PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Der Stein und die Ziegel
Freitag, 24. Oktober 2014
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 45, 7. November 2014
Der Heilige Geist errichtet die Kirche und er festigt ihre Einheit auf dem Fundament jenes Ecksteins, der Jesus ist. Um uns zurechtzufinden, so dass wir an diesem Bau mitwirken können, haben wir einen »Bauplan« in Händen, der Hoffnung heißt. Es gilt allerdings, den folgenden Hinweis zu beachten: wir müssen schwach sein, um stark sein zu können. So lauten die geistlichen Ratschläge des heiligen Paulus, die Papst Franziskus am 24. Oktober in der Frühmesse in der Kapelle des Hauses Santa Marta aufgriff.
Der Papst machte gleich eingangs darauf aufmerksam, dass das »vom Apostel Paulus in diesem Abschnitt des Epheserbriefes (4,1-6) meistgebrauchte Wort« das Wörtchen »ein« sei. Denn es heiße dort: »Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller.« Es sei offenkundig, dass das Wort »ein« sehr oft wiederholt werde. Und gerade aus dieser Perspektive schreibe Paulus ausdrücklich: »Ich, der ich um des Herrn willen im Gefängnis bin, ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging. « Diese Ermahnung des Paulus, so erläuterte Franziskus, ziele darauf ab, die »Einheit der Kirche « zu schaffen, durch »eine Taufe, einen Glauben, einen Gott und Vater«. »Die Einheit der Kirche zu schaffen ist durch die ganze Geschichte hindurch die Aufgabe der Kirche und eines jeden Christen.«
Insbesondere der Apostel Petrus spreche im Zusammenhang mit der Kirche »von einem Tempel, errichtet aus lebendigen Steinen, die wir sind«. Damit stelle er praktisch »das Gegenteil jenes anderen Tempels des Hochmuts« vor Augen, »der der Turm von Babel war«. Tatsächlich »bringt dieser Tempel die Einheit«, während jener von Babel »das Symbol für die Entzweiung, für ein mangelndes gegenseitiges Verstehen, für die Sprachverwirrung« sei.
So sei es »die Aufgabe eines jeden Christen, jedes Einzelnen von uns«, diese »Einheit der Kirche zu schaffen, die Kirche aufzubauen, diesen Tempel, diese Einheit der Kirche«. Und »wenn man einen Tempel, einen Palast zu errichten hat, sucht man sich einen Bauplatz aus, der dafür vorbereitet worden ist«. Aber »das allererste, was man tut, ist, dass man den Grundstein sucht, den Eckstein, wie die Bibel sagt«. Und »der Eckstein der Kirche ist Jesus«, während »der Eckstein für die Einheit der Kirche das Gebet ist, das Jesus beim Abendmahl sprach: Damit alle eins seien (Ut unum sint).« Gerade das, so der Bischof von Rom, sei »die Kraft« und »der Stein, auf dem wir die Einheit der Kirche erbauen. Ohne diesen Stein geht das nicht. Es gibt keine Einheit, der nicht Jesus zugrunde läge: er ist unsere Sicherheit.«
Aber Franziskus fragte sich: »Wer schafft diese Einheit?« Mit Sicherheit nicht wir, so präzisierte er, denn »das ist das Werk des Heiligen Geistes: des einzigen, der fähig ist, die Einheit der Kirche zu bewirken«. In der Tat habe Jesus »ihn gesandt, um die Kirche wachsen zu lassen, um sie stark zu machen, um sie eins sein zu lassen«. Es sei »der lebendige Geist, den wir alle in uns haben: er schafft die Einheit der Kirche in der Vielfalt der Völker, der Kulturen, der Menschen«. Er verstehe es, gerade »in dieser Vielfalt die Einheit zu schaffen. Aber nur er allein kann das bewirken, niemand von uns kann das.«
Dann stellte Franziskus eine weitere Frage: »Wie errichtet man diesen Tempel?« Hierzu habe der Apostel Petrus »gesagt, dass wir die lebendigen Steine in diesem Bauwerk« seien. Aber, so merkte der Papst an, »an dieser Stelle empfiehlt uns der Apostel Paulus, wir sollten nicht so sehr Steine, sondern vielmehr schwache Ziegel sein.« Also lauteten »die Ratschläge, die uns Paulus gibt, um dem Heiligen Geist bei der Herstellung der Einheit zu helfen, dass wir nach menschlichen Vorstellungen schwach sein sollten.« Und in der Tat seien »Demut, Sanftmut, Großmut schwache Dinge, denn es scheint, dass ein demütiger Mensch zu nichts nützt; die Sanftmut, die Milde scheinen überflüssig; die Großmut, die Offenheit allen gegenüber, ein großes Herz zu haben…« Paulus füge überdies hinzu: »Ertragt einander in Liebe«, aber »bemüht euch, die Einheit zu wahren «. So würden »wir zu desto stärkeren Steinen in diesem Tempel, je schwächer wir uns durch diese Tugenden der Demut, der Sanftmut und der Milde« machten.
Und dies sei genau »derselbe Weg«, den Jesus gegangen sei, der »nicht daran festhielt, wie Gott zu sein: er erniedrigte sich, er entäußerte sich; er wurde schwach, sehr schwach, schwach bis an das Kreuz, und wurde dann stark«. Der Papst erinnerte daran, dass wir aufgerufen seien, »dasselbe zu tun: Je mehr wir zu Ziegeln werden, mit diesen Eigenschaften, desto nützlicher sind wir dem Heiligen Geist bei der Arbeit an der Einheit der Kirche.« Hingegen sind »der Stolz, die Herablassung zu nichts nütze.«
Letztlich könne man sagen, so hob der Papst hervor, dass »der Geist der Baumeister ist, der dieses Gebäude errichtet, diesen Tempel, der die lebendige Kirche ist, auf jenem einen Grundstein, der Jesus ist, auf dem Grundstein, der im Gebet Jesu für die Einheit besteht.« Aber Paulus füge dem noch etwas hinzu: »Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist.« Denn »wenn man ein Gebäude errichtet, dann ist es notwendig, dass der Architekt den Bauplan entwirft«. Und »was ist der Bauplan für die Einheit der Kirche? Die Hoffnung, zu der wir berufen sind: die Hoffnung, zum Herrn hinzugehen, die Hoffnung, in einer lebendigen Kirche zu leben, errichtet aus lebendigen Steinen, mit der Kraft des Heiligen Geistes.« Daher »können wir nur mit dem Bauplan der Hoffnung in der Einheit der Kirche vorankommen«.
Franziskus erinnerte abschließend daran, dass »wir zu einer großen Hoffnung berufen sind«, und ermahnte: »Gehen wir dorthin!« Aber wir sollten das »mit der Kraft tun, die uns das Gebet Jesu für die Einheit schenkt und mit der Fügsamkeit dem Heiligen Geist gegenüber, der aus Ziegeln lebendige Steine machen kann.« Und auch »voller der Hoffnung, den Herrn zu finden, der uns gerufen hat; ihn zu finden, wenn die Zeit sich erfüllt hat.«
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