PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS
Basilika St. Paul vor den Mauern
Dritter Sonntag der Osterzeit, 14. April 2013
Liebe Brüder und Schwestern,
es ist mir eine Freude, in dieser Basilika mit euch die Eucharistie zu feiern. Ich grüße den Erzpriester, Kardinal James Harvey, und danke ihm für die Worte, die er an mich gerichtet hat; mit ihm begrüße ich dankbar die verschiedenen Institutionen, die zu dieser Basilika gehören, und euch alle. Wir befinden uns am Grab des heiligen Paulus, eines demütigen und großen Apostels des Herrn, der ihn mit dem Wort verkündet, mit dem Martyrium bezeugt und aus ganzem Herzen angebetet hat. Das sind genau die drei Verben, über die ich im Licht des Wortes Gottes, das wir gehört haben, nachdenken möchte: verkünden, bezeugen, anbeten.
1. In der ersten Lesung (vgl. Apg 5, 27b-32.40b-41) beeindruckt die Kraft von Petrus und den anderen Aposteln. Auf den Befehl zu schweigen, nicht mehr im Namen Jesu zu lehren, seine Botschaft nicht mehr zu verkünden, antworten sie in aller Deutlichkeit: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (V. 29). Und nicht einmal Geißelung, Schmähungen und Kerkerhaft halten sie auf. Petrus und die Apostel verkünden mutig und mit Freimut, was sie empfangen haben: das Evangelium Jesu. Und wir? Sind wir fähig, das Wort Gottes in unsere Lebensbereiche hineinzutragen? Verstehen wir es, in der Familie, mit den Menschen, die zu unserem Alltagsleben gehören, von Christus zu sprechen, davon, was er für uns bedeutet? Der Glaube kommt vom Hören und festigt sich in der Verkündigung.
2. Doch gehen wir einen Schritt weiter: Die Verkündigung des Petrus und der Apostel besteht nicht nur aus Worten, sondern die Treue zu Christus geht ihr Leben selbst an; es wird verändert, erhält eine neue Richtung, und gerade mit ihrem Leben geben sie für den Glauben und die Verkündigung Christi Zeugnis. Im Evangelium beauftragt Jesus den Petrus dreimal, seine Herde zu weiden, sie mit seiner Liebe zu weiden, und er weissagt ihm: „Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst“ (Joh 21,18). Das ist ein Wort, das vor allem an uns Hirten gerichtet ist: Man kann die Herde Gottes nicht weiden, wenn man nicht akzeptiert, vom Willen Gottes auch dahin geführt zu werden, wo man nicht will, wenn man nicht bereit ist, Christus mit der Hingabe des eigenen Selbst ohne Einschränkungen und ohne Berechnungen zu bezeugen, manchmal auch um den Preis des eigenen Lebens. Doch dies gilt für alle: Das Evangelium muss verkündet und bezeugt werden. Jeder müsste sich fragen: Wie bezeuge ich Christus mit meinem Glauben? Habe ich den Mut Petri und der anderen Apostel, als Christ zu denken, zu entscheiden und zu leben, indem ich Gott gehorche? Gewiss, das Zeugnis für den Glauben kennt viele Formen, wie es in einem großen Gemälde die Vielfalt der Farben und der Schattierungen gibt; aber alle sind wichtig, auch diejenigen, die nicht augenfällig sind. Im großen Plan Gottes ist jedes Detail wichtig, auch dein, auch mein kleines demütiges Zeugnis, auch das verborgene dessen, der in Einfachheit seinen Glauben im Alltag der Beziehungen in Familie, Arbeit und Freundschaft lebt. Es gibt die Heiligen des Alltags, die „verborgenen“ Heiligen, eine Art „Mittelklasse der Heiligkeit“ – wie ein französischer Autor gesagt hat –, diese „Mittelklasse der Heiligkeit“, zu der wir alle gehören können. Doch in verschiedenen Teilen der Welt gibt es auch die, welche wie Petrus und die Apostel für das Evangeliums leiden; die ihr Leben hingeben, um Christus treu zu bleiben, und dieses Zeugnis mit ihrem Blut bezahlen. Erinnern wir uns alle gut daran: Man kann das Evangelium Jesu nicht ohne das konkrete Lebenszeugnis verkünden. Wer uns hört und uns sieht, muss in unserem Tun das lesen können, was er aus unserem Mund hört, und Gott die Ehre geben! Da kommt mir jetzt ein Rat in den Sinn, den der heilige Franziskus von Assisi seinen Mitbrüdern gab: „Verkündet das Evangelium und, sollte es nötig sein, auch mit Worten!“ Verkünden mit dem Leben: Zeugnis geben. Die Inkohärenz der Gläubigen und der Hirten zwischen dem, was sie sagen, und dem, was sie tun, zwischen dem Wort und der Lebensweise untergräbt die Glaubwürdigkeit der Kirche.
3. Doch all das ist nur möglich, wenn wir Jesus Christus erkennen, denn er ist es, der uns gerufen hat, der uns eingeladen hat, seinen Weg zu gehen, der uns erwählt hat. Zu verkünden und zu bezeugen ist nur möglich, wenn wir ihm nahe sind, genauso wie Petrus, Johannes und die anderen Jünger im heutigen Evangelium (vgl. Joh 21,1-19) sich um den auferstandenen Jesus scharen; es gibt eine alltägliche Nähe zu ihm, und sie wissen genau, wer er ist, sie kennen ihn. Der Evangelist betont, dass »keiner von den Jüngern wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war« (Joh 21,12). Und das ist ein wichtiger Punkt für uns: eine intensive Beziehung zu Jesus zu leben, eine Vertrautheit im Gespräch und im Leben, so dass man ihn als „den Herrn“ erkennt – ihn anbetet. Der Abschnitt aus der Offenbarung des Johannes, den wir gehört haben, spricht uns von der Anbetung: Die zehntausendmal zehntausend und tausendmal tausend Engel, alle Geschöpfe, die Lebewesen und die Ältesten fallen anbetend nieder vor dem Thron Gottes und vor dem geopferten Lamm Christus, dem Lob, Ehre und Herrlichkeit gebührt (vgl. Offb 5,11-14). Ich möchte, dass wir alle uns eine Frage stellen: Du, ich, beten wir den Herrn an? Gehen wir zu Gott nur um zu bitten, zu danken, oder gehen wir auch zu ihm, um ihn anzubeten? Was bedeutet denn, Gott anzubeten? Es bedeutet zu lernen, wie wir bei ihm verweilen und innehalten können, um mit ihm zu sprechen und dabei zu spüren, dass seine Gegenwart die wahrste, beste und wichtigste aller ist. Jeder von uns hat in seinem Leben bewusst und vielleicht manchmal unbewusst eine ganz genaue Reihenfolge der Dinge, die er für mehr oder weniger wichtig hält. Den Herrn anzubeten bedeutet, ihm den Platz zu geben, der ihm gebührt. Den Herrn anzubeten bedeutet, zu sagen und zu glauben – aber nicht nur mit Worten –, dass er allein wirklich unser Leben lenkt. Den Herrn anzubeten bedeutet, dass wir vor ihm die Überzeugung gewinnen, dass er der einzige Gott, der Gott unseres Lebens, der Gott unserer Geschichte ist.
Das hat eine Konsequenz in unserem Leben: uns der vielen kleinen und großen Götzen zu entäußern, die wir haben und zu denen wir Zuflucht nehmen, in denen wir unsere Sicherheit suchen und diese häufig auf sie setzen. Es sind Götzen, die wir oft gut versteckt halten; es kann Ehrgeiz sein, Karrieremacherei, Freude am Erfolg, sich selbst ins Zentrum zu setzen, die Neigung, sich gegen andere durchzusetzen, die Anmaßung, die einzigen Herren unseres Lebens zu sein, irgendeine Sünde, an der wir hängen, und vieles andere. Heute Abend möchte ich, dass eine Frage im Herzen eines jeden von uns aufsteige und dass wir sie ehrlich beantworten: Habe ich darüber nachgedacht, welchen verborgenen Götzen ich in meinem Leben habe, der mich daran hindert, den Herrn anzubeten? Anbeten bedeutet, uns unserer Götzen zu entäußern, auch der heimlichsten, und den Herrn als Mitte, als den Leitweg unseres Lebens zu wählen.
Liebe Brüder und Schwestern, der Herr ruft uns jeden Tag, ihm mutig und treu zu folgen. Er hat uns das große Geschenk gemacht, uns als seine Jünger zu erwählen; er sendet uns, ihn freudig als den Auferstandenen zu verkünden, doch er verlangt von uns, das durch das Wort und durch das Zeugnis unseres Lebens zu tun, im Alltag. Der Herr ist der Eine, der einzige Gott unseres Lebens, und er lädt uns ein, uns unserer vielen Götzen zu entäußern und ihn allein anzubeten. Verkünden, bezeugen, anbeten. Die selige Jungfrau Maria und der Apostel Paulus mögen uns auf diesem Weg helfen und für uns Fürbitte einlegen. So sei es.
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