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BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER DES
 
"WORLD ECONOMIC FORUMS"
[Davos-Klosters (Schweiz), 21.-24. Januar 2020]

 

An Professor Klaus Schwab,
Geschäftsführender Präsident des World Economic Forum


Anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Weltwirtschaftsforums sende ich allen Teilnehmern am diesjährigen Treffen Grüße und vom Gebet begleitete gute Wünsche. Ich danke Ihnen für Ihre Einladung zur Teilnahme und habe Kardinal Peter Turkson, Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen, gebeten, als Vertreter des Heiligen Stuhls teilzunehmen.

In den vergangenen Jahren bot das Weltwirtschaftsforum eine Gelegenheit für das Engagement verschiedener Akteure, um innovative und effektive Wege zum Aufbau einer besseren Welt zu suchen. Es hat auch eine Arena geschaffen, in der der politische Wille und die Zusammenarbeit im Hinblick auf die Überwindung des Isolationismus, des Individualismus und der ideologischen Kolonialisierung, die leider zu sehr die heutige Debatte prägen, gefördert und gestärkt werden können.

Angesichts der wachsenden und immer mehr miteinander verbundenen Herausforderungen, die an unsere Welt gestellt werden (vgl. Laudato si, 138 ff.), verweist das Thema, das Sie für dieses Jahr gewählt haben – Stakeholder für eine solidarische und nachhaltige Welt –, auf die Notwendigkeit eines größeren Engagements auf allen Ebenen, um die vielfältigen Probleme, vor denen die Menschheit steht, wirksamer anzugehen. In den letzten fünf Jahrzehnten waren wir Zeugen geopolitischer Umwälzungen und bedeutender Veränderungen, von Wirtschaft und Arbeitsmärkten über die digitale Technologie bis hin zur Umwelt. Viele dieser Entwicklungen sind der Menschheit zugute gekommen, während andere negative Auswirkungen hatten und erhebliche Fehlentwicklungen verursacht haben. Auch wenn die Herausforderungen von heute nicht
mehr die gleichen sind wie vor einem halben Jahrhundert, so behalten doch einige Aspekte auch zu Beginn des neuen Jahrzehnts ihre Relevanz.

Der wichtigste Gesichtspunkt, der niemals vergessen werden darf, ist, dass wir alle Mitglieder der einen Menschheitsfamilie sind. Die moralische Verpflichtung, füreinander zu sorgen, ergibt sich aus dieser Tatsache, ebenso wie das damit zusammenhängende Prinzip, die menschliche Person und nicht das bloße Streben nach Macht oder Profit in den Mittelpunkt der öffentlichen Politik zu stellen. Diese Pflicht obliegt im Übrigen sowohl den Wirtschaftsbereichen als auch den Regierungen und ist bei der Suche nach gerechten Lösungen für die Herausforderungen, vor denen wir stehen, unverzichtbar.

Folglich ist es notwendig, über kurzfristige technologische oder wirtschaftliche Ansätze hinauszugehen und die ethische Dimension bei der Suche nach Lösungen für gegenwärtige Probleme oder bei Vorschlägen für zukünftige Initiativen umfassend zu berücksichtigen. Allzu oft führen materialistische oder utilitaristische Sichtweisen, manchmal unterschwellig, manchmal ganz offen, zu weitgehend oder sogar ausschließlich durch Eigeninteresse motivierten Praktiken und Strukturen. Diese sehen die Anderen üblicherweise als Mittel zum Zweck und bringen einen Mangel an Solidarität und Nächstenliebe mit sich, was wiederum zu echter Ungerechtigkeit führt, während eine wirklich ganzheitliche menschliche Entwicklung nur dann gedeihen kann, wenn alle Mitglieder der Menschheitsfamilie in das Bemühen um das Gemeinwohl einbezogen werden und dazu beitragen können. Bei der Suche nach echtem Fortschritt dürfen wir nicht vergessen, dass die Würde eines anderen Menschen mit Füßen zu treten in Wirklichkeit bedeutet, den eigenen Wert zu schmälern.

In meiner Enzyklika Laudato si’ habe ich die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung einer »integralen Ökologie« gelenkt, die die volle Tragweite der Komplexität und Vernetzung unseres gemeinsamen Hauses berücksichtigt. Ein so erneuerter und ganzheitlicher ethischer Denkansatz erfordert einen »Humanismus«, der »von sich aus die verschiedenen Wissensgebiete – auch das wirtschaftliche – zusammenführt, um eine umfassendere wie integrierendere Perspektive zu erhalten« (ebd., 141).

Unter Anerkennung des in den letzten 50 Jahren Erreichten hoffe ich, dass die Teilnehmer des heutigen Forums wie der zukünftigen Veranstaltungen die hohe moralische Verantwortung eines jeden von uns im Auge behalten, die ganzheitliche Entwicklung aller unserer Brüder und Schwestern, einschließlich der künftigen Generationen, anzustreben. Mögen Ihre Diskussionen zu einer wachsenden Solidarität führen, insbesondere mit den Bedürftigsten, die soziale und wirtschaftliche Ungerechtigkeit erleben und deren Existenz sogar bedroht ist. Den Teilnehmern des Forums spreche ich erneut meine mit dem Gebet verbundenen guten Wünsche für ein erfolgreiches Treffen aus und rufe auf Sie alle Gottes Segen und Gottes Weisheit herab.

Aus dem Vatikan, 15. Januar 2020

Franziskus
 



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