PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Wir alle sind Ostiarier
Montag, 12. Mai 2014
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 21, 23. Mai 2014
In der Kirche sind wir alle ohne Unterschied damit beauftragt, das uralte Amt des Ostiarius auszuüben, also die Aufgabe »dessen, der die Türen öffnet« und »die Menschen empfängt«. Im übrigen habe es in der Geschichte der Kirche niemals das Amt dessen gegeben, der den Menschen »die Türen vor der Nase zuschlägt«.
Der Papst hat also während der Frühmesse, die er am Montag, 12. Mai, in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte, dazu aufgefordert, den Heiligen Geist nicht »einzusperren«. In seiner Predigt erwähnte der Bischof von Rom erneut eine Stelle aus der Apostelgeschichte (11,1-18), die er, wie er verriet, für »eine der schönsten Bibelstellen « hält, die »uns Bischöfe sehr viel lehrt«. Bereits die ersten Worte, so erläuterte er, seien sehr eindringlich: »Die Apostel und die Brüder in Judäa erfuhren, dass auch die Heiden das Wort Gottes angenommen hatten. Als nun Petrus nach Jerusalem hinaufkam, hielten ihm die gläubig gewordenen Juden vor: Du hast das Haus von Unbeschnittenen betreten und hast mit ihnen gegessen.«
In ihren Augen »war das richtig skandalös«, etwas, von dem sie »nie gedacht« hätten, dass es geschehen könnte. In der Tat sei es für sie unvorstellbar gewesen, ein Haus zu betreten und sich gar mit Unbeschnittenen an den Tisch zu setzen, weil sie diese als unrein betrachteten. Petrus hingegen hatte nicht etwa nur das getan, sondern er hatte diese Leute auch noch getauft. Kurz gesagt, so stellte der Papst fest, sie hätten ihn für »verrückt « gehalten. Gerade so, als ob »morgen eine Expedition grüner Marsmännchen käme, mit langer Nase und großen Ohren, wie die Kinder sie zu malen pflegen«. Was aber würde geschehen, wenn einer von ihnen sagen würde: »Ich will getauft werden«? Der Apostelgeschichte zufolge berichte Petrus also, »was geschehen war, dass es gerade der Heilige Geist war«, der ihn dazu gedrängt habe. Es sei »derselbe Geist, der dem Philippus aufgetragen hatte, er solle den Finanzminister der Königin Kandake taufen«, wie gleichfalls in der Apostelgeschichte zu lesen sei.
Gerade der Heilige Geist »drängte Petrus dazu, weiter« zu machen, er ermutigte ihn, denn »es gibt nichts Unreines«. Und Petrus habe gehorcht. Und dann, so erinnerte der Papst, »geschieht das, was wir alle kennen: die Taufe des Kornelius und seiner ganzen Familie«. Aber die Vorwürfe der »Brüder der Jerusalemer Gemeinde« erwidert Petrus »mit diesem Satz: ›Wenn nun Gott ihnen, nachdem sie zum Glauben an Jesus Christus, den Herrn, gekommen sind, die gleiche Gabe geschenkt hat wie uns: Wer bin ich, dass ich Gott hindern könnte?‹«
Eine Frage, die, wie der Papst bekräftigte, an einen jeden von uns gerichtet sei, denn »wenn uns der Herr den Weg zeigt, wer sind wir, dass wir sagen könnten: Nein, Herr, das ist nicht klug, nein, machen wir es lieber so?« Es sei dann Petrus, der »diese Entscheidung fällt« und sagt: »Wer bin ich, dass ich Gott hindern könnte?« Dies sei »ein schönes Wort für die Bischöfe, für die Priester und auch für die Christen: Wer sind wir, dass wir die Türen verschließen könnten?« Es sei kein Zufall, dass es in der Kirche stets »das Amt des Ostiarius« gegeben habe, dessen also, der die Tür öffne, die Menschen empfange und eintreten lasse, aber »es hat niemals das Amt dessen gegeben, der die Tür verschließt, niemals!« Überdies, so fuhr der Papst fort, habe der Herr zu den Jüngern gesagt, dass er »einen anderen Beistand« senden würde, der, wie er versichert habe, »euch in die ganze Wahrheit führen wird«.
Also »überlässt der Herr die Leitung seiner Kirche dem Heiligen Geist«. Und das gelte auch heute noch, denn »die Leitung der Kirche hat der Herr in die Hände des Heiligen Geistes gelegt: er ist es, der uns alle durch die in der Taufe und in den Sakramenten empfangene Gnade leitet«. Der Heilige Geist hatte seine Mission keineswegs mit dem Pfingsttag abgeschlossen, bekräftigte der Papst, als er auf sie herabkam und es dann »sehr viel Lärm« gegeben habe, so dass »gesagt wurde: Aber diese Leute hatten vielleicht keinen Milchkaffee mehr, und haben statt dessen etwas Wein zum Frühstück getrunken!« In Wirklichkeit »waren sie nicht betrunken«: die Geschichte »begann« an jenem Tag, und seitdem »geht der Heilige Geist voran, bringt er die Kirche voran«.
»Sonderbar«, so merkte der Papst hierzu an, sei dann das Verhalten der »Christen von Jerusalem « gewesen, »von guten Gläubigen«: Nachdem diese Petrus getadelt und für »verrückt« erklärt hätten, hätten sie sich seine Rechtfertigung angehört, und dann »beruhigten sie sich und fingen an, Gott zu preisen, indem sie sagten: ›Gott hat also auch den Heiden die Umkehr zum Leben geschenkt!‹ « Folglich sei »der Heilige Geist derjenige, der, wie Jesus sagt, uns alles lehren wird«. Und der auch dafür sorgen werde, »dass wir uns an das erinnern, was Jesus uns gelehrt hat«. Der Heilige Geist »ist die lebendige Gegenwart Gottes in der Kirche, er ist es, der die Kirche voranbringt, der die Kirche immer weiter gehen lässt, über die Grenzen hinaus, immer weiter«. Er sei es, »der mit seinen Gaben die Kirche führt. Man kann die Kirche Jesu nicht ohne jenen Beistand verstehen, den der Herr uns sendet« und der »zu diesen unvorstellbaren Entscheidungen« hinführe. Um »ein Wort des heiligen Johannes XXIII.« zu gebrauchen: »Es ist der Heilige Geist, der die Kirche aktualisiert und sie weitergehen lässt.«
Der Papst forderte daher die Christen auf, »den Herrn um die Gnade der Fügsamkeit dem Heiligen Geist gegenüber zu bitten, der Fügsamkeit diesem Geist gegenüber, der in unserem Herzen zu uns spricht, der in den Wechselfällen des Lebens zu uns spricht, der im kirchlichen Leben zu uns spricht, in der kirchlichen Gemeinschaft, der immer zu uns spricht: Geh voran, triff Entscheidungen, tue dies…« Und er regte auch an, sich stets an die Frage Petri zu erinnern: »Wer bin ich, dass ich den Heiligen Geist hindern könnte? Wer bin ich, dass ich in der Kirche das Amt des Ostiarius dahingehend abändern könnte, dass dieser die Türen, statt sie zu öffnen, verschlösse? Wer bin ich, dass ich sagen könnte: bis hierher, und nicht weiter? Wer bin ich, dass ich den Heiligen Geist einsperren könnte?«
Bei seiner Antwort auf diese Fragen verlieh der Bischof von Rom der Hoffnung Ausdruck, »dass uns der Herr diese Ruhe schenke, zu der die Christen von Judäa gefunden haben«, nach dem sie Petrus angehört hätten, »und dass er uns auch die Gnade schenken möge, Gott zu preisen«. Jene Christen hätten gesagt: »Gott hat also auch den Heiden die Umkehr zum Leben geschenkt«. Und heute, so schloss Papst Franziskus, sagen wir, dass Gott auch diesen Menschen, die so fern von der Kirche sind und vielleicht eine schlechte Meinung von ihr haben, »die Umkehr zum Leben geschenkt hat, denn der Heilige Geist kennt keine Grenzen«.
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