PAPST FRANZISKUS
FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
Leere Wiege?
Dienstag, 19. Dezember 2017
(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 5, 2. Februar 2018)
Das Leben des Christen muss immer ein »fruchtbares Leben« sein, und sein Herz muss immer offen sein, »um Leben zu empfangen und zu schenken«. »Fruchtbarkeit« ist das Schlüsselwort der Predigt, die Papst Franziskus 19. Dezember in Santa Marta hielt. Eine »materielle und geistliche« Fruchtbarkeit, die in der Bibel immer »ein Zeichen Gottes und seines Segens ist«. Im Gegensatz zu dem, was in jenen »kinderleeren Ländern« geschieht, wo mit dem »Wohlstand« zusammenhängende Beweggründe einen richtiggehenden »demographischen Winter« hervorgerufen haben.
Die Betrachtung des Papstes ging von der Tagesliturgie aus, wo in beiden Lesungen – aus dem Buch der Richter (13,2-7.24-25) und aus dem Evangelium nach Lukas (1,5-25) – von unfruchtbaren Frauen die Rede war. Frauen, die keine Kinder haben konnten oder die wie Elisabet aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters die Hoffnung aufgegeben hatten. Es habe sich dabei für jenes Zeitalter, so erklärte er, um ein wahres Unheil gehandelt: »Unfruchtbarkeit, keine Kinder zur Welt bringen zu können, keine Nachkommen haben zu können, war eine Schmach.«
In der Bibel, fuhr Franziskus fort, »gib es viele Frauen«, die davon betroffen sind, »angefangen bei Sara, der Frau unseres Vaters Abraham«. In der biblischen Erzählung stehe, dass sie unfruchtbar gewesen sei und im Verborgenen zugehört habe, »als die Engel vor dem Zelt, wo sie wohnte, Abraham verkündeten, dass seine Frau innerhalb eines Jahres Mutter werden sollte«. Die Nachricht habe ihr ein Lächeln entlockt: »Was, ich, in meinem Alter, mit Neunzig!« Doch der Engel habe ihre Verwunderung zurechtgewiesen: »Warum lächelst du?«
Franziskus erklärte, dass Sara über die unerwartete Nachricht »erschrocken« sei, vor allem aber, dass »von jenem Moment an« die ganze Geschichte Israels von solchen Gestalten durchzogen sei: »unfruchtbare Frauen, die keine Kinder haben können oder die ohne Nachkommenschaft gestorben sind«. Zum Beispiel »Noomi, die ihre Kinder verlor«, oder auch »Hanna, die Mutter Samuels, die betete, und der Priester dachte, sie sei betrunken«, da sie in Stille gebetet habe, jedoch die Lippen bewegte. Sie habe das Geschenk eines Kindes erfleht.
Immer, so unterstrich der Papst, »ist die Fruchtbarkeit in der Bibel ein Segen«. Im Übrigen »war es das erste Gebot, das Gott unseren Vätern gegeben hat: ›Füllt die Erde, seid fruchtbar‹«. Wie viele Male werde zum Beispiel eine Segensformel wiederholt, in der der Wunsch zum Ausdruck komme, »die Kinder der Kinder bis zur dritten Generation zu sehen«. So »Tobit, der zu seinem Sohn Tobias sagt: ›Der Herr schenke mir die Gnade, deine Kinder bis zur dritten Generation zu sehen.‹« Es handle sich dabei immer um »Segen der Fruchtbarkeit«, denn »wo Gott ist, da ist Fruchtbarkeit«.
Anschließend aktualisierte der Papst seine Betrachtung durch eine Analyse der zeitgenössischen Gesellschaft; dabei bezog er sich auf »einige Länder, die den Weg der Unfruchtbarkeit gewählt haben und an jener sehr schlimmen Krankheit leiden, die der demographische Winter ist«. Es würden keine Kinder gezeugt aus Angst, den eigenen »Wohlstand« zu beeinträchtigen, und unter Angabe von tausenderlei Gründen der Zweckmäßigkeit. Das Ergebnis seien »kinderleere Länder. Und das ist kein Segen.«
»Fruchtbarkeit ist immer ein Segen Gottes«, unterstrich der Papst erneut. Sei es eine »materielle oder geistliche Fruchtbarkeit«, denn das Prinzip ist dasselbe: »Leben schenken«. Denn ein »Mensch kann sein Leben verbringen, ohne zu heiraten, aber leben, indem er anderen Leben schenkt«. Und er fügte hinzu: »Auch wir Priester, Ordensfrauen und Ordensmänner heiraten nicht, aber wehe uns, wenn wir nicht durch gute Werke fruchtbar sind, wenn wir dem Volk Gottes keine Fruchtbarkeit bringen. Die Fruchtbarkeit ist ein Zeichen Gottes.«
Um diesen Begriff zu illustrieren, so der Papst, »wählen die Propheten wunderschöne Symbole« wie etwa das der »Wüste«. Die Wüste zeichne sich gerade durch das Fehlen von Fruchtbarkeit aus, durch ihre »Trockenheit«: aber »die Wüste wird erblühen, wie sie sagen. Das Wunder der Fruchtbarkeit: das dürre Land wird von Wasser erfüllt werden.« In diesem Detail sei »die Verheißung Gottes« erkennbar: »Gott ist fruchtbar. Er ist in uns fruchtbar durch die Gegenwart des Heiligen Geistes, er ist fruchtbar und will in uns fruchtbar sein. Fruchtbar in den Werken.«
Dagegen, so unterstrich der Papst, »will der Teufel die Unfruchtbarkeit. Er will, dass ein jeder von uns nicht etwa lebt, um den anderen – leibliches wie auch geistliches – Leben zu schenken, sondern dass er nur für sich selbst lebt.« Und er fügte hinzu: »Der Egoismus, der Hochmut, die Eitelkeit bedeuten, dass man nur die eigene Seele mästet, ohne für die anderen zu leben. Der Teufel ist der, der die Zwietracht des Egoismus gedeihen lässt und uns unfruchtbar macht.«
Jeder Christ, so der Rat des Papstes, könne diese Gnade erbitten: »die Gnade der Fruchtbarkeit, Kinder zu haben, die uns die Augen schließen, und auch – für die, die ihr Leben dem Herrn geweiht haben –, dass sie geistliche Kinder haben, die ihnen die Augen schließen«. Diesbezüglich fügte er eine persönliche Erinnerung hinzu: »Ich denke an den alten Missionar in Patagonien, der am Ende, als Neunzigjähriger, sagte: ›"Das Leben ist mir wie ein Windhauch vergangen.‹« Aber dieser alte Mann hatte viele geistliche Kinder, die während seiner letzten Krankheit bei ihm waren.
« Das ist »die Freude der Fruchtbarkeit«. Franziskus schloss seine Predigt ab, indem er sich direkt an die Anwesenden wandte und sie vor eine entscheidende Alternative stellte: »Da ist eine leere Wiege, wir können sie anschauen. Sie kann Symbol der Hoffnung sein, denn das Kind wird kommen; sie kann Ausstellungsstück eines Museums sein: sie bleibt das ganze Leben lang leer.« Wenn, so sagte er unter Verwendung einer Metapher, »unser Herz eine Wiege ist«, dann müssen wir uns fragen: »Wie ist mein Herz? Ist es leer, immer nur leer? Oder ist es offen, um ständig Leben zu empfangen und Leben zu schenken, um zu empfangen und fruchtbar zu sein, oder wird es ein Herz sein, das wie ein Museumsexponat aufbewahrt wird, das nie offen war für das Leben und das Schenken von Leben?«
So die abschließende Mahnung: »Ich rate euch, auf diese leere Wiege zu blicken, auf die Möglichkeit zu blicken, dass ein jeder von uns sowohl leiblich als auch geistlich unfruchtbar sein kann, und zu sagen, wie es die Kirche tut: ›Komm, Herr, fülle die Wiege, erfülle mein Herz und dränge mich, Leben zu schenken, fruchtbar zu sein.‹«
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