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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Nur der Demütige versteht

 Dienstag, 2. Dezember 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 1/2, 9. Januar 2015

 

Man kann die Größe des Mysteriums Jesu nur dann erkennen, wenn man sich genauso demütigt und erniedrigt, wie er selbst es getan hat, der zum »Ausgegrenzten« wurde und sich sicher nicht wie ein »General oder Gouverneur« präsentiert hat. Selbst die Theologen laufen Gefahr, zwar »viel zu sagen«, aber rein »gar nichts« zu verstehen, wenn sie »die Theologie nicht auf Knien« betreiben. Demütig und sanftmütig zu sein: So lautet also der Rat, den Franziskus am 2. Dezember in der Frühmesse gab, die er in der Kapelle des Hauses Santa Marta feierte.

»Die liturgischen Texte, die uns die Kirche heute vorlegt, bringen uns dem Geheimnis Jesu, dem Geheimnis seiner Person näher.« Und in der Tat, so erläuterte er, sage uns der Evangelientext aus Lukas (10,21-24), »dass Jesus, vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude den Vater gepriesen« habe. Im Übrigen »ist dies das Innenleben Jesu: seine Beziehung zum Vater, eine Beziehung, die aus Lobpreis besteht, vom Heiligen Geist erfüllt, gerade vom Heiligen Geist, der diese Beziehung eint«. Und das sei »das Geheimnis von Jesu Innenleben, das, was er fühlte«. In der Tat, so fuhr Franziskus fort, erkläre Jesus, »dass die, die ihn sehen, den Vater sehen«. Wörtlich sage er: »Ja, Vater, so hat es dir gefallen.« Und »niemand weiß, wer der Sohn ist, nur der Vater. Und niemand weiß, wer der Vater ist, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will.«

Den Vater, so unterstrich der Papst, »kennt nur der Sohn: Jesus weiß, wer der Vater ist.« »Als Philippus zu Jesus ging und sagte: ›Herr, zeig uns den Vater‹, hat der Herr ihm geantwortet: ›Philippus, wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.‹ « Tatsächlich »besteht eine tiefe Einheit zwischen ihnen: er ist das Bild des Vaters; er ist die Nähe der Zärtlichkeit des Vaters uns gegenüber.« Und »in Jesus nähert sich uns der Vater«.

Franziskus erinnerte daran, dass Jesus »in der Abschiedsrede beim Abendmahl« mehrfach gesagt habe: »Vater, bewahre sie in deinem Namen, … damit sie eins sind wie wir.« Und »er verheißt den Heiligen Geist, weil es gerade der Heilige Geist ist, der diese Einheit bewirkt, so wie er dies zwischen dem Vater und dem Sohn tut.« Und »Jesus wird im Heiligen Geist von Freude erfüllt«. »Das dient ein wenig dazu, sich diesem Geheimnis Jesu zu nähern«, erläuterte der Papst. Aber »dieses Geheimnis ist nicht nur zwischen ihnen geblieben, es ist uns offenbart worden.« Der Vater sei also »durch Jesus offenbart worden: Er bringt uns Kenntnis vom Vater; er offenbart uns sein Innenleben.« Und »wem offenbart der Vater das, wem schenkt er diese Gnade?«, fragte der Papst. Die Antwort, die Jesus selbst gebe, wie Lukas in seinem Evangelium berichte, laute: »Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.« Daher »sind nur jene Menschen, die Herzen haben wie die Unmündigen, dazu imstande, diese Offenbarung zu empfangen«: nur »das demütige, sanftmütige Herz, das das Bedürfnis verspürt, zu beten, sich für Gott zu öffnen, das sich arm fühlt«. Mit einem Wort, »nur die, die die erste Seligpreisung leben: diejenigen, die arm sind vor Gott.«

Gewiss, so räumte der Papst ein, »können viele die Wissenschaft kennen und auch die Theologie«. Aber »wenn sie diese Theologie nicht kniend, also demütig wie die Kleinen, betreiben, dann werden sie nichts verstehen«. Vielleicht »sagen sie uns viele Dinge, aber sie werden nichts verstehen«. Denn »nur diese Armut ist in der Lage, die Offenbarung zu empfangen, die der Vater durch Jesus schenkt«. Und »Jesus kommt nicht wie ein Hauptmann daher, wie der General eines Heeres, wie ein mächtiger Gouverneur«, sondern »er kommt wie ein Reis«, so das Bild aus der ersten Lesung, die dem Buch des Propheten Jesaja (11,1-19) entnommen war: »Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor.« Also »ist er ein Reis, er ist demütig, er ist sanftmütig, und er ist für die Demütigen, für die Sanftmütigen gekommen, um den Kranken, den Armen, den Unterdrückten das Heil zu bringen, wie er selbst im 4. Kapitel bei Lukas sagt, als er in der Synagoge von Nazaret ist.« Und Jesus sei gerade »für die ausgegrenzten Menschen« gekommen: »er wird ein Ausgegrenzter, er hält es nicht für einen unverhandelbaren Wert, Gott gleich zu sein.« Tatsächlich, so der Papst, »demütigte er sich selbst, er erniedrigte sich zutiefst«. Er »wurde zu einem Ausgegrenzten, er demütigte sich«, um »uns das Geheimnis des Vaters und sein eigenes Geheimnis zu bringen«.

Der Papst bekräftigte, dass »man diese Offenbarung nicht anders, auf eine andere Art als jene empfangen kann, in der Jesus sie bringt: in Demut, indem man sich selbst erniedrigt.« Man dürfe nie vergessen, dass »das Wort Fleisch geworden ist, dass es sich ausgegrenzt hat, um den Ausgegrenzten das Heil zu bringen«. Und »als der große Johannes der Täufer im Kerker nicht so ganz verstand, wie es um Jesus stand, weil er etwas ratlos war, da schickte er seine Jünger aus, um die Frage zu stellen: ›Johannes lässt dich fragen: Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?‹« Jesus antworte auf die Frage des Johannes keineswegs: »Ich bin der Sohn.« Vielmehr sage er: »Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht«, und zwar dass »die Aussätzigen rein werden, den Armen das Evangelium verkündet wird und die Ausgegrenzten gefunden werden«.

Franziskus zufolge sei es eindeutig, dass »man die Größe des Geheimnisses Gottes nur auf dem Weg über das Geheimnis Jesu erkennen kann, und das Geheimnis Jesu ist gerade das Geheimnis des sich Demütigens, des sich völlig Erniedrigens, der Demütigung, und es bringt den Armen Erlösung, jenen, die durch unzählige Krankheiten, Sünden und schwierige Umstände zutiefst erniedrigt wurden.« »Man kann«, so bekräftigte der Papst, »das Geheimnis Jesu nicht verstehen außerhalb dieses Rahmens, sonst kann man diese Salbung des Heiligen Geistes nicht verstehen, die Jesus vor Freude in den Lobpreis des Vaters ausbrechen lässt, wie wir es im Evangelium gehört haben, und die ihn dazu führt, den Armen und Ausgegrenzten das Evangelium zu bringen.« Aus dieser Perspektive forderte Franziskus für die Adventszeit dazu auf, »den Herrn« um die Gnade zu bitten, »seinem Geheimnis immer näher zu kommen, und dies auf dem Weg zu tun, auf dem er will, dass wir es tun: auf dem Weg der Demut, dem Weg der Sanftmut, dem Weg der Armut, auf dem Weg, wo wir fühlen, dass wir Sünder sind.« Denn auf diese Weise »kommt der Herr, um uns zu erlösen, um uns zu befreien«.

 



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