BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE PÄPSTLICHEN MISSIONSWERKE (POM)
Liebe Brüder und Schwestern!
In diesem Jahr hatte ich beschlossen, am Donnerstag, 21. Mai, dem Hochfest Christi Himmelfahrt, an Eurer Jahresvollversammlung teilzunehmen. Dann wurde die Versammlung abgesagt aufgrund der Pandemie, die uns alle betrifft. Und daher möchte ich an Euch alle diese Botschaft richten, um Euch dennoch das mitzuteilen, was mir am Herzen liegt.
Dieses christliche Fest erscheint mir in den unvorstellbaren Zeiten, die wir derzeit erleben, noch beeindruckender für den Weg und die Sendung eines jeden von uns und der ganzen Kirche. Wir feiern die Himmelfahrt als Fest, aber sie ist das Gedächtnis des Abschieds Jesu von seinen Jüngern und von dieser Welt. Der Herr fährt in den Himmel auf, und in der östlichen Liturgie wird vom Staunen der Engel gesprochen, als sie einen Menschen sehen, der in seinem Fleisch zur Rechten des Vaters auffährt. Aber während Christus im Begriff ist, in den Himmel aufzufahren, scheinen die Jünger – obwohl sie ihn als Auferstandenen gesehen haben – noch nicht gut verstanden zu haben, was geschehen ist. Er will mit der Vollendung seines Reiches beginnen, und sie verlieren sich noch immer hinter ihren eigenen Vorstellungen. Sie fragen ihn, ob er das Reich für Israel wiederherstellt (vgl. Apg 1,6).
Als Christus sie jedoch verlässt, sind sie nicht traurig, sondern kehren vielmehr »in großer Freude« nach Jerusalem zurück, wie Lukas schreibt (vgl. 24,52). Das wäre seltsam, wenn nicht etwas geschehen wäre. Und in der Tat hat Jesus ihnen bereits die Kraft des Heiligen Geistes verheißen, die an Pfingsten auf sie herabkommen wird. Das ist das Wunder, das die Dinge verändert. Und sie werden sicherer, wenn sie alles dem Herrn anvertrauen. Sie sind in großer Freude. Und die Freude in ihnen ist die Fülle des Trostes, die Fülle der Gegenwart des Herrn. Paulus schreibt an die Galater, dass die vollkommene Freude der Apostel nicht die Auswirkung von Empfindungen ist, die zufrieden und froh machen. Es ist eine überfließende Freude, die man nur als Frucht und Geschenk des Heiligen Geistes erfahren kann (vgl. 5,22).
Die Freude des Heiligen Geistes zu empfangen ist eine Gnade. Es ist die einzige Kraft, die wir haben können, um das Evangelium zu verkündigen, um den Glauben an den Herrn zu bekennen. Der Glaube bedeutet, die Freude zu bezeugen, die der Herr uns schenkt. Eine solche Freude kann man sich nicht selber schenken. Bevor er wegging, sagte Jesus zu den Seinen, dass er ihnen den Heiligen Geist, den Tröster, senden würde. Und so hat er dem Heiligen Geist auch das apostolische Werk der Kirche anvertraut, die ganze Geschichte hindurch, bis zu seiner Wiederkehr. Das Geheimnis der Himmelfahrt, zusammen mit der Ausgießung des Geistes an Pfingsten, gibt der Sendung der Kirche für immer ihre innerste Prägung: das Werk des Heiligen Geistes zu sein und nicht die Folge unserer Überlegungen und Absichten.
Das ist der Wesenszug, der die Mission fruchtbar machen und sie vor jeder vermeintlichen Selbstgenügsamkeit bewahren kann, vor der Versuchung, das Fleisch Christi – der in den Himmel aufgefahren ist – für die eigenen klerikalen Machtpläne in Beschlag zu nehmen. Wenn man in der Mission der Kirche nicht das gegenwärtige und wirkkräftige Werk des Heiligen Geistes erkennt und anerkennt, dann sind selbst die Worte der Mission – auch die präzisesten, auch die bestdurchdachten – gleichsam zu »Reden menschlicher Weisheit« geworden, die benutzt werden, um sich selbst zu verherrlichen oder die eigene innere Wüste zu entfernen und zu kaschieren.
Die Freude des Evangeliums
Das Heil ist die Begegnung mit Jesus, der uns liebt und uns vergibt, der uns den Geist sendet, der uns tröstet und uns verteidigt. Das Heil ist nicht die Folge unserer missionarischen Initiativen und auch nicht unseres Redens über die Menschwerdung des Wortes. Für jeden kann das Heil nur erlangt werden durch den Blick der Begegnung mit ihm, der uns ruft. Darum kann das Geheimnis der besonderen Liebe nur in einem Impuls der Freude, der Dankbarkeit beginnen. Die Freude des Evangeliums, die »große Freude« der armen Frauen, die am Ostermorgen zum Grab Christi gegangen waren und es leer vorgefunden hatten und die dann als erste dem auferstandenen Christus begegneten und zu den anderen eilten, um es ihnen zu sagen (vgl. Mt 28,8-10). Nur so kann die Tatsache, auserwählt und besonders geliebt zu sein, die Herrlichkeit des auferstandenen Christus vor der ganzen Welt bezeugen. Zeugen sind in jeder menschlichen Situation jene, die bezeugen, was von einem anderen voll bracht wird. In diesem Sinne, und nur in diesem Sinne, können wir Zeugen Christi und seines Geistes sein. Nach der Himmelfahrt zogen, wie am Ende des Evangeliums nach Markusberichtet wird, die Apostel und die Jünger aus »und verkündeten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte das Wort durch die Zeichen, die es begleiteten« (16,20).
Christus bezeugt mit seinem Geist sich selbst durch die Werke, die er in uns und mit uns vollbringt. Die Kirche – erklärte der heilige Augustinus – würde nicht den Herrn bitten, dass der Glaube jenen geschenkt werden möge, die Christus nicht kennen, wenn sie nicht glauben würde, dass es der Herr ist, der unsere Herzen in seinen Händen hat. Denn wenn die Kirche ihn um diese Dinge bäte, aber meinte, sie sich selbst geben zu können, dann wären alle ihre Gebete nicht echt, sondern von kirchlichem Konformismus auferlegte leere Formeln, Floskeln, Förmlichkeiten (vgl. Die Gabe der Beharrlichkeit. An Prosperus und Hilarius, 23,63). Wenn man nicht anerkennt, dass der Glaube ein Geschenk Gottes ist, dann haben auch die Gebete, die die Kirche an ihn richtet, keinen Sinn. Und sie bringen keine aufrichtige Leidenschaft für die Glückseligkeit und das Heil der anderen und derer, die den auferstandenen Christus nicht kennen, zum Ausdruck – auch wenn man seine Zeit damit verbringt, die Bekehrung der Welt zum Christentum zu organisieren.
Es ist der Heilige Geist, der den Glauben in den Herzen entzündet und bewahrt, und diese Tatsache anzuerkennen ändert alles. Denn der Geist entzündet und beseelt die Mission. Er gibt ihr die »genetische« Prägung, die Akzente und die einzigartigen Beweggründe, die die Verkündigung des Evangeliums und das Bekenntnis des christlichen Glaubens zu etwas anderem machen als jedweder politische oder kulturelle, psychologische oder religiöse Proselytismus. Viele dieser Wesenszüge der Mission habe ich im Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium erwähnt.
Ich greife einige noch einmal auf. Anziehungskraft. Das Geheimnis der Erlösung ist in die Welt hineingekommen und wirkt beständig in ihr durch eine Anziehungskraft, die das Herz der Männer und Frauen gewinnen kann, weil sie anziehender ist und erscheint als die Verführungen, die den Egoismus ansprechen, die Folge der Sünde. »Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht«, sagt Jesus im Evangelium nach Johannes (6,44). Die Kirche hat immer wieder gesagt, dass man darum Jesus nachfolgt und sein Evangelium verkündigt: durch die von Christus selbst und von seinem Geist gewirkte Anziehungskraft. Die Kirche – so Papst Benedikt XVI. – wächst in der Welt durch Anziehung und nicht durch Proselytismus (vgl. Predigt in der Eucharistiefeier zur Eröffnung der V. Generalversammlung der Bischöfe von Lateinamerika und der Karibik, Aparecida, 13. Mai 2007; in O.R. dt., Nr. 21, hier S. 11).
Der heilige Augustinus sagte, dass Christus sich uns offenbart, indem er uns anzieht. Und um diese Anziehungskraft zu veranschaulichen, zitierte er den Dichter Vergil, demzufolge jeder von dem angezogen wird, was ihm Lust bereitet. Jesus überzeugt nicht nur unseren Willen, sondern zieht auch unsere Lust an (vgl. Kommentar zum Johannesevangelium, 26,4). Wenn man Jesus nachfolgt und glücklich ist, von ihm angezogen zu werden, dann merken es die anderen. Und sie können darüber staunen. Die Freude, die in jenen durchscheint, die von Christus und von seinem Geist angezogen sind, ist das, was jede missionarische Initiative fruchtbar machen kann. Dankbarkeit und Unentgeltlichkeit. Die Freude, das Evangelium zu verkündigen, erglänzt immer vor dem Hintergrund einer dankbaren Erinnerung. Die Apostel haben nie den Augenblick vergessen, in dem Jesus ihr Herz berührt hat: »Es war um die zehnte Stunde« (Joh 1,39). Die Geschichte der Kirche erstrahlt, wenn in ihr die Dankbarkeit für die unentgeltliche Initiative Gottes zum Ausdruck kommt, denn es ist »nur Gott, der wachsen lässt« (1 Kor 3,7).
Die besondere Liebe des Herrn überrascht uns, und das Staunen kann von seinem Wesen her von uns weder besessen noch erzwungen werden. Man kann nicht »aus Zwang staunen«. Nur so kann das Wunder der Unentgeltlichkeit, der unentgeltlichen Selbsthingabe blühen. Auch den missionarischen Eifer kann man nie durch Erwägung oder Berechnung erlangen. Sich »in den Zustand der Mission« zu versetzen ist ein Reflex der Dankbarkeit. Es ist die Antwort dessen, der von der Dankbarkeit dem Geist gegenüber fügsam gemacht wird und der daher frei ist. Ohne die Wahrnehmung der besonderen Liebe des Herrn, die dankbar macht, würden sogar die Erkenntnis der Wahrheit und die Erkenntnis Gottes selbst – zur Schau gestellt wie ein Besitz, den man aus eigener Kraft erlangt – zum »Buchstaben, der tötet« (vgl. 2 Kor 3,6), wie der heilige Paulus und der heilige Augustinus als Erste gezeigt haben. Nur in der Freiheit der Dankbarkeit erkennt man wirklich den Herrn.
Es nützt dagegen nichts und ist vor allem unpassend, die Mission und die Verkündigung des Evangeliums immer wieder so darzustellen als seien sie eine verbindliche Pflicht, eine Art »Vertragspflicht« der Getauften. Demut. Wenn die Wahrheit und der Glaube, wenn die Glückseligkeit und das Heil nicht unser Besitz sind, wenn sie kein Ziel sind, das wir durch unsere Verdienste erlangen, dann kann das Evangelium Christi nur mit Demut verkündigt werden. Man darf nie meinen, der Sendung der Kirche zu dienen, indem man als einzelne und durch die Apparate Überheblichkeit an den Tag legt, mit dem Hochmut dessen, der auch das Geschenk der Sakramente und die wahrhaftigsten Worte des christlichen Glaubens entstellt – wie eine Beute, die man sich verdient hat. Man kann nicht aus Anstand demütig sein oder um einnehmend zu wirken. Man ist demütig, wenn man Christus nachfolgt, der zu den Seinen gesagt hat: »Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig« (Mt 11,29).
Der heilige Augustinus fragt sich, wieso Jesus sich nach der Auferstehung nur seinen Jüngern gezeigt hat und nicht jenen, die ihn gekreuzigt hatten. Und er antwortete, dass Jesus nicht den Eindruck vermitteln wollte, »seine Mörder irgendwie herauszufordern. Denn es war ihm wichtiger, seine Freunde die Demut zu lehren als den Feinden die Wahrheit vorzuwerfen« (Predigt284,6). Erleichtern, nicht verkomplizieren. Ein weiterer Wesenszug des echten Missionswerks verweist auf die Geduld Jesu, der auch in den Berichten des Evangeliums die Wachstumsschritte der Menschen stets mit Barmherzigkeit begleitet hat. Ein kleiner Schritt inmitten der großen menschlichen Begrenztheit kann das Herz Gottes mehr erfreuen als die großen Sprünge dessen, der im Leben ohne große Schwierigkeiten vorangeht. Ein missionarisches Herz erkennt den konkreten Zustand, in dem sich die konkreten Menschen befinden, mit ihren Grenzen, Sünden, Schwächen, und wird »den Schwachen ein Schwacher« (vgl. 1 Kor 9,22).
In die Mission »aufzubrechen«, um in die menschlichen Randgebiete zu gelangen, bedeutet nicht, ohne Richtung und ohne Sinn herumzuirren, wie ungeduldige Händler, die sich beklagen, dass die Leute zu unkultiviert und primitiv seien, um an ihren Waren interessiert zu sein. Manchmal geht es darum, den Schritt zu verlangsamen, um jene zu begleiten, die am Straßenrand zurückgeblieben sind. Manchmal muss man den Vater aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn nachahmen, der die Türen offenlässt und jeden Tag den Horizont absucht und auf die Rückkehr seines Sohnes wartet (vgl. Lk 15,20). Die Kirche ist keine Zollstation, und wer in irgendeiner Weise an der Sendung der Kirche teilhat, darf dem bereits mühsamen Leben der Menschen keine unnötigen Lasten hinzufügen, darf ihnen keine schwierigen und mühsamen Bildungswege auferlegen, um das zu genießen, was der Herr mit Leichtigkeit schenkt. Man darf dem Wunsch Jesu, der für jeden von uns betet und der alle heilen, alle retten will, keine Hindernisse in den Weg legen.
Nähe im »konkreten« Leben
Jesus ist seinen ersten Jüngern am Ufer des Sees Genesaret begegnet, während sie mit ihrer Arbeit beschäftigt waren. Er ist ihnen nicht auf einem Kongress oder auf einem Bildungsseminar oder im Tempel begegnet. Schon immer hat die Heilsverkündigung Jesu die Menschen dort erreicht, wo sie sind, und so wie sie sind, in ihrem konkreten Leben. Das tägliche Leben aller Menschen, die Anteilnahme an den Nöten, Hoffnungen und Problemen aller: Das ist der Ort und die Situation, in der jene, die die Liebe Christi erkannt und die Gabe des Heiligen Geistes empfangen haben, allen, die darum bitten, Rechenschaft ablegen können vom Glauben, von der Hoffnung und von der Liebe – unterwegs mit den anderen, an der Seite aller Menschen. Vor allem in der Zeit, in der wir leben, geht es nicht darum, »anspruchsvolle« Bildungswege zu erfinden, Parallelwelten zu schaffen, mediale Blasen zu errichten, um die eigenen Slogans, die eigenen Lippenbekenntnisse ertönen zu lassen, reduziert auf einen beruhigenden »Nominalismus, der sich in Erklärungen erschöpft«. Ich habe bereits an anderer Stelle zum Beispiel erwähnt, dass es in der Kirche Menschen gibt, die mit Nachdruck den Slogan benutzen: »Dies ist die Stunde der Laien!« Aber inzwischen scheint die Uhr stehengeblieben zu sein.
Der »sensus fidei« des Gottesvolkes. Es gibt eine Wirklichkeit in der Welt, die eine Art »Gespür« für den Heiligen Geist und sein Wirken hat. Es ist das Gottesvolk, das von Jesus berufen und besonders geliebt ist und das ihn seinerseits beständig sucht und in der Mühsal des Lebens immer nach ihm fragt. Das Gottesvolk bettelt um die Gabe seines Geistes: Es vertraut seine Erwartungen den einfachen Worten der Gebete an und macht es sich nie in der Anmaßung der eigenen Selbstgenügsamkeit bequem. Das heilige Gottesvolk, vom Herrn versammelt und gesalbt, ist kraft dieser Salbung »in credendo« unfehlbar, wie die Überlieferung der Kirche lehrt.
Das Wirken des Heiligen Geistes versieht das gläubige Volk mit einem »Gespür« für den Glauben – dem »sensus fidei« –, das ihm hilft, sich nicht zu irren, wenn es an die Dinge Gottes glaubt, auch wenn es keine theologischen Argumentationen und Formeln kennt, um die Gaben zu definieren, die es erfährt. Das Geheimnis des pilgernden Volkes, das mit seiner volkstümlichen Spiritualität die Wallfahrtsorte aufsucht und sich Jesus, Maria und den Heiligen anvertraut, schöpft aus der freien und unentgeltlichen Initiative Gottes, die seinem Wesen entspricht, ohne pastoralen Aktionsplänen folgen zu müssen. Besondere Liebe zu den Geringen und den Armen. Jeder missionarische Impuls bringt, wenn er vom Heiligen Geist ausgeht, die besondere Liebe zu den Armen und den Geringen zum Ausdruck, als Zeichen und Abglanz der besonderen Liebe des Herrn zu ihnen. Die Menschen, die in missionarische Initiativen und Strukturen der Kirche unmittelbar eingebunden sind, dürfen ihre mangelnde Aufmerksamkeit gegenüber den Armen nie mit der – in gewissen klerikalen Kreisen sehr verbreiteten – Ausrede rechtfertigen, ihre Kräfte auf Anliegen ausrichten zu müssen, die für die Mission Vorrang haben.
Die besondere Liebe zu den Armen ist für die Kirche keine Wahloption. Die oben beschriebenen Dynamiken und Ansätze gehören zur Mission der Kirche, die vom Heiligen Geist beseelt ist. Gewöhnlich wird in den kirchlichen Verlautbarungen und Diskursen die Notwendigkeit des Heiligen Geistes als Quelle der Mission der Kirche anerkannt und bestätigt. Es kommt jedoch auch vor, dass diese Anerkennung auf eine Art »offizieller Ehrerweisung« gegenüber der Allerheiligsten Dreifaltigkeit reduziert wird, auf eine konventionelle Eingangsformulierung für theologische Vorträge und Pas-toralpläne. Es gibt in der Kirche viele Situationen, in denen der Primat der Gnade nur mehr ein theoretisches Postulat, eine abstrakte Formel ist.
Es kommt vor, dass viele mit der Kirche verbundene Initiativen und Körperschaften, statt das Wirken des Heiligen Geistes durchscheinen zu lassen, am Ende nur die eigene Selbstbezogenheit bezeugen. Viele kirchliche Apparate auf allen Ebenen scheinen davon besessen zu sein, sich selbst und die eigenen Initiativen zu fördern. So als wäre das das Ziel und der Horizont ihrer Mission. Bis hierher wollte ich Kriterien und Anregungen für die Sendung der Kirche, die ich im Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium ausführlicher dargelegt habe, noch einmal aufgreifen und vorschlagen. Ich habe das getan, weil ich glaube, dass es auch für die POM nützlich und fruchtbar – und unaufschiebbar – ist, sich auf diesem Abschnitt ihres Weges mit jenen Kriterien und Vorschlägen auseinanderzusetzen.
Die Päpstlichen Missionswerke und die Gegenwart: zu entwickelnde Begabungen, zu vermeidende Versuchungen und Krankheiten Wohin soll man schauen für die Gegenwart und die Zukunft der POM? Welcher Ballast droht dagegen, ihren Weg zu beschweren? In der Gestalt, ich würde sogar sagen in der Identität, der Päpstlichen Missionswerke sind gewisse Merkmale erkennbar – einige sind sozusagen »genetisch«, andere im Laufe der Geschichte erworben –, die oft vernachlässigt oder als selbstverständlich betrachtet werden. Dennoch können gerade diese Merkmale, vor allem in der heutigen Zeit, den Beitrag dieses »Netzwerks« zur universalen Sendung, zu der die ganze Kirche berufen ist, bewahren und wertvoll machen.
– Die Missionswerke sind spontan entstanden, aus dem missionarischen Eifer heraus, der durch den Glauben der Getauften zum Ausdruck kommt. Es ist und bleibt ein innerer Einklang, eine Vertrautheit zwischen den Missionswerken und dem unfehlbaren »sensus fidei« des gläubigen Gottesvolkes »in credendo«.
– Die Missionswerke sind von Anfang an »zweigleisig« gefahren – oder besser gesagt an zwei Dämmen entlang, die immer parallel verlaufen und die in ihrer Elementarität dem Herzen des Gottesvolkes von jeher vertraut sind: das Gebet und die Liebe, in Form von Almosen, die »aus dem Tod retten, von aller Sünde reinigen« (vgl. Tob 12,9), der eifrigen Liebe, die »viele Sünden zudeckt« (vgl. 1 Petr 4,8). Die Initiatoren der Mis sionswerke, begonnen bei Pauline Jaricot, haben die Gebete und die Werke, denen sie ihre Wünsche in Bezug auf die Verkündigung des Evangeliums anvertraut haben, nicht erfunden, sondern sie einfach dem unerschöpflichen Schatz der dem Gottesvolk auf seinem Weg in der Geschichte vertrauten und gewohnten Gesten entnommen.
– Die Missionswerke, die im Leben des Gottesvolkes unentgeltlich entstanden sind, wurden aufgrund ihrer einfachen und konkreten Gestalt von der Kirche in Rom und ihren Bischöfen anerkannt und wertgeschätzt. Diese haben im vergangenen Jahrhundert darum gebeten, sie als besonderes Werkzeug des Dienstes, den sie der Universalkirche leisten, annehmen zu dürfen. Auf diese Weise wurden diese Werke als »Päpstlich« qualifiziert. Von jenem Augenblick an tritt das Merkmal der POM als Werkzeug im Dienst zur Unterstützung der Teilkirchen zutage, in der Verkündigung des Evangeliums. Ebenso haben sich die Päpstlichen Missionswerke mit Fügsamkeit als Werkzeug im Dienst der Kirche angeboten, innerhalb des universalen Dienstes, der vom Papst und von der Kirche in Rom durchgeführt wird, die den »Vorsitz in der Liebe« führt.
Auf diese Weise haben die POM, durch ihren eigenen Weg und ohne in schwierige theologische Dispute einzutreten, die Argumente derer widerlegt, die, auch in kirchlichen Kreisen, Charismen und Institutionen auf unpassende Weise in Gegensatz zueinander stellen und die Beziehungen zwischen ihnen stets durch eine trügerische »Dialektik der Prinzipien« betrachten. In der Kirche werden dagegen auch die bleibenden Strukturelemente – wie die Sakramente, das Priesteramt und die Apostolische Sukzession – vom Heiligen Geist beständig neu geschaffen. Die Kirche kann nicht über sie verfügen wie über einen Gegenstand, der in ihrem Besitz ist (vgl. Kardinal Joseph Ratzinger, Die kirchlichen Bewegungen und ihr theologischer Ort. Vortrag auf dem Weltkongress der kirchlichen Bewegungen, Rom, 27.-29. Mai 1998; in: Joseph Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd. 8/1: Kirche – Zeichen unter den Völkern, Hrsg. Gerhard Ludwig Müller, Freiburg i.Br. 2010, S. 363-390).
– Die Missionswerke wurden von ihrer ersten Verbreitung an als flächendeckendes Netzwerk strukturiert, das im Gottesvolk verbreitet ist. Es ist fest verankert, ja sogar »immanent« vorhanden im Netzwerk der früher entstandenen Institutionen und Wirklichkeiten des kirchlichen Lebens, wie Diözesen, Pfarreien, Ordensgemeinschaften. Die besondere Berufung der in den Missionswerken tätigen Personen wurde nie als ein alternativer Weg, als »äußere« Zugehörigkeit gegenüber den gewöhnlichen Lebensformen der Teilkirchen erlebt und wahrgenommen. Der Aufruf, für die Mission zu beten und Geldmittel zu sammeln, wurde immer als Dienst an der kirchlichen Gemeinschaft getätigt.
– Die Missionswerke, die im Laufe der Zeit zu einem in allen Kontinenten verbreiteten Netzwerk geworden sind, spiegeln bereits in ihrer Struktur die Vielfalt der Akzente, Lebensbedingungen, Probleme und Gaben wider, die das Leben der Kirche an den verschiedenen Orten der Welt prägen: eine Pluralität, die vor ideologischen Vereinheitlichungen und kultureller Einseitigkeit schützen kann. In diesem Sinne kann man auch durch die POM das Geheimnis der Universalität der Kirche erfahren, in der das unablässige Wirken des Heiligen Geistes die Harmonie zwischen den verschiedenen Stimmen schafft, während der Bischof von Rom mit seinem Dienst der Liebe, der auch durch die Päpstlichen Missionswerke ausgeübt wird, die Einheit des Glaubens bewahrt. Alle bisher beschriebenen Merkmale können den Päpstlichen Missionswerken helfen, sich den Gefahren und Krankheiten zu entziehen, die auf ihrem Weg und auf dem vieler anderer kirchlicher Einrichtungen lauern. Ich möchte auf einige hinweisen.
Zu vermeidende Gefahren
Selbstbezogenheit. Kirchliche Organisationen und Körperschaften sind trotz aller guten Absichten der Einzelnen am Ende manchmal selbstbezogen und widmen ihre Kraft und Aufmerksamkeit vor allem der Selbstförderung und dem Lobpreis der eigenen Initiativen als Eigenwerbung. Andere scheinen davon besessen zu sein, ihre Relevanz und ihre Räume innerhalb der Kirche ständig neu zu definieren, mit der Rechtfertigung, ihrer Sendung bessere Impulse zu geben. Auf diese Weise – so sagte einmal der damalige Kardinal Joseph Ratzinger – nährt man auch die falsche Vorstellung, dass ein Mensch umso mehr ein Christ sei, je mehr er in kirchliche Aktivitäten eingebunden sei, während in Wirklichkeit fast alle Getauften den Glauben, die Hoffnung und die Liebe in ihrem Alltag leben, ohne je in kirchlichen Komitees aufgetaucht zu sein und ohne sich um die neuesten kirchenpolitischen Entwicklungen zu kümmern (vgl. Eine Gemeinschaft auf dem Weg. Von der Kirche und ihrer immerwährenden Erneuerung, in: Joseph Ratzinger, Gesammelte Schriften, Bd. 8/2: Kirche – Zeichen unter den Völkern, Hrsg. Gerhard Ludwig Müller, Freiburg i.Br. 2010, S. 1216-1230).
Führungsanspruch
Manchmal passiert es, dass Institutionen und Körperschaften, die entstanden sind, um den Kirchengemeinden zu helfen, indem sie den Gaben dienen, die vom Heiligen Geist in ihnen erweckt wurden, im Laufe der Zeit den Anspruch erheben, eine Oberherrschaft und Kontrollfunktionen gegenüber den Gemeinden auszuüben, denen sie dienen sollten. Diese Haltung ist fast immer von der Anmaßung begleitet, die Rolle von »Hütern« zu spielen, die den anderen Legitimierungslizenzen erteilen. Tatsächlich verhält man sich in diesen Fällen so, als ob die Kirche ein Produkt unserer Analysen, unserer Pläne, Vereinbarungen und Entscheidungen sei. Elitedenken. Unter denen, die zu Körperschaften und organisierten Wirklichkeiten in der Kirche gehören, fasst manchmal ein elitäres Empfinden Fuß, die unausgesprochene Idee, einem Adel anzugehören.
Einer höheren Klasse von Fachleuten, die versucht, die eigenen Räume im Einverständnis oder im Wettbewerb mit anderen kirchlichen Eliten zu erweitern und die ihre Mitglieder nach den weltlichen Systemen und der Logik der Militanz oder technisch-professioneller Kompetenz ausbildet, immer mit dem Ziel vor Augen, die eigenen oligarchischen Vorrechte zu fördern. Absonderung vom Volk. Die elitäre Versuchung in einigen mit der Kirche verbundenen Wirklichkeiten ist manchmal begleitet von einem Gefühl der Überlegenheit und der Unduldsamkeit gegenüber der Menge der Getauften, gegen über dem Gottesvolk, das vielleicht die Pfarrgemeinden und Heiligtümer besucht, aber nicht aus »Aktivisten« besteht, die in katholischen Organisationen beschäftigt sind. In solchen Fällen wird auch das Gottesvolk als eine träge Masse betrachtet, die stets neu beseelt und mobilisiert werden muss durch eine »Bewusstwerdung«, die durch Argumentationen, Mahnungen, Belehrungen angeregt werden muss. Man tut so, als sei die Glaubensgewissheit die Folge von überzeugenden Diskursen oder von Bildungsmethoden. Abstraktion. Wenn mit der Kirche verbundene Körperschaften und Wirklichkeiten selbstbezogen werden, verlieren sie den Kontakt mit der Wirklichkeit und erkranken an Abstraktion. Es mehren sich nutzlose Orte strategischer Planung, um Projekte und Leitlinien zu erstellen, die nur zur Selbstförderung derer dienen, die sie erfinden.
Man greift die Probleme auf und seziert sie in intellektuellen Laboratorien, wo alles gezähmt wird und den gewünschten ideologischen Anstrich bekommt. Wo alles außerhalb des realen Kontexts zum Götzenbild erstarren kann, auch die Bezugnahmen auf den Glauben und die verbalen Hinweise auf Jesus und auf den Heiligen Geist. Funktionalismus. Die selbstbezogenen und elitären Organisationen, auch innerhalb der Kirche, sind letztlich oft auf die Nachahmung weltlicher Erfolgsmodelle ausgerichtet – wie jener, die vom erbitterten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wettbewerb auferlegt werden.
Die Wahl des Funktionalismus garantiert die Illusion einer ausgewogenen »Problembereinigung«, um die Dinge unter Kontrolle zu halten, die eigene Relevanz zu vergrößern und den Alltag besser zu bewältigen. Aber wie ich bereits im Rahmen unserer Begegnung im Jahr 2016 gesagt habe, ist eine Kirche, die Angst hat, sich der Gnade Christi anzuvertrauen, und die auf die Leistungsfähigkeit der Apparate ausgerichtet ist, bereits tot, selbst wenn die Strukturen und Pläne, die »selbstbeschäftigten« Klerikern und Laien zugutekommen, noch jahrhundertelang Bestand haben sollten.
Ratschläge für den Weg
Im Hinblick auf die Gegenwart und Zukunft und auf der Suche auch auf dem Weg der POM nach Ressourcen, um die Gefahren des Weges zu überwinden und voranzugehen, erlaube ich mir, einige Ratschläge zu geben, um Eure Entscheidungsfindung zu unterstützen. Da Ihr auch einen Weg zum Überdenken der POM eingeschlagen habt, der an den Weisungen des Papstes inspiriert sein soll, unterbreite ich Eurer Aufmerksamkeit allgemeine Kriterien und Anregungen, ohne ins Detail zu gehen, auch weil die verschiedenen Umfelder Anpassungen und Varianten erfordern können.
1) Soweit Ihr könnt und ohne zu viele Überlegungen darüber anzustellen, sorgt dafür, dass die Einbindung der POM in das Gottesvolk, ihre Zugehörigkeit zum wirklichen Leben, in dem sie entstanden sind, gewahrt bleibt oder neu entdeckt wird. Ein tieferes »Eintauchen« in das wirkliche Leben der Menschen, so wie es ist, wird guttun. Es tut allen gut, aus der Verschlossenheit der eigenen inneren Problematiken herauszukommen, wenn man Jesus nachfolgt. Es lohnt sich, sich in die konkreten Lebensumstände hineinzubegeben und auch die flächendeckende Arbeit und die Kontakte der POM in ihrer Einbindung in das kirchliche Netzwerk (Diözesen, Pfarreien, Gemeinden, Gruppen) zu pflegen oder zu versuchen, sie wiederherzustellen. Wenn man die eigene Zugehörigkeit zum Gottesvolk mit seinen Licht- und Schattenseiten an die erste Stelle setzt, kann man auch der Gefahr der Abstraktion besser entfliehen. Man muss nicht immer mehr Vorschläge formulieren, sondern vielmehr Antworten auf wirkliche Fragen und Bedürfnisse geben. Vielleicht können aus dem direkten Kontakt mit dem wirklichen Leben und nicht aus geschlossenen Zirkeln oder aus theoretischen Analysen der eigenen inneren Dynamiken auch nützliche Eingebungen kommen, um die eigenen Vorgehensweisen zu verändern und zu verbessern und sie an die verschiedenen Umfelder und Lebensbedingungen anzupassen.
2) Ich schlage vor, dafür zu sorgen, dass die wesentliche Struktur der POM mit der Praxis des Gebets und der Sammlung von Geldern für die Mission verbunden bleibt. Sie ist gerade aufgrund ihrer Elementarität und ihrer Konkretheit wertvoll und liebgewonnen. Sie bringt die Affinität der POM zum Glauben des Gottesvolkes zum Ausdruck. Mit aller erforderlichen Flexibilität und Anpassung sollte dieser Grundentwurf der POM nicht in Vergessenheit geraten oder völlig verändert werden. Zum Herrn beten, auf dass er die Herzen für das Evangelium öffnen möge, und alle bitten, dass sie das Missionswerk auch konkret unterstützen mögen: Darin liegt eine Einfachheit und eine Konkretheit, die alle mit Freude wahrnehmen können in der heutigen Zeit, in der man auch aufgrund der Geißel der Pandemie überall den Wunsch verspürt, allem zu begegnen und nahe zu bleiben, was einfach Kirche ist. Sucht ruhig neue Wege, neue Formen für euren Dienst. Es ist dafür jedoch nicht nötig, das, was einfach ist, zu verkomplizieren.
3) Die POM sind ein Werkzeug, das der Mission in den Teilkirchen dient, im Horizont der Mission der Kirche, die immer die ganze Welt umfasst, und sie müssen so gelebt werden. Darin besteht ihr stets wertvoller Beitrag zur Verkündigung des Evangeliums. Wir sind alle aufgerufen, aus Liebe und Dankbarkeit, auch mit euren Werken, die Keimzellen des theologischen Lebens, die der Geist Christi hervorsprießen und wachsen lässt, wo er will, auch in den Wüsten, zu bewahren. Bittet im Gebet in erster Linie darum, dass der Herr uns alle bereit machen möge, die Zeichen seines Wirkens zu erkennen, um sie dann der ganzen Welt zu zeigen. Nur das kann nützen: zu bitten, dass für uns, in unserem tiefsten Herzen, die Anrufung des Heiligen Geistes nicht auf einen unfruchtbaren Wortreichtum unserer Versammlungen und unserer Predigten reduziert sein möge. Es nützt dagegen nichts, theoretische Überlegungen über Super-Strategen oder »Leitungszentralen« der Mission anzustellen, an die man – als angebliche unbescheidene »Hüter« der missionarischen Dimension der Kirche – die Aufgabe delegieren kann, den missionarischen Geist zu wecken oder den anderen die Lizenz zur Missionsarbeit zu erteilen. Wenn in einigen Situationen der Missionseifer schwindet, dann ist es ein Zeichen dafür, dass der Glaube schwindet. Und in diesen Fällen macht der Anspruch, die verlöschende Flamme mit Strategien und Diskursen wiederzubeleben, sie letztlich noch schwächer und führt nur dazu, dass die Wüste sich weiter ausbreitet.
4) Der von den POM durchgeführte Dienst bringt die Mitarbeiter seinem Wesen nach mit zahllosen Wirklichkeiten, Situationen und Ereignissen in Berührung, die zum großen Fluss des Lebens der Kirche gehören, auf allen Kontinenten. In diesem Fluss kann man vielen Formen der Schwerfälligkeit und der Verkalkung begegnen, die das kirchliche Leben begleiten, aber auch unentgeltlichen Gaben der Heilung und des Trostes, die der Heilige Geist im täglichen Leben derer aussät, die man als die »Mittelschicht der Heiligkeit« bezeichnen könnte. Und Ihr könnt Euch freuen und jubeln und die Begegnungen genießen, die Ihr dank der Arbeit bei den POM machen könnt, und Euch von ihnen überraschen lassen. Ich denke an die vielen Wundergeschichten, von denen man bei Kindern hört, die Jesus vielleicht durch die vom Kindermissionswerk angebotenen Initiativen begegnen. Darum darf Euer Werk nie in einer ausschließlich bürokratischprofessionellen Dimension »sterilisiert« werden. Es darf keine Bürokraten oder Funktionäre der Mission geben. Und Eure Dankbarkeit kann wiederum zum Geschenk und Zeugnis für alle werden. Ihr könnt zur Stärkung aller mit den Mitteln, die Ihr habt, ohne Künstelei auf das Leben von Menschen und Gemeinschaften hinweisen, denen Ihr leichter begegnen könnt als andere: Menschen und Gemeinschaften, in denen das Wunder des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe unentgeltlich erstrahlt.
5) Die Dankbarkeit angesichts der Wunder, die der Herr unter jenen wirkt, die er besonders liebt – unter den Armen und Geringen, denen er die Dinge offenbart, die den Weisen verborgen sind (vgl. Mt 11,25-26) – kann es auch für Euch leichter machen, Euch der Gefahr der Selbstbezogenheit zu entziehen, aus sich selbst herauszukommen und Jesus nachzufolgen. Die Idee einer selbstbezogenen Missionarität, die die Zeit damit verbringt, sich selbst zu betrachten und für die eigenen Initiativen zu beweihräuchern, wäre in sich selbst eine Absurdität. Vergeudet nicht zu viel Zeit und Ressourcen, um eine »Nabelschau zu halten« und Pläne zu erarbeiten, die sich um interne Mechanismen drehen, um Funktionalität und Fähigkeiten des eigenen Apparats. Blickt nach draußen, blickt nicht in den Spiegel. Zerbrecht alle Spiegel im Haus. Die Kriterien denen man folgen muss, auch bei der Umsetzung der Pläne, müssen darauf abzielen, Strukturen und Vorgehensweisen zu erleichtern und flexibel zu machen statt das Netzwerk der POM mit weiteren Apparat-Elementen noch mehr zu belasten. Zum Beispiel sollte sich jeder Nationaldirektor während seiner Amtszeit bemühen, potentielle Nachfolger zu finden. Dabei muss das einzige Kriterium darin bestehen, nicht auf Personen aus dem Freundeskreis oder Kameraden kirchlicher »Seilschaften« hinzuweisen, sondern auf Personen, die mehr missionarischen Eifer als er selbst zu haben scheinen.
6) Was das Sammeln von Geldern betrifft, um die Mission zu unterstützen, so habe ich anlässlich unserer früheren Begegnungen bereits die Gefahr erwähnt, die POM in eine NRO zu verwandeln, die sich ganz und gar der Beschaffung und Verteilung der Gelder widmet. Das hängt mehr davon ab, mit welchem Herzen man es tut, als davon, was man tut. Bei der Sammlung von Geldern kann es natürlich ratsam, ja sogar angemessen sein, auch zeitgemäße Methoden zur Beschaffung von Finanzierungen von Seiten potentieller und verdienstvoller Unterstützer mit Kreativität anzuwenden. Wenn jedoch in einigen Bereichen die Spenden zurückgehen, weil auch das christliche Bewusstsein zurückgeht, dann kann man in diesem Fall versucht sein, das Problem selbst zu lösen, indem man die Wirklichkeit »vertuscht« und auf irgendein effizienteres Spendensystem setzt, das auf die Suche nach großen Spendern geht. Das Leiden über den Rückgang des Glaubens und auch über den Rückgang der Spendengelder darf jedoch nicht verdrängt werden, sondern muss in die Hände des Herrn gelegt werden. Jedenfalls ist es gut, die Bitte um Spenden für die Mission auch weiterhin in erster Linie an die ganze Menge der Getauften zu richten. Dabei muss auch die Kollekte für die Missionen, die in den Kirchen aller Länder im Oktober anlässlich des Weltmissionssonntags durchgeführt wird, wieder in den Vordergrund gestellt werden. Die Kirche geht schon immer voran auch dank des Scherfleins der Witwe, des Beitrags der großen Schar von Menschen, die sich von Jesus geheilt und getröstet fühlen und die darum, aus überfließender Dankbarkeit, das geben, was sie haben.
7) In Bezug auf die Verwendung der erhaltenen Spenden, wägt immer mit angemessenem »sensus Ecclesiae« die Umverteilung der Gelder zur Unterstützung von Strukturen und Projekten ab, die auf unterschiedliche Weise die apostolische Sendung und die Verkündigung des Evangeliums in den verschiedenen Teilen der Welt umsetzen. Man muss stets die konkreten vor rangigen Bedürfnisse der Gemeinschaften vor Augen haben und gleichzeitig Formen der Wohlfahrt vermeiden, die letztlich keine Mittel für den missionarischen Eifer bieten, sondern die Herzen lau werden lassen und auch in der Kirche ein parasitäres Klientelwesen nähren. Zielt darauf ab, mit Eurem Beitrag konkrete Antworten auf objektive Bedürfnisse zu geben, ohne Ressourcen zu verschwenden für Initiativen, die von Abstraktheit oder Selbstbezogenheit geprägt oder die aus dem klerikalen Narzissmus irgendeiner Person hervorgegangen sind. Verfallt nicht in Minderwertigkeitskomplexe oder in die Versuchung, jene hochfunktionalen Organisationen nachzuahmen, die zwar Gelder für gute Zwecke sammeln, diese dann aber zu einem großen Teil verwenden, um den eigenen Apparat zu finanzieren und die eigene Marke zu bewerben. Auch das wird zuweilen zu einem Weg, um vor allem die eigenen Interessen zu pflegen, auch wenn man nach außen hin für die Armen und Notleidenden tätig ist.
8) Was die Armen betrifft, so vergesst auch Ihr sie nicht. Das legten die Apostel Petrus, Johannes und Jakobus beim Konzil von Jerusalem Paulus, Barnabas und Titus ans Herz, die gekommen waren, um über ihre Mission bei den Unbeschnittenen zu sprechen: »Nur sollten wir an die Armen denken« (Gal 2,10). Nach dieser Empfehlung organisierte Paulus die Geldsammlungen für die Geschwister der Kirche von Jerusalem (vgl. 1 Kor 16,1). Die besondere Liebe zu den Armen und Geringen gehörte von Anfang an zur Mission der Verkündigung des Evangeliums. Die geistlichen und leiblichen Werke der Nächstenliebe ihnen gegenüber bringen eine »besondere göttliche Liebe« zum Ausdruck, die an das Glaubensleben aller Christen appelliert, die aufgerufen sind, untereinander so gesinnt zu sein, wie es dem Leben in Jesus entspricht (vgl. Phil 2,5).
9) Die POM, mit ihrem in der ganzen Welt verteilten Netzwerk, spiegeln die Vielfalt des »Volkes mit den zahllosen Gesichtern« wider, das durch die Gnade Christi versammelt ist, mit seinem Missionseifer. Dieser Eifer ist nicht immer und überall gleich groß und lebendig. Dennoch kommt er in der gemeinsamen Notwendigkeit, den gestorbenen und auferstandenen Christus zu bekennen, mit verschiedenen Akzenten zum Ausdruck und passt sich an verschiedene Umfelder an. Die Offenbarung des Evangeliums lässt sich mit keiner Kultur identifizieren, und bei der Begegnung mit neuen Kulturen, die die christliche Verkündigung nicht angenommen haben, darf man keine bestimmte kulturelle Form zusammen mit dem Angebot des Evangeliums auferlegen. Heute sollte man sich auch bei der Arbeit der POM nicht zu sehr belasten; ihr unterschiedliches Profil und ihre gemeinsame Bezugnahme auf die Grundzüge des Glaubens sollten gewahrt werden. Auch der Anspruch, die Form der Verkündigung zu vereinheitlichen, vielleicht indem man alles auf Klischees und Slogans setzt, die in gewissen Kreisen bestimmter kulturell oder politisch dominierender Länder in Mode sind, kann einen Schatten auf die Universalität des christlichen Glaubens werfen. In diesem Zusammenhang ist auch die besondere Beziehung der POM zum Papst und zur Kirche von Rom eine Ressource und eine Unterstützung der Freiheit, die allen hilft, sich vergänglichen Moden, Verflachungen auf einseitige Denkströmungen oder kulturelle Vereinheitlichungen neokolonialistischer Art zu entziehen. Diese Phänomene sind leider auch in kirchlichen Umfeldern zu verzeichnen.
10) Die POM sind in der Kirche keine eigenständige Größe, die im luftleeren Raum steht. Zu ihren Besonderheiten, die stets gepflegt und erneuert werden müssen, gehört die besondere Verbindung mit dem Bischof der Kirche von Rom, die den Vorsitz in der Liebe hat. Es ist schön und tröstlich zu sehen, dass diese Verbindung zum Ausdruck kommen in einer Arbeit, die mit Freude durchgeführt wird, ohne nach Beifall zu streben oder Ansprüche zu erheben: ein Werk, das gerade in seiner Unentgeltlichkeit eng mit dem Dienst des Papstes, des Dieners der Diener Gottes, verbunden ist. Ich bitte Euch, dass das Merkmal Eurer Nähe zum Bischof von Rom genau dies sein möge: die gemeinsame Liebe zur Kirche, Abglanz der Liebe zu Christus, die in der Stille gelebt wird und zum Ausdruck kommt, ohne zu prahlen, ohne das »eigene Territorium« zu markieren. Mit einer täglichen Arbeit, die aus der Liebe und aus ihrem Geheimnis der Unentgeltlichkeit schöpft. Mit einem Werk, das zahllose Menschen unterstützt, die innerlich dankbar sind, aber vielleicht nicht einmal wissen, wem sie danken sollen, weil sie von den POM nicht einmal den Namen kennen. Das Geheimnis der Liebe in der Kirche wird so verwirklicht. Gehen wir auch weiterhin gemeinsam voran, in der Freude darüber, unter den Prüfungen voranzuschreiten, dank der Gaben und der Tröstungen des Herrn. Während wir bei jedem Schritt freudig anerkennen, dass wir unnütze Diener sind, angefangen bei mir.
Schluss
Brecht schwungvoll auf: Auf dem Weg, der Euch erwartet, gibt es viele Dinge zu tun. Wenn es in den Verfahrensweisen Veränderungen gibt, dann ist es gut, wenn diese darauf abzielen, die Lasten zu erleichtern und nicht zu mehren; wenn sie darauf ausgerichtet sind, operative Flexibilität zu gewinnen und nicht weitere starre und stets von Intraversion bedrohte Apparate zu erzeugen. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass eine übermäßige Zentralisierung die missionarische Dynamik verkomplizieren kann statt ihr zu helfen. Und auch eine Gestaltung der Initiativen auf rein nationaler Ebene gefährdet die Physiognomie des Netzwerks der POM, ebenso wie den Gabenaustausch zwischen Kirchen und Ortsgemeinden, der als Frucht und spürbares Zeichen der Liebe unter den Brüdern und Schwestern, in der Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, gelebt wird. Bittet auf jeden Fall immer darum, dass jede Überlegung, die die Arbeitsgestaltung der POM betrifft, erleuchtet sein möge von der einzigen Sache, die notwendig ist: ein wenig wahre Liebe zur Kirche, als Abglanz der Liebe zu Christus.
Ihr erweist Euren Dienst dem apostolischen Eifer, also einem theologischen Lebensantrieb, den nur der Heilige Geist im Gottesvolk wirken kann. Denkt daran, Eure Arbeit gut zu tun, »als ob alles von Euch abhinge, in dem Wissen, dass in Wirklichkeit alles von Gott abhängt« (hl. Ignatius von Loyola). Wie ich bei einer unserer Begegnungen bereits gesagt habe, müsst ihr die Bereitschaft Marias besitzen. Als sie zu Elisabet ging, tat Maria das nicht als eigene Geste: Sie ging hin als Magd des Herrn Jesus, den sie im Schoß trug. Von sich selbst sagte sie nichts; sie brachte nur ihren Sohn und lobte Gott. Nicht sie war die Protagonistin. Sie ging hin als Magd dessen, der auch der einzige Protagonist der Mission ist. Aber sie verlor keine Zeit, sie eilte, um sich um ihre Verwandte zu kümmern. Sie lehrt uns diese Bereitschaft, die Eile der Treue und der Anbetung. Die Gottesmutter behüte Euch und die Päpstlichen Missionswerke, und es segne Euch ihr Sohn, unser Herr Jesus Christus. Bevor er in den Himmel aufgefahren ist, hat er uns verheißen, dass er immer bei uns sein wird. Bis ans Ende der Zeiten.
Gegeben in Rom, zu Sankt Johannes im Lateran, am 21. Mai 2020, Hochfest Christi Himmelfahrt
Franziskus
Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana