweg: »Er bekennt der Gemeinschaft seine Schuld, seinen Hang zur Sünde, er verbirgt sie nicht. Das ist die Einstellung, die die Kirche von uns allen erwartet, die Jesus von uns verlangt: demütig unsere Sünden zu bekennen.«
In ihrer Weisheit verweist die Kirche die Gläubigen auf das Sakrament der Versöhnung. Und wir, so mahnte der Papst, sind dazu aufgerufen, das zu tun: »Gehen wir zum Bruder, zum Bruder Priester, und legen diese innere Beichte ab: dieselbe, die Paulus ablegt: Ich will das Gute, ich möchte gerne besser sein, aber wissen Sie, manchmal kämpfe ich mit mir, manchmal habe ich das, und das, und das « Denn »so konkret, wie das Heil ist, das Jesus uns bringt, ebenso konkret ist auch unsere Sünde«.
Der Papst sprach dann über jene Menschen, die das Gespräch mit dem Priester ablehnen und behaupten, direkt bei Gott zu beichten. Sicher, so kommentierte er, »das ist leicht, das ist, als beichte man per e-mail Gott ist dort, in der Ferne, ich sage diese Dinge und muss nicht von Angesicht zu Angesicht beichten, es gibt kein Gespräch unter vier Augen«. Paulus hingegen »bekennt seinen Brüdern seine Schwäche von Angesicht zu Angesicht«. Der Papst tadelte auch jene, die beim Priester »sehr ätherische Sünden beichten, nichts, das irgendwie konkret wäre«: so zu beichten »kommt aufs gleiche heraus wie gar nicht beichten«, präzisierte er. Und er fügte hinzu: »Unsere Sünden zu beichten ist nicht das Gleiche wie zum Psychiater zu gehen, und auch nicht das Gleiche wie in die Folterkammer zu gehen. Es heißt vielmehr, zum Herrn zu sagen: Herr, ich bin ein Sünder. " Aber es wird auf dem Weg über den Bruder gesagt, damit dieses Sagen auch ganz konkret ist. Und ich bin ein Sünder, weil ich das, und das, und das getan habe .« Der Papst verriet dann, dass er die Art und Weise bewundere, wie Kinder beichteten.
»Heute«, so erläuterte er, »haben wir im Ruf vor dem Evangelium gelesen: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du den Unmündigen die Geheimnisse deines Reiches offenbart hast (Mt 11,25). Die Kinder verfügen über eine gewisse Weisheit. Wenn ein Kind beichten kommt, dann sagt es nie etwas Allgemeines: Vater, ich habe das getan, ich habe das meiner Tante angetan, ich habe jenes der anderen angetan, zu einem anderen habe ich dieses Wort gesagt und sie sagen das Wort. Sie sind konkret, sie haben die Einfalt der Wahrheit. Und wir neigen immer dazu, die Realität unserer Erbärmlichkeit zu verbergen.« Hingegen ist es sehr schön, »wenn wir unsere Sünden so bekennen, wie sie vor Gott sind. Wenn wir stets diese Gnade der Scham verspüren. Sich vor Gott zu schämen ist eine Gnade. Es ist eine Gnade: Ich schäme mich. Denken wir an das, was Petrus nach dem Wunder Jesu auf dem See sagte: Herr, geh weg von mir, ich bin ein Sünder. Er schämt sich seiner Sünde angesichts der Heiligkeit Jesu Christi.«
Beichten gehen »heißt, zu einer Begegnung mit dem Herrn gehen, der uns vergibt, der uns liebt. Und unsere Scham ist das, was wir ihm darbringen: Herr, ich bin ein Sünder, aber schau, ich bin nicht völlig schlecht, ich bin dazu imstande, mich zu schämen.« Daher »bitten wir um diese Gnade, in der Wahrheit zu leben, ohne etwas vor Gott zu verbergen und ohne irgend etwas vor uns selbst zu verbergen«.
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