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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Von woher kommt das Licht?

 Montag, 24. November 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 50, 12. Dezember 2014

 

In der Witwe, die ihre beiden kleinen Münzen in den Opferkasten des Tempels wirft, können wir ein »Bild der Kirche« sehen, die arm, demütig und treu sein soll. In der heiligen Messe am 24. November ging Papst Franziskus in seiner Predigt vom Tagesevangelium aus, das dem 21. Kapitel bei Lukas (1-4) entnommen war. Er erinnerte an den Abschnitt, wo Jesus – »nach langen Diskussionen«, die er mit den Sadduzäern und den Jüngern über die Pharisäer und die Schriftgelehrten geführt hatte, »die sich darüber freuten, die besten Plätze zu haben, die vordersten Sitze in den Synagogen, die Ehrenplätze bei jedem Festmahl und auf allen Straßen und Plätzen gegrüßt zu werden« – aufblickt und »die Witwe sieht«. Der »Gegensatz« zu den »Reichen, die ihre Gaben in den Opferkasten des Tempels legten«, steche sofort ins Auge. Und gerade die Witwe »ist hier, in diesem Abschnitt, die stärkste Persönlichkeit«.

Von dieser Witwe, so erläuterte der Papst, »wird zweimal gesagt, dass sie arm ist: zweimal. Und dass sie kaum das Nötigste zum Leben hat.« Es scheine fast, als ob der Herr den Schriftgelehrten gegenüber habe betonen wollen: »Ihr verfügt über einen großen Reichtum an Eitelkeit, an äußerem Anschein und auch an Hochmut. Diese Frau hier ist arm. Ihr, die ihr die Witwen um ihre Häuser bringt…« Aber »in der Bibel sind die Witwen und Waisen die sozial am stärksten ausgegrenzten Personen«, gerade so wie die Aussätzigen, und »deshalb gibt es viele Gebote, die vorschreiben, den Witwen und Waisen zu helfen, sich ihrer anzunehmen.« Und Jesus »blickt diese einsame, einfach gekleidete Frau an«, die »ihren ganzen Lebensunterhalt: zwei kleine Münzen, in den Opferstock wirft«. Man denke dabei auch an eine andere Witwe, die Witwe von Sarepta, »die den Propheten Elija aufgenommen hatte und ihm alles gab, was ihr geblieben war – ein wenig Mehl mit Öl –, bevor sie sterben musste…«

Der Papst rekonstruierte die Szene, die im Evangelium geschildert wird: »Eine arme Frau inmitten all dieser mächtigen Männer, mitten unter den Gelehrten, den Priestern, den Schriftgelehrten… und auch mitten unter diesen reichen Leuten, die ihre Gaben in den Opferstock warfen, einige auch nur, um gesehen zu werden.« Jesus sage zu ihnen: »Das ist der Weg, das ist das Vorbild. Das ist der Weg, den ihr einschlagen sollt.« »Die Geste dieser Frau, die nur für Gott lebte, gerade so wie die Witwe Anna, die Jesus im Tempel empfing«, zeichne sich sehr deutlich ab: »Sie lebte ganz für Gott. Sie setzte ihre Hoffnung einzig und allein auf Gott.«

»Der Herr verleiht der Gestalt dieser Witwe viel Nachdruck«, sagte Franziskus und fuhr fort: »Ich sehe in dieser Frau gerne ein Bild der Kirche. « Vor allem der »armen Kirche, denn die Kirche darf keinen anderen Reichtum besitzen als ihren Bräutigam«, dann auch der »demütigen Kirche, wie es die Witwen jener Zeit waren. Denn zu jener Zeit gab es keine Rente, es gab keine Sozialhilfe, nichts.« In einem gewissen Sinne sei die Kirche »ein bisschen wie eine Witwe, denn sie erwartet die Rückkehr ihres Bräutigams«. Sicher, sie habe »ihren Bräutigam in der Eucharistie, im Wort Gottes, in den Armen: aber sie erwartet seine Rückkehr.«

Und was veranlasst den Papst, »in dieser Frau die Gestalt der Kirche zu sehen?« Die Tatsache, dass »sie völlig unwichtig war: der Name dieser Witwe erschien in keiner Zeitung, niemand kannte sie, sie hatte keine akademischen Titel… nichts. Nichts. Sie erstrahlte nicht in ihrem eigenen Licht.« Und die »große Tugend der Kirche« müsse gerade darin bestehen, »nicht im eigenen Lichte zu erstrahlen«, sondern »das Licht« zu reflektieren, »das von ihrem Bräutigam ausgeht«. Und das gerade deshalb, weil »die Kirche sich im Lauf der Jahrhunderte, als sie ihr eigenes Licht haben wollte, irrte«. Das hätten auch »die ersten Kirchenväter« gesagt: die Kirche sei »ein Mysterium wie jenes des Mondes. Sie bezeichneten es als das mysterium lunae: Der Mond erstrahlt nicht in seinem eigenen Licht, sondern er erhält es immer von der Sonne.«

Gewiss, so führte der Papst aus, »es ist wahr, dass der Herr manchmal seine Kirche auffordern kann, ein wenig eigenes Licht zu haben«, so etwa, als er »die Witwe Judith dazu aufforderte, die Witwenkleider abzulegen und ihr Festgewand anzulegen, um einen Auftrag zu erfüllen.« Aber, so betonte er, »das Verhalten der Kirche ihrem Bräutigam, dem Herrn, gegenüber muss immer unverändert bleiben. Die Kirche »erhält ihr Licht von dort, vom Herrn«, und »jeder Dienst, den wir« in ihr »verrichten«, diene dazu, »dieses Licht zu empfangen«. Wenn einem Dienst dieses Licht fehle, dann »ist das nicht gut«, denn »dies hat zur Folge, dass die Kirche entweder reich oder mächtig wird oder dass sie nach Macht strebt oder dass sie einen falschen Weg einschlägt, wie es im Lauf der Geschichte so oft geschehen ist, und wie es auch in unserem Leben der Fall ist, wenn wir ein anderes Licht begehren, das nicht mit dem des Herrn identisch ist: ein eigenes Licht.«

Das Evangelium, so merkte der Papst an, präsentiere das Bild der Witwe gerade in jenem Augenblick, als »Jesus beginnt, den Widerstand der Führungsschicht seines Volkes zu spüren: der Sadduzäer, der Pharisäer, der Schriftgelehrten.« Und es sei geradezu so, als sage er: »All das kommt vor, aber schaut dort hin!«, auf diese Witwe. Dieser Vergleich sei grundlegend, um die wahre Wirklichkeit der Kirche erkennen zu können, die »dann, wenn sie der Hoffnung und ihrem Bräutigam treu ist, sich darüber freut, ihr Licht von ihm zu erhalten und – in diesem Sinne – eine Witwe zu sein: auf die Sonne zu warten, die kommen wird.« Im Übrigen »ist es kein Zufall, dass Jesus die erste heftige Auseinandersetzung – nach jener mit Satan – in Nazaret hatte, weil er von einer Witwe und von einem Aussätzigen gesprochen hatte: zwei Menschen vom Rand der Gesellschaft. « Es habe »in Israel zu jener Zeit zahlreiche Witwen« gegeben, »aber nur Elija wurde zu dieser Witwe von Sarepta geschickt. Und sie wurden wütend und wollten ihn töten.«

Wenn die Kirche »demütig« und »arm« sei, so schloss Franziskus, und auch dann, wenn sie »ihre Armseligkeit bekennt – wir alle haben etwas davon –, dann ist die Kirche treu«. Es sei so, als sage sie: »Ich bin dunkel, aber mein Licht kommt von dort!« Und das, so fügte der Papst hinzu, »tut uns sehr gut.« Also »bitten wir diese Witwe, die mit Sicherheit im Himmel ist«, dass sie »uns lehre, auf diese Art Kirche zu sein«, und »auf alles, was wir haben« zu verzichten und »nichts für uns« zu behalten, sondern »alles dem Herrn und dem Nächsten zu geben«. Immer »demütig« und »ohne uns dessen zu rühmen, eigenes Licht zu haben«, sondern immer »das Licht zu suchen, das vom Herrn kommt«.

 



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