PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Im Kleinen ist alles erhalten
Dienstag, 8. September 2015
aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 38, 18. September 2015
»Im Kleinen ist alles enthalten«. Der Stil Gottes, der in den kleinen Dingen wirkt, uns aber große Horizonte öffnet, stand im Mittelpunkt der Reflexionen, die Papst Franziskus während der Messe anstellte, die er am Dienstag, 8. September, feierte, dem liturgischen Gedenktag der Geburt Mariä.
Mit Hinweis auf das kurz zuvor gesprochene Tagesgebet – in dem der Herr um »die Gnade der Einheit und des Friedens« gebeten wurde –, richtete der Papst seine Aufmerksamkeit auf die beiden Verben, die bereits in den Predigten der »vergangenen Tage« betont worden waren: versöhnen und Frieden stiften. Gott, so sagte er, »versöhnt: er versöhnt die Welt mit sich und in Christus«. Jesus, den uns Maria gebracht habe, stifte Frieden, »er schenkt zwei Völkern den Frieden und vereint zwei Völker zu einem: jenes der Juden, und das der Heiden. Zu einem einzigen Volk. Er stiftet Frieden. Frieden in den Herzen.« Wie aber, so fragte sich der Papst, »versöhnt Gott?« Was ist sein »Stil«? Halte er etwa »eine große Versammlung ab? Einigen sich alle? Unterschrieben ein Dokument?« Nein, so lautete die Antwort, »Gott stiftet Frieden auf ganz besondere Art: er versöhnt und stiftet Frieden im Kleinen und unterwegs«.
Also ging die Reflexion des Papstes von der Vorstellung der »Kleinheit« aus, jener »Kleinheit«, über die in der Ersten Lesung (Mi 5,1-4) steht: »Aber du, Betlehem-Efrata, so klein unter den Gauen Judas…«. Franziskus kommentierte das folgendermaßen: »So klein: aber du wirst groß werden, denn aus dir wird der hervorgehen, der über Israel herrschen soll und er wird der Friede sein. Er selbst wird der Friede sein«, weil aus dieser »Kleinheit« »der Friede kommt«. Das sei also der Stil Gottes, der »die kleinen Dinge« erwählt, »die demütigen Dinge, um große Werke zu tun«. Der Herr, so erläuterte der Papst, »ist der Große« und wir »sind die Kleinen«, aber der Herr »rät uns, klein zu werden wie die Kinder, um in das Himmelreich kommen zu können«, wo »die Großen, die Mächtigen, die Hochmütigen, die Stolzen keinen Einlass finden«. Folglich »versöhnt Gott und stiftet Frieden im Kleinen«.
Der Papst setzte sich hierauf mit der zweiten Vorstellung auseinander, der zufolge der Herr »auch unterwegs, auf Wanderschaft« versöhne. Und er erläuterte: »Der Herr wollte nicht etwa mit dem Zauberstab Frieden stiften und versöhnen: heute – zack! – alles erledigt! Nein. Er hat sich mit seinem Volk auf den Weg gemacht«. Ein Beispiel für dieses Handeln Gottes finde sich im Tagesevangelium (Mt 1,1-16.18-23). Einem Abschnitt – jenem, der den Stammbaum Jesu enthält, der endlose Wiederholungen zu enthalten scheine: »Dieser war der Vater von dem, der von dem, jener von jenem… Es ist ein Verzeichnis«, so merkte Franziskus an. Zugleich aber, so erläuterte er, »ist es der Weg Gottes: der Weg Gottes unter den Menschen, den Guten wie den Schlechten, denn in diesem Verzeichnis finden sich Heilige und es finden sich auch kriminelle Sünder«.
Also ein Verzeichnis, in dem man auch auf »sehr viel Sünde« stoße. Trotzdem »erschrickt Gott nicht: er geht. Er geht mit seinem Volk. Und auf diesem Weg lässt er die Hoffnung seines Volkes wachsen, die Hoffnung auf den Messias«. Das sei »die Nähe« Gottes. Mose habe es den Seinen gesagt: »Aber denkt: Welches Volk hat einen Gott, der ihm so nah ist wie uns?« Daher »schenkt uns dieses Gehen im Kleinen, mit seinem Volk, dieses Gehen mit den Guten wie mit den Schlechten unseren Lebensstil«. Wir hätten einen Weg, um »als Christen zu gehen«, um »Frieden zu stiften« und zu »versöhnen«, wie es Jesus getan habe: »Mit den Seligpreisungen und mit jenem Protokoll, anhand dessen wir alle einst gerichtet werden. Mt 25: »Tut das: kleine Dinge«. Das heiße soviel wie »im Kleinen und im Gehen«.
An diesem Punkt ergänzte der Papst noch ein weiteres Element. Das Volk Israel, so sagte er, »träumte von der Befreiung«, es habe »diesen Traum« gehabt, »weil ihm dies verheißen wurde«. Auch »Josef träumt«, und sein Traum »stellt so etwas wie die Zusammenfassung des Traums dieser ganzen Geschichte dar, in der Gott mit seinem Volk geht«. Aber, so setzte Franziskus hinzu, »nicht nur Josef hegt träume: Gott träumt. Gott, unser Vater, hegt Träume, und er erträumt schöne Dinge für sein Volk, für jeden Einzelnen von uns, weil er ein Vater ist, und als ein Vater denkt und träumt er das Allerbeste für seine Kinder«.
Abschließend lasse sich sagen: »Dieser allmächtige und große Gott lehrt uns, das große Werk der Friedensstiftung und der Versöhnung im Kleinen, im Vorangehen zu vollbringen, darin, dass wir nicht die Hoffnung verlieren, mit dieser Fähigkeit«, »große Träume zu träumen« und »weite Horizonte« vor uns zu sehen. Infolgedessen lud der Papst alle dazu ein, anlässlich des Gedenkens an den Anfang eines entscheidenden Punktes in der Heilsgeschichte, der Geburt der Muttergottes, um »die Gnade« zu bitten, »um die wir bereits im Gebet um die Einheit, also die Versöhnung, und den Frieden gebeten haben«. Aber »immer auf dem Weg, in der Nähe der anderen« und »mit großen Träumen«. Im Stil des »Kleinen«, jenes Kleinen, so erinnerte er, das wir in der eucharistischen Feier wiederfänden: »ein kleines Stückchen Brot, etwas Wein…«. In »diesem ›Kleinen‹ ist alles enthalten: der Traum Gottes, seine Liebe, sein Friede, seine Versöhnung, Jesus.«
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