APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS
NACH KUBA, IN DIE VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
UND BESUCH DER VEREINTEN NATIONEN
(19.-28. SEPTEMBER 2015)
HEILIGE MESSE UND HEILIGSPRECHUNG DES SEL. P. JUNIPERO SERRA
PREDIGT DES HEILIGEN VATERS
Nationalheiligtum der Unbefleckten Empfängnis, Washington, D.C.
Mittwoch, 23. September 2015
»Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!« (Phil 4,4). Das ist eine Aufforderung, die unser Leben mächtig aufrüttelt. Freut euch, sagt Paulus zu uns fast in einem Befehlston. Eine Aufforderung, die den Wunsch nach einem gelungenen Leben wiedergibt, den wir alle empfinden, den Wunsch nach einem sinnvollen Leben, nach einem mit Freude erfüllten Leben. Es ist so, als ob Paulus hören könnte, was jeder von uns im Herzen trägt, und dem Stimme verleihen könnte, was wir empfinden und erfahren. Es gibt etwas in unserem Innern, das uns einlädt, uns zu freuen und uns nicht mit Placebos zu begnügen, die uns immer zufrieden stellen wollen.
Doch zugleich erfahren wir die Anspannungen des alltäglichen Lebens. So viele Situationen scheinen diese Aufforderung zur Freude in Zweifel zu ziehen. Ihre Eigendynamik, der wir uns oft unterworfen fühlen, scheint uns in eine traurige Resignation zu führen, die allmählich zu einer Gewohnheit wird, mit einer tödlichen Konsequenz: Unser Herz wird betäubt.
Wir wollen nicht, dass die Resignation unser Leben prägt – oder wollen wir das? Wir wollen nicht, dass die Gewohnheit unsere Tage bestimmt, oder doch? Daher sollten wir uns fragen: Was können wir tun, dass unser Herz nicht betäubt wird? Wie können wir die Freude des Evangeliums in den verschiedenen Situationen unseres Lebens vertiefen?
Jesus hat das damals zu seinen Jüngern gesagt, und er sagt es zu uns: Geht! Verkündet! Die Freude des Evangeliums kann man nur dann erfahren, erkennen und leben, wenn man sie hergibt, wenn man sich selbst hergibt.
Der Geist der Welt verleitet uns zum Konformismus, zur Bequemlichkeit; und angesichts dieses menschlichen Geistes ist es wieder nötig zu »spüren, dass wir einander brauchen, dass wir eine Verantwortung für die anderen und für die Welt haben« (Laudato si’, 229). Es ist die Verantwortung, die Botschaft Jesu zu verkünden. Denn die Quelle unserer Freude entspringt dem »unerschöpflichen Wunsch, Barmherzigkeit anzubieten – eine Frucht der eigenen Erfahrung der unendlichen Barmherzigkeit des himmlischen Vaters und ihrer Tragweite« (Evangelii gaudium, 24). Gehen wir zu allen Menschen, um zu verkünden, indem wir salben, und zu salben, indem wir verkünden.
Dazu lädt uns der Herr heute ein und sagt uns: Die Freude erlebt der Christ in der Mission: »Geht zu allen Völkern« (Mt 28,19).
Die Freude findet der Christ in der Aufforderung: Geht und verkündet!
Die Freude erneuert und verwirklicht der Christ durch eine Berufung: Geht und salbt!
Jesus schickt sie zu allen Völkern. Zu allen Menschen. Und zu diesen »allen« seit zweitausend Jahren gehören auch wir. Jesus macht keine Auswahlliste – wer ja und wer nein – von denen, die würdig sind oder nicht, seine Botschaft und seine Gegenwart zu empfangen. Im Gegenteil, er umarmte das Leben immer so, wie es sich ihm darbot. Mit einem Gesicht des Schmerzes, des Hungers, der Krankheit und der Sünde. Mit einem Gesicht der Verwundung, des Durstes, der Erschöpfung. Mit einem Gesicht des Zweifels und des Erbarmens. Weit davon entfernt, ein beschönigtes, ausgeschmücktes, hübsch zurechtgemachtes Leben zu erwarten, nahm er es an, wie es ihm entgegenkam. Selbst wenn es ein Leben war, das sich oft als erbärmlich, schmutzig und zerrüttet darstellte. Geht zu »allen«, sagte Jesus – zu allen! – und verkündet; zu diesem Leben mit allem, was dazugehört, so wie es ist, und nicht, wie wir es gerne hätten, geht und umarmt es in meinem Namen. Geht an die Wegkreuzungen, geht hinaus… um ohne Furcht zu verkünden, ohne Vorurteile, ohne Überlegenheitsgefühl, ohne „Purismen“, geht zu jedem, der die Freude am Leben verloren hat; geht, um die erbarmende Umarmung des Vaters zu verkünden. Geht zu denen, die mit der Last des Schmerzes, des Scheiterns, des Gefühls einer zerstörten Existenz leben, und verkündet ihnen die Torheit eines Vaters, der sie mit dem Öl der Hoffnung, des Heils salben möchte. Geht hinaus, um zu verkünden, dass der Irrtum, die trügerischen Traumbilder, die Täuschungen nicht das letzte Wort im Leben eines Menschen haben. Geht hinaus mit dem Öl, das den Wunden Linderung verschafft und das Herz aufrichtet.
Die Mission erwächst nie aus einem perfekt ausgearbeiteten Plan oder einem gut strukturierten und ordentlich ausgearbeiteten Handbuch. Die Mission entsteht immer aus einem Leben, das sich gesucht und geheilt, aufgenommen und verziehen weiß. Die Mission wird geboren, wenn man ein ums andere Mal die erbarmende Salbung Gottes erfährt.
Die Kirche, das heilige Volk Gottes, vermag die staubigen Wege der Geschichte zu beschreiten, die so oft von Konflikten, Ungerechtigkeiten und Gewalt durchquert wurden, um zu ihren Kindern, unseren Brüdern und Schwestern zu gelangen. Das heilige und gläubige Volk Gottes fürchtet nicht, Fehler zu machen; es fürchtet, sich selbst zu verschließen, in Eliten zu erstarren, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern. Es weiß, dass das Sich-Verschließen in seinen vielfältigen Formen die Ursache so vieler Momente der Resignation ist.
Lasst uns deshalb aufbrechen, lasst uns hinausgehen, um allen das Leben Jesu Christi anzubieten (vgl. Evangelii gaudium, 49)! Das Volk Gottes weiß sich einzubringen, weil es Schüler dessen ist, der sich vor den Seinen niederkniete, um ihnen die Füße zu waschen (vgl. ebd., 24).
Heute sind wir hier, können wir hier sein, weil es viele Menschen gab, die sich entschlossen haben, diesem Ruf zu folgen; viele, die geglaubt haben, dass »das Leben reicher und reifer [wird], je mehr man es hingibt, um anderen Leben zu geben« (Aparecida 2007, 360). Wir sind die Söhne und Töchter der missionarischen Kühnheit vieler Menschen, die es vorgezogen haben, sich nicht »einzuschließen in die Strukturen, die uns einen falschen Schutz geben, … in die Gewohnheiten, in denen wir uns ruhig fühlen, während draußen eine hungrige Menschenmenge wartet« (Evangelii gaudium, 49). Wir sind Schuldner einer Tradition, einer Kette von Zeugen, die es möglich gemacht haben, dass die „Frohe Botschaft“ des Evangeliums von Generation zu Generation immer aktuell und „froh“ sein konnte.
Heute gedenken wir eines dieser Zeugen, der in diesem Land die Freude des Evangeliums bekundet hat, Bruder Junípero Serra. Er verkörperte die »Kirche im Aufbruch«, diese Kirche, die hinauszugehen und die Wege zu beschreiten weiß, um die versöhnliche Zärtlichkeit Gottes allen mitzuteilen. Junípero Serra verließ sein Land und dessen Gebräuche und entschloss sich, Wege zu eröffnen; er verstand es, vielen entgegenzugehen, indem er ihre Bräuche und Besonderheiten kennen und achten lernte. Er vermochte in denen, die er traf, das Leben Gottes zu erwecken und zu erhalten und machte sie zu seinen Brüdern und Schwestern. Junípero suchte die Würde der Gemeinschaft der Ureinwohner zu verteidigen und schützte sie vor jenen, die sie missbraucht hatten. Diese Vergehen rufen bis heute unser Missfallen hervor, besonders wegen des Leides, das sie im Leben vieler Menschen verursachen.
Pater Junípero hatte ein Motto, das seine Schritte beflügelte und sein Leben prägte: Siempre adelante – immer voran!, pflegte er zu sagen, und vor allem handelte er danach. Das war die Form, die Junípero fand, um die Freude des Evangeliums zu leben und sein Herz vor Betäubung zu bewahren. Er ging immer voran, weil der Herr wartet; immer voran, weil der Bruder oder die Schwester wartet. Immer voran für die ganze Zeitspanne, die er noch zu leben hatte. Er ging immer voran. Könnten auch wir heute so wie er damals sagen: Los! Gehen wir immer voran!
Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana