BOTSCHAFT VON PAPST FRANZISKUS
AN DAS BERATERINNENGREMIUM
DES PÄPSTLICHEN RATS FÜR DIE KULTUR
[7. Oktober 2020]
Liebe Freundinnen,
ich freue mich, einen herzlichen Gruß an Sie, das Beraterinnengremium des Päpstlichen Rats für die Kultur, zu richten. Anlass ist das Webinar »Frauen lesen Papst Franziskus: Lektüre, Reflexion und Musik«, das sich aus einer Reihe von Veranstaltungen zusammensetzt und nun mit dem Thema »Evangelii gaudium« beginnt.
Ihr heutiges Symposium erlaubt auch, die schöne Neuheit ins Licht zu rücken, die Sie innerhalb der Römischen Kurie darstellen. Zum ersten Mal bezieht ein Dikasterium eine Gruppe von Frauen ein und macht sie zu Protagonistinnen der von ihm entwickelten Projekte und kulturellen Leitlinien, und nicht nur, um sich mit Frauenfragen zu befassen. Ihr Gremium setzt sich zusammen aus Frauen, die in verschiedenen Sektoren des gesellschaftlichen Lebens engagiert sind und kulturelle und religiöse Sichtweisen der Welt einbringen, die, obwohl sie unterschiedlich sind, auf dasselbe Ziel ausgerichtet sind: mit gegenseitigem Respekt zusammenzuarbeiten.
Für Ihre Lektürefolge haben Sie drei meiner Texte ausgewählt: das Apostolische Schreiben Evangelii gaudium und anschließend die Enzyklika Laudato si’ und das Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen für ein friedliches Zusammenleben in der Welt. Diese Schreiben sind jeweils den Themen der Evangelisierung, der Schöpfung und der Geschwisterlichkeit gewidmet. Es ist eine bedeutsame Auswahl, die den Geist des Gremiums widerspiegelt, eine reiche Verschiedenheit, die so zu arbeiten weiß, dass sie im Dialog Punkte der Übereinstimmung und der Harmonie zu suchen vermag. Ebenso ist die Tatsache zu unterstreichen, dass das Symposium im Zeichen einer großen Frau steht, die 2012 zur Kirchenlehrerin erhoben wurde: die heilige Hildegard von Bingen. Auch sie hat, wie der heilige Franziskus, einen Lobgesang komponiert, in dem sie das Lob des Herrn der Schöpfung auch in der Schöpfung singt. Hildegard vereint wissenschaftliche Kenntnis und Spiritualität. Seit eintausend Jahren liest, kommentiert, gestaltet und lehrt sie als wahre Lehrerin Frauen und Männer. Sie hat die Regeln ihrer Zeit durchbrochen, die den Frauen verboten, zu studieren und eine Bibliothek zu betreten, und dies fordert sie als Äbtissin auch für ihre Mitschwestern. Sie lernt Gesang und komponiert Musik, die für sie wie eine Woge war, die sie bis zur Höhe Gottes tragen konnte. Musik war für sie nicht nur Kunst oder Wissenschaft, sie war auch Liturgie.
Jetzt möchten Sie durch diese Begegnung einen Dialog zwischen Intellekt und Spiritualität in Gang setzen, zwischen Einheit und Verschiedenheit, zwischen Musik und Liturgie, und das mit dem grundlegenden Ziel der universalen Freundschaft und des allgemeinen Vertrauens. Und Sie tun dies mit weiblicher Stimme, die in einer kranken Welt zur Heilung beitragen will. Ihre Lektürefolge wird eine besondere Sichtweise über das Thema der gesellschaftlichen und kulturellen Auseinandersetzung anbieten können, als Beitrag zum Frieden, denn die Frauen haben die Gabe, eine Weisheit einzubringen, die Wunden zu schließen weiß, die zu vergeben, neu zu erfinden und zu erneuern weiß. In der Heilsgeschichte ist es eine Frau, die das göttliche Wort aufnimmt. Und es sind ebenso die Frauen, die in der Dunkelheit der Nacht die kleine Flamme des Glaubens hüten und die Auferstehung erwarten und verkünden.
Die freudige und tiefe Verwirklichung der Frau konzentriert sich auf diese beiden Aspekte: Aufnahme und Verkündigung. Frauen sind die Protagonistinnen einer Kirche, die hinausgeht durch das Zuhören und die Fürsorge, die sie den Nöten der anderen entgegenbringen, und durch die ausgeprägte Fähigkeit, in einer von »der Wärme eines Zuhause« geprägten Atmosphäre Dynamiken der Gerechtigkeit in den verschiedenen gesellschaftlichen Umfeldern, in denen sie arbeiten, zu fördern. Zuhören, Meditation, liebevolles Handeln: Das sind die wesentlichen Elemente einer Freude, die sich durch den weiblichen Blick erneuert und den anderen mitteilt, bei der Sorge für die Schöpfung, im Aufbau einer gerechteren Welt, in der Schaffung eines Dialogs, der die Unterschiede respektiert und wertschätzt.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie Friedensstifterinnen sein und Erneuerung bewirken mögen. Dass Sie eine Präsenz sind, die mit Mut und Demut Neues zu verstehen und anzunehmen und die Hoffnung einer auf die Geschwisterlichkeit gegründeten Welt zu wecken weiß. Ich begleite Sie mit meinem Gebetsgedenken und bitte Sie, dasselbe für mich zu tun. Danke!
Rom, St. Johannes im Lateran, 1. Oktober 2020, Gedenktag der heiligen Theresia vom Kinde Jesus
FRANZISKUS
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