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FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS

Den Herrn erkennen, wenn er vorübergeht

Sonntag, 22. März 2020

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Das Gebetsanliegen des Papstes galt den Verstorbenen und ihren Angehörigen: »Dieser Tage hören wir die Nachricht von vielen Todesfällen, von Männern, Frauen, die einsam sterben, ohne sich von ihren Lieben verabschieden zu können. Wir denken an sie und beten für sie. Aber auch für die Familien, die ihre Lieben nicht beim Sterben begleiten können. Unser besonderes Gebet gilt den Verstorbenen und ihren Familienangehörigen.«

Am Morgen des 22. März feierte der Papst in der Kapelle des Gästehauses Santa Marta die Messe des vierten Fastensonntags »Laetare«. Er ließ es nicht an einem geistlichen Rat fehlen, den er dann beim Angelus wieder aufgriff: das neunte Kapitel des Johannesevangeliums zu lesen. Der Papst wiederholte zunächst sein Gebet für die Verstorbenen und ihre Familien mit den Versen aus dem Buch des Propheten Jesaja (66,10-11), die als Eröffnungsvers gelesen wurden: »Freue dich, Stadt Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig wart. Freut euch und trinkt euch satt an der Quelle göttlicher Tröstung.«

Für die Predigt orientierte sich der Papst an dem Abschnitt aus dem Johannesevangelium (9,1-41), der von der Heilung des Blindgeborenen berichtet. Ein Abschnitt, so Franziskus, der »für sich selbst spricht: es ist eine Verkündigung Jesu und auch eine Katechese«. »Ich möchte nur eine Sache erwähnen«, führte er aus, um dann zu erklären: »Beim heiligen Augustinus steht ein Satz, der mich immer wieder betroffen macht: ›Ich fürchte Christus, wenn er vorübergeht‹– Timeo Dominum transeuntem« (Sermo 88,13). Der Papst unterstrich erneut: »Ich fürchte Christus, der vorübergeht.« – »Aber warum fürchtest du den Herrn?« – »Ich habe Angst, dass ich nicht merke, dass es Christus ist, und dass ich ihn vorbeigehen lasse.« Franziskus führte seine Betrachtung unter Verweis auf den Satz des Bischofs von Hippo fort: »Eines ist klar: in der Gegenwart Jesu blühen die wahren Gefühle des Herzens, die wahren Einstellungen auf: sie kommen heraus.« Und »es ist eine Gnade, und deshalb hatte Augustinus Angst, ihn vorübergehen zu lassen, ohne zu merken, dass er vorüberging«.

Wieder zum Evangelium zurückkehrend, erklärte der Papst, dass in dieser spezifischen Situation der Vorbeigang Jesu »klar ist: er geht vorbei, er heilt einen Blinden und es entfesselt sich der Skandal«. Ein »Skandal«, fügte er hinzu, bei dem »das Beste und das Schlimmste der Menschen zum Vorschein kommt«. Angefangen bei dem »Blinden: Die Weisheit des blinden Mannes in seiner Antwort erstaunt«. Jener Mann »war es gewohnt, sich mit den Händen zu bewegen. Er hatte ein Gespür für die Gefahr, er hatte ein Gespür für die gefährlichen Dinge, die ihn ausrutschen lassen konnten.« Und eben deshalb »bewegt er sich wie ein Blinder, mit einer klaren, präzisen Argumentationsweise, und dann bedient er sich auch noch der Ironie, er gönnt sich diesen Luxus«. »Die Gesetzeslehrer ihrerseits, so erklärte der Papst, »kannten alle Gesetze: alle, alle. Aber sie blieben dort stehen. Sie verstanden nicht, wenn Gott vorüberging. Sie waren rigide, sie klammerten sich an ihre Gewohnheiten. Jesus selbst sagt es: an die Gewohnheiten geklammert.« Das sei so weit gegangen, unterstrich der Papst, dass sie, »kein Problem damit hatten, wenn sie, um diese Gewohnheiten zu bewahren, Unrecht tun muss- ten. Denn die Gewohnheiten sagten, dass dies keine Gerechtigkeit sei, und jene Rigidität führte dazu, dass sie Unrecht taten.« Und so »kommt Christus gegenüber dieses Gefühl der Verschlossenheit auf«.

Mit der besonderen Betonung des Evangeliumstextes verband Franziskus einen praktischen Rat: »Nur so viel: Ich rate euch allen, euch heute das Evangelium, Kapitel 9 des Johannesevangeliums, vorzunehmen und es zu Hause in Ruhe zu lesen. Einmal, zweimal, um gut zu verstehen, was passiert, wenn Jesus vorübergeht«, um zu verstehen, wie »Gefühle zutage treten«. Und gerade wenn man genau diesen Abschnitt aus dem Evangelium lese, könne man »gut verstehen, was Augustinus uns sagt: Ich fürchte den Herrn, wenn er vorübergeht, dass ich ihn nicht wahrnehme und nicht erkenne. Und nicht umkehre.«

Ein Rat, den der Papst am Ende seiner Betrachtungen wiederholte: »Vergesst nicht: Lest heute ein, zwei, drei Mal, solange ihr wollt, das neunte Kapitel des Johannesevangeliums.« Auch bei dieser Messe am Sonntagmorgen lud Papst Franziskus »alle, die weit weg sind«, zur geistlichen Kommunion ein, indem er das Gebet des heiligen Alfons Maria de’ Liguori betete. Die Feier endete mit der Anbetung und dem eucharistischen Segen. Schließlich vertraute Franziskus der Muttergottes seine Gebetsmeinungen an, wobei er vor dem Marienbild neben dem Altar der Kapelle Santa Marta verweilte, begleitet vom Gesang der Antiphon »Ave Regina caelorum«.
 



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