BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS
AN DEN UN-GENERALSEKRETÄR
AUS ANLASS DES HUMANITÄREN WELTGIPFELS
[ISTANBUL, 23.-24. MAI 2016]
Ich möchte alle Teilnehmer an diesem ersten Humanitären Weltgipfel sowie den Präsidenten der Türkei zusammen mit den Organisatoren des Treffens und Sie, Herr Generalsekretär, grüßen, die Sie gefordert haben, dieses Ereignis zu einem Wendepunkt für das Leben von Millionen von Menschen werden zu lassen, die Schutz, Beistand und Hilfe brauchen und die eine würdige Zukunft suchen.
Ich hoffe, dass Ihre Bemühungen einen realen Beitrag zur Linderung des Leids dieser Millionen Menschen leisten können, so dass die Ergebnisse des Gipfels aufgezeigt werden können anhand einer aufrichtigen Solidarität und einer echten, tiefen Achtung der Rechte und der Würde derer, die aufgrund von Konflikten, Gewalt, Verfolgung und Naturkatastrophen zu leiden haben. In diesem Kontext sind die Opfer diejenigen, die am schwächsten sind, die in Situationen des Elends und der Ausbeutung leben.
Wir können nicht bestreiten, dass heute zu viele Interessen Konfliktlösungen verhindern und dass militärische, wirtschaftliche und geopolitische Strategien Menschen und Völker vertreiben und den Götzen Geld, den Götzen Macht aufzwingen. Zugleich werden die humanitären Bemühungen häufig von wirtschaftlichen und ideologischen Zwängen eingeschränkt. Deshalb ist heute ein erneuerter Einsatz notwendig, um alle Menschen in ihrem täglichen Leben zu schützen und ihre Würde und Menschenrechte, ihre Sicherheit und ihre umfassenden Bedürfnisse zu gewährleisten. Ebenso ist es notwendig, die Freiheit sowie die soziale und kulturelle Identität der Völker zu schützen, und zwar ohne dass dies zu Situationen der Isolation führt, sondern so dass es vielmehr Zusammenarbeit, Dialog und besonders den Frieden fördert.
»Niemanden zurück lassen« und »Sein Bestes tun« erfordert, dass wir nicht aufgeben und dass wir Verantwortung für unsere Entscheidungen und Taten gegenüber den Opfern übernehmen. Zuerst müssen wir dies persönlich tun und dann gemeinsam, indem wir unsere Stärken und Initiativen koordinieren im gegenseitigen Respekt für unsere verschiedenen Fähigkeiten und Kompetenzbereiche, indem wir keine Unterschiede machen, sondern vielmehr alle willkommen heißen. Mit anderen Worten: Es darf keine Familie ohne ein Zuhause geben, keinen Flüchtling ohne Aufnahme, keinen Menschen ohne Würde, keinen Verwundeten ohne Pflege, kein Kind ohne Kindheit, keine junge Frau, keinen jungen Mann ohne Zukunft, keinen alten Menschen ohne ein würdiges Alter.
Möge dieser Gipfel auch ein Anlass zur Anerkennung für die Arbeit jener sein, die ihrem Nächsten dienen und dazu beitragen, die Leiden der Opfer von Krieg und Naturkatastrophen, der Flüchtlinge und Vertriebenen zu lindern, und die sich für die Gesellschaft einsetzen, vor allem durch mutige Entscheidungen zugunsten von Frieden, Respekt, Heilung und Vergebung. Das ist der Weg, wie Menschenleben gerettet werden können. Niemand liebt ein Prinzip, niemand liebt eine Idee. Man liebt Menschen. Aufopferung, wahre Selbsthingabe kommen aus der Liebe zu Männern und Frauen, zu Kindern und alten Menschen, Völkern und Gemeinschaften… Gesichter, diese Gesichter und Namen, die unsere Herzen erfüllen.
Heute möchte ich dem Gipfel eine herausfordernde Aufgabe stellen: Wir wollen den Schrei der Opfer und Leidenden hören. Wir wollen ihnen ermöglichen, uns eine Lehre der Menschlichkeit zu erteilen. Wir wollen unsere Lebensweise, unsere Politik, unsere wirtschaftlichen Entscheidungen, unsere Verhaltensweisen und Haltungen kultureller Überlegenheit ändern.
Wenn wir von den Opfern und den Leidenden lernen, dann werden wir fähig sein, eine menschlichere Welt aufzubauen. Ich versichere Sie meines Gebets und rufe auf alle Anwesenden den göttlichen Segen und die Gaben der Weisheit, der Stärke und des Friedens herab.
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